Die Universität als kinderfreundlicher Arbeitsplatz

Spät angesetzte Meetings bringen MitarbeiterInnen mit Betreuungspflichten oft in Stresssituationen. Wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf an der Universität Wien verbessert werden kann, und was bisher dafür getan wurde, erzählt Heinz Faßmann, Vizerektor für Personalentwicklung.

uni:view: Seit Jänner 2015 ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Grundgesetz der Universität Wien verankert. Was bedeutet das für die Uni?
Heinz Faßmann: Da die Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer schon ein wichtiges Anliegen der Universität war, wird es keine gravierenden Änderungen geben. Wir haben schon vorher eine universitätsweite Arbeitsgruppe eingesetzt, die – nicht zum ersten Mal – intensiv an der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen rund um das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie arbeitet.

uni:view: Was macht diese Arbeitsgruppe genau?
Faßmann: Die Mitglieder der Arbeitsgruppe haben unter anderem den Status Quo erhoben und ausgewertet. Etwa wie viele Frauen und Männer mit Betreuungspflichten an der Universität Wien arbeiten, wie alt die Kinder sind usw. Sie haben aber natürlich auch viele Gespräche geführt: Im Rahmen von "Sounding Boards" wurde mit den MitarbeiterInnen darüber diskutiert, wie die Verbindung von Beruf und Familie besser gelingen und was die Universität dafür tun kann.

uni:view: Mit welchem Ergebnis?
Faßmann: Obwohl die Gruppe ihre Arbeit noch nicht abgeschlossen hat, liegt bereits ein Grundsatzpapier vor. Darin geht es um den allgemeinen Umgang von Dienstvorgesetzten mit Personen mit Betreuungspflichten: Wie werden Arbeitszeiten ausgehandelt und auf was sollte beim Ansetzen von Besprechungsterminen geachtet werden? Wie sollte reagiert werden, wenn eine Mitarbeiterin ihre Schwangerschaft bekannt gibt? Oder was ist zu tun, wenn Frau oder Mann nach der Karenz wieder zurückkehrt? Das Papier wurde nun veröffentlicht und soll eine Richtschnur für die konkrete Umsetzung von Vereinbarkeit sein.

uni:view: Mit welchen Problemen sind MitarbeiterInnen mit Kindern im Arbeitsalltag besonders häufig konfrontiert?
Faßmann: Auf der einen Seite ist es für viele Eltern oftmals schwierig, eine passende familienergänzende Kinderbetreuung, sprich Kinderkrippe oder Kindergarten, zu finden. Hier ist aber nicht die Universität Wien allein gefragt – unser Kinderbüro betreibt übrigens auch fünf Kindergruppen –, sondern im Wesentlichen eine Frage der öffentlichen Hand und der privaten Betreiber. In Österreich herrscht leider noch immer ein Mangel an Kinderkrippenplätzen, wobei Wien vergleichsweise gut aufgestellt ist. Probleme gibt es auch, wenn längerer Karenzzeiten in Anspruch genommen werden, insbesondere im wissenschaftlichen Bereich. Zu leicht verliert man den Anschluss an die wissenschaftliche Forschung und das institutionelle Geschehen. Ein Karriereknick im Vergleich zu anderen kann die Folge sein. Das Kontakthalten mit der Institution, das Anteilnehmen an der wissenschaftlichen Forschung und die Bereitstellung eines ausreichenden Angebots an institutioneller Kinderbetreuung sind daher sehr wichtig.

uni:view: Und auf der anderen Seite?

Faßmann: … gibt es auch in der täglichen Arbeitskultur noch oft Problemsituationen: Werden Termine zu spät am Nachmittag angesetzt und dauern länger, bringt das Frauen und Männer oft in einen gewissen Stress: Der Kindergarten sperrt in einer halben Stunde zu und eigentlich sollte man schon längst weg sein. Vorgesetzte sollten hier mehr Sensibilität an den Tag legen. Es würde ja nichts kosten, bestimmte Termine zu anderen Zeiten anzusetzen. Ein anderes Problem stellen Kongress- oder Tagungsreisen dar: Berufstätige Eltern geraten dadurch oftmals in einen "Betreuungsnotstand".

uni:view: Wie hilft die Universität Wien in solchen "Notfällen"?

Faßmann: Wir haben das System der Flying Nannys: Das ist eine flexible Form der Kinderbetreuung: Das Kinderbüro organisiert diese begleitende Kinderbetreuung zu Weiterbildungsseminaren, Tagungen oder Kongressen. Die Flying Nanny "fliegt" aber auch an schulfreien Tagen – wie etwa in den Ferienzeiten, an schulautonomen oder Fenstertagen – und betreut die Kinder vor Ort, während die Eltern arbeiten. Das ist ein sehr erfolgreiches Programm und das Kinderbüro leistet in dem Zusammenhang eine sehr gute Arbeit.

Heinz Faßmann, Vizerektor für Personalentwicklung, hat eine Arbeitsgruppe für das Thema "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" an der Universität Wien eingesetzt. Das erarbeitete Grundsatzpapier enthält Empfehlungen für Führungskräfte: Es soll einen sensiblerer Umgang mit MitarbeiterInnen mit Betreuungspflichten fördern.


uni:view: Ist der Beruf "WissenschafterIn" überhaupt familienfreundlich?

Faßmann: Die Universität Wien ist ein guter und verlässlicher Arbeitgeber, der den WissenschafterInnen auch Freiräume der Entfaltung offeriert. Ich weiß aber auch, dass die zeitlichen Limitierungen der Verträge, besonders im Mittelbaubereich, die Realisierung des Kinderwunsches oft nach hinten in eine spätere, beruflich gesichertere Lebensphase verlagert. Dieses Phänomen findet sich bei vielen Frauen, die Karriere machen wollen. Ich will damit aber nicht sagen, dass ich damit zufrieden bin, sondern im Gegenteil: Man muss eine Vereinbarkeit ermöglichen, damit die Realisierung des Kinderwunsches nicht zu einer karrierebestimmenden Entscheidung wird. Kinder zu bekommen soll Normalität und kein Hindernis sein.

uni:view: Wo gibt es noch Handlungsbedarf?
Faßmann: Wir müssen den bisher eingeschlagenen Weg weiter beschreiten, die flexiblen Formen der Kinderbetreuung weiterführen bzw. ausbauen, damit wir das institutionelle Angebot gut ergänzen. Aber das erfordert Zeit. Ebenso können wir den Arbeitsalltag leider nicht von heute auf morgen familienfreundlicher machen – erst muss ein Umdenken stattfinden. Jede und jeder sollte aber ihr bzw. sein Bestes tun, um konkrete Situationen für MitarbeiterInnen mit Betreuungspflichten angenehmer zu gestalten. Muss z.B. ein Kind kurzfristig in die Arbeit mitgenommen werden, dürfen die ArbeitskollegInnen oder Vorgesetzten nicht die Augenbrauen hochziehen. Auch wenn Kinder krank werden und somit nicht in den Kindergarten oder Schule gehen können, bedeutet das für die Eltern Stress. In dieser Situation sollten MitarbeiterInnen die Möglichkeit haben, kurzfristig und flexibel von zu Hause arbeiten zu können. Das alles muss und sollte man aber gar nicht festschreiben müssen – es sollte eine Frage der gelebten Praxis sein.

uni:view: Was sind die nächsten Schritte?
Faßmann: Unsere "Leitlinien für eine familienfreundliche Universität" müssen natürlich von möglichst vielen – v.a. Führungskräften – gelesen und dann gelebt werden. Eine Aufgabe des innerbetrieblichen Monitorings ist in weiterer Folge, die universitäre Realität zu beobachten. Solche Arbeitsgruppen sind ja keine Beschäftigungstherapie für die TeilnehmerInnen (lacht). Und so, wie wir dies bereits beim "Gender Pay Gap" machen, sollten wir auch die gelebte Vereinbarkeitskultur systematisch beobachten.

uni:view: Sie haben selbst zwei – mittlerweile schon erwachsene – Kinder. An welche Problemsituationen können Sie sich erinnern?
Faßmann: Da meine Frau und ich berufstätig waren, haben wir beide Kinder im Alter von einem Jahr in die Kinderkrippe gegeben. Ich kann mich noch sehr lebendig an die Stresssituationen erinnern: Besprechungstermine an der Universität wurden unglaublich gerne am Nachmittag angesetzt, und manchmal haben wir eine Gesprächskultur, wo der fünfte Redner das wiederholt, was der erste bereits gesagt hat. Es wird also immer noch geredet, obwohl schon längst alles gesagt ist. Und daher ist es leider mehr als einmal passiert, dass die Pädagogin schon vor dem Kindergarten stand und auf mich wartete. Das sind unerfreuliche Situationen. Damit das nicht passiert, müssen wir die gelebte Kultur der Vereinbarkeit mit viel Sensibilität – und ohne große finanzielle Maßnahmen – ändern. (ps)