Wer lehrt, hat auch einmal studiert (Teil 17)

Mathematiker Roland Steinbauer bekam den Staatspreis Ars Docendi in der Kategorie "Lehr- und Prüfungsformen bei Einführungsveranstaltungen" (gemeinsam mit Hermann Schichl) verliehen. In uni:view berichtet er von seinem eigenen Studium und empfiehlt seinen Studierenden, Gruppen zu bilden.

uni:view: Erinnern Sie sich zurück: Was haben Sie damals an Ihrem ersten Tag auf der Universität (Studium Physik, Mathematik und Philosophie) erlebt?
Roland Steinbauer:
An meinen ersten Studientag habe ich keine spezielle Erinnerung, aber sehr wohl an die Stimmung meiner ersten Studienmonate. Da war sehr viel Ehrfurcht vor "genialen" Professoren und Respekt vor all den vielen StudienkollegInnen, die viel mehr wussten und konnten als ich, oder zumindest diesen Anschein erweckten. Ich denke ich habe zwei bis drei Semester gebraucht, um vor allem emotional in der Lebenswelt Universität anzukommen und sie für mich zu erobern. Ganz präsent ist mir auch noch die bittere Enttäuschung darüber, dass die Mathematikvorlesungen um 7.55 Uhr begonnen haben – also sogar noch früher als der Schulunterricht! Das war schon ein großes Manko gegenüber all den Studierenden, die zumindest behaupteten, noch niemals am Vormittag einen Hörsaal betreten zu haben.

Roland Steinbauer als 23-jähriger Student. (Foto: Privat)

uni:view: Welches Motto hat Sie während Ihres Studiums begleitet?
Steinbauer:
Nicht kleinkriegen lassen! Ich habe mich über meine gesamte Schulzeit hinweg nie sonderlich für gute Noten anstrengen müssen. An der Universität musste ich erstmals wirklich kämpfen und um Verständnis ringen. Und es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mein Potenzial erkannt und darauf auch zu vertrauen gelernt habe.

uni:view: Was vermissen Sie am meisten an ihrer Studienzeit?
Steinbauer:
Am meisten vermisse ich es Zeit zu haben bzw. mehr noch das Gefühl, endlos viel Zeit zu haben. Und diese Zeit dann in nächtelangen Diskussionen über Mathematik, Physik, das Universum und den ganzen Rest zu verplempern. Außerdem natürlich die Freiheit, um mich zweckfrei und aus reiner Neugierde in ein Thema zu verbeißen und es ganz für mich zu erschließen.

uni:view: Welche Tipps geben Sie Ihren Studierenden mit auf den Weg?
Steinbauer:
Bei allen curricularen Vorgaben, die über die Jahre hinweg leider viel strikter geworden sind, halte ich es für essentiell, sich Freiräume zu schaffen, Neugier zu entwickeln und den eigenen Vorlieben nachzugehen; zu spüren wo es einen hinzieht. Das funktioniert besonders gut in kleinen Gruppen, wenn sie von gegenseitiger Motivation, Kooperation und der Freude der Studierenden am gemeinsamen Fortkommen getragen werden. (mw)

Roland Steinbauer studierte ab 1989 Physik, Mathematik und Philosophie an der Universität Wien. Nach dem Diplom in Theoretischer Physik 1996 wechselte er an die Mathematik und promovierte sub auspiciis praesidentis im Jahr 2001. Nach Gastaufenthalten in Southampton, Innsbruck und Novi Sad habilitierte er sich 2003 an der Universität Wien und ist seither ao. Univ. Prof. am Institut für Mathematik. Seine Arbeitsgebiete sind mathematische allgemeine Relativitätstheorie und nichtlineare Funktionalanalysis, insbesondere verallgemeinerte Funktionen.