Revolution trifft Universität – Die Thun-Hohensteinschen Reformen an der Universität Wien

Der folgende Gastbeitrag aus der Reihe "Jubiläumsringvorlesung" widmet sich dem Revolutionsjahr 1848. Dieses markante Jahr in der Geschichte Österreichs bedeutete auch für die österreichischen Universitäten eine wichtige Zäsur.

Die Universität in der Revolution von 1848

Das Jahr 1848 bildete den Ausgangspunkt für eine grundlegende Reform der Universitäten in der Habsburgermonarchie und prägte für die folgenden knapp hundert Jahre das Antlitz der Universitäten – ja noch mehr, in manchen Bereichen beeinflussen die Vorstellungen, die mit dieser Reform verbunden waren, auch heute noch das Bild vom Ideal einer Universität.

Die Wiener Akademiker standen im März 1848 in der ersten Reihe der Revolutionäre. Sie verlangten allgemeine bürgerliche Freiheiten und für die Universitäten Lehr- und Lernfreiheit sowie eine Reform des Bildungswesens. Das System des Vormärz konnte diesen Forderungen nichts entgegensetzen und gab bereits nach wenigen Tagen den Wünschen der Bürger und Studenten nach.

Schon Ende März 1848 wurden die ersten Schritte für eine Reform der Universitäten unternommen, im Laufe des Jahres 1848 folgten weitere und im Herbst 1849 sanktionierte der Kaiser schließlich die Reformpläne des erst wenige Monate im Amt befindlichen Ministers für Cultus und Unterricht Leo Thun-Hohenstein. Mit seinem Namen sind auch heute noch die Reformen verbunden – auch wenn die Konzeption derselben in erster Linie auf den Philosophen Franz Exner und den preußischen Philologen Hermann Bonitz zurückgeht. Alle drei sind mit einem Denkmal im Arkadenhof der Wiener Universität verewigt.


Die Universität Wien feiert 2015 ihr 650-Jahre-Jubiläum. Im Wintersemester widmet sich eine eigene Ringvorlesung der Geschichte der ältesten Universität im deutschsprachigen Raum: "Die Wiener Universität 1365-2015. Tradition als Innovation und Ort der Begegnung" LV-LeiterInnen: Marianne Klemun und Martin Scheutz.
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Die Thun-Hohensteinschen Reformen


Im Zentrum der Reform standen, neben der bereits erwähnten Lehr- und Lernfreiheit, die Übertragung der Verwaltung der Universitäten auf die Professorenschaft sowie die Aufwertung des sogenannten philosophischen Studiums zu einer vollwertigen Fakultät. Das philosophische Studium besaß bis dahin eine allgemeinbildende Funktion: alle Studenten mussten diese absolvieren, bevor sie ihre Studien an den übrigen Fakultäten (Theologie, Jus, Medizin) beginnen konnten. Diese Aufgabe wurde nun an die Gymnasien abgetreten und so der Weg freigemacht für den Aufstieg der geistes- und naturwissenschaftlichen Disziplinen innerhalb der neuen philosophischen Fakultät. Ein wesentliches Ziel der Reform war auch die Integration der Forschung in die Universitäten. Das Vorbild für diese Neuordnung bildeten – wie die Reformer selbst betonten – die preußischen Hochschulen, die bereits ein halbes Jahrhundert zuvor ähnliche Veränderungen vollzogen hatten.

Die schwierige Umsetzung der Reformen an der Universität Wien

Wenngleich die Reformen grundsätzlich begrüßt wurden, verlief deren Umsetzung an der Alma Mater Rudolphina jedoch nicht ohne Gegenwehr. Ein wesentlicher Grund hierfür lag eben gerade darin, dass zahlreiche Professoren und Doktoren die Orientierung an den preußischen Universitäten kritisch beäugten und in der Übernahme dieses Vorbilds den Verlust der eigenen, österreichischen Bildungstradition erkannten. Gleichzeitig galt vielen das preußische Vorbild als dezidiert protestantisches Universitätsmodell – und damit ungeeignet für die Wiener Universität, die ja eine katholische Stiftung war. So kam es im Laufe der folgenden Jahre regelmäßig zu Auseinandersetzungen über die Frage nach dem katholischen Charakter der Universität Wien.

Aufeinanderprallen unterschiedlicher Vorstellungen

Besondere Probleme bereitete gerade in Wien auch die Übertragung der Verwaltung der Universität auf die Professorenkollegien, denn die Doktorenkollegien – die Gemeinschaft aller Doktoren der Wiener Universität und bisher zuständig für die Verwaltung der Universität – waren nicht gewillt, ihre Macht abzutreten. Der Konflikt des Ministeriums mit diesem einflussreichen Gremium, dem fast alle Juristen und Mediziner der österreichischen Hauptstadt angehörten, verdeutlicht das Aufeinanderprallen der unterschiedlichen Vorstellungen von der Universität als korporativer Gemeinschaft bzw. als staatliche Einrichtung.

Der Widerstand der Doktorenkollegien dauert letztlich mehr als zwei Jahrzehnte. Die Umsetzung der restlichen Reformschritte vollzog sich schneller – auch weil Leo Thun während seiner Amtszeit eine Reihe von ambitionierten Professoren an die Universität berief, die sich vollkommen mit den Reformen identifizierten. Viele dieser Professoren kamen aus dem deutschsprachigen Ausland – so vollzog sich auf diesem Weg auch ein gewisser Wissenstransfer nach Österreich. Trotz aller Widerstände wurde die Reform so zu einem Erfolg und bildete die Grundlage für den wissenschaftlichen Aufschwung der Universität in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Der Gastbeitrag stammt von Mag. Christof Aichner (Projektmitarbeiter von die "Thun-Hohenstein´sche Bildungsreform in Österreich 1849-60" an der Universität Innsbruck) und bezieht sich auf die Einheit der Jubiläumsringvorlesung, die am 7. November gemeinsam von ihm und Univ.-Prof. Dr. Brigitte Mazohl (Universität Innsbruck/ÖAW), gehalten wurde.