Die Gründung der Universität Wien als Begegnung von Hof, Stadt und Kirche

Christian Lackner vom Institut für Österreichische Geschichtsforschung der Universität Wien beleuchtet in der ersten Einheit der Ringvorlesung "Die Wiener Universität 1365-2015" die Gründung der Alma Mater Rudolphina Vindobonensis.

Ambitionierte Gründung mit idealer Raumressource

Mit zwei monumentalen Stiftungsurkunden, einer lateinischen und einer deutschen Fassung, die das symbolträchtige Tagesdatum 12. März (Hl. Gregor) tragen, machte der österreichische Herzog Rudolf IV. im Frühjahr 1365 den Weg frei zur Einrichtung einer Universität in Wien. Vorausgegangen waren dem offiziellen Gründungsakt längere Verhandlungen mit der Kurie, um die erforderliche päpstliche Bewilligung einzuholen. Das Projekt war ambitioniert, galt doch die Gründung von Universitäten im 14. Jahrhundert immer noch als vornehmlich Kaisern und Königen vorbehalten.

Das Universitätsgründungsprojekt fügt sich freilich nahtlos in das politische Programm Rudolf IV., des vielleicht bedeutendsten Habsburgers des Spätmittelalters, ein politisches Programm, das darauf gerichtet war, den Honor der Dynastie zu steigern und die fürstliche Majestät der habsburgischen Landesherrschaft in jeder erdenklichen Weise zur Geltung zu bringen.

Und natürlich spielte auch die "imitatio" des kaiserlichen Schwiegervaters Karl IV., der 1348 die Universität Prag gegründet hatte, eine wichtige Rolle. Gründungsrektor wurde Albert von Sachsen, der bis dahin als Lehrer an der Pariser Universität gewirkt hatte. Seinem Einfluss mag es auch zuzuschreiben sein, dass Rudolf IV. für seine Universitätsgründung in Wien das Pariser Organisationsmodell mit einer Vierfakultäten-Universität und vier Universitätsnationen wählte.

Vollkommen neu und ohne Vorbild war der Wunsch des österreichischen Herzogs, ein ganzes Stadtviertel der Universität zu überlassen. Der Bereich zwischen der Burg und dem Schottenstift, ein Areal von ca. zehn Hektar Wohngebiet, sollte durch eine Mauer von der restlichen Stadt für Studierende und Lehrende abgetrennt werden.

Zwischen Wunschvorstellung und realer Umsetzung

Die Universitätsgründung Rudolf IV. ist in wesentlichen Punkten gescheitert. Vergleicht man mit den beiden anderen nahzeitigen Neugründungen in Ostmitteleuropa, den Universitäten von Krakau (1364) und Pecs/Fünfkirchen (1367), die beide erhebliche Probleme hatten – Krakau benötigte einen Neustart zu Ende des 14. Jahrhunderts und Pecs ist gänzlich fehlgeschlagen –, dann überraschen die Anlaufschwierigkeiten der Wiener Alma mater weniger, zumal Wien durch den frühen Tod Rudolf IV. (27. Juli 1365) schon einige Monate nach der Gründung seinen mächtigen Förderer verlor.


Die Universität Wien feiert 2015 ihr 650-Jahre-Jubiläum. Im Wintersemester widmet sich eine eigene Ringvorlesung der Geschichte der ältesten Universität im deutschsprachigen Raum: "Die Wiener Universität 1365-2015. Tradition als Innovation und Ort der Begegnung" LV-LeiterInnen: Marianne Klemun und Martin Scheutz.
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Dass der Papst am 18. Juni 1365 die neue Wiener Hohe Schule ohne die wichtige theologische Fakultät genehmigt hatte, musste unter diesen Umständen doppelt schmerzlich sein. Der Lehrbetrieb in Wien startete schleppend, eine finanzielle Basis fehlte und die österreichischen Landesfürsten, die überlebenden Brüder des Universitätsgründers Albrecht III. und Leopold III., überließen das, was an rudimentärem Universitätsbetrieb in Wien in engem Verbund mit der Bürgerschule von St. Stephan bestand, weitgehend sich selbst. In dem schwierigen ersten Jahrzehnt der Wiener Universität war es die Stadt Wien, die der Hohen Schule das finanzielle Überleben ermöglichte, wiewohl die Bürgerschaft die großzügige Privilegierung der Universität durch Rudolf IV. mit einigem Argwohn verfolgt hatte.

Erste Konsolidierung: Krise als Chance

Nach einem ersten zarten Aufschwung der Wiener Universität in den Jahren 1376/77, an dem vor allem Studierende des kanonischen Rechts maßgeblichen Anteil hatten, kam der entscheidende Impuls zu einer nachhaltigen Konsolidierung durch das große abendländische Schisma des Jahres 1378. Diese nicht nur die Kirche, sondern die gesamte spätmittelalterliche Gesellschaftsordnung erfassende Krise erschütterte vor allem auch die traditionellen Bildungsmetropolen, allen voran Paris, und zwangen zahlreiche Universitätslehrer ebenso wie Studierende, sich neu zu orientieren und neue Wirkungsmöglichkeiten bzw. Studienorte zu suchen.

So machten sich Österreicher, die in Paris studiert hatten, auf den Weg in die Heimat und große Pariser Universitätslehrer, wie der Hesse Heinrich von Langenstein, fanden in Wien ein neues Tätigkeitsfeld. Es dürfte vor allem Heinrich von Langenstein gewesen sein, der dem österreichischen Herzog Albrecht III. die Chancen der neuen kirchenpolitischen Situation vor Augen geführt und die für einen Aufstieg der Wiener Hohen Schule nötigen Maßnahmen nahegebracht hat.

Nachdem der römische Papst Urban VI. am 21. Februar 1384 die fehlende theologische Fakultät für Wien genehmigte, ging es Schlag auf Schlag. Der Herzog stattete mehrere prominente Professoren mit großzügigem Salär aus und gründete, wohl gleichfalls Langensteins Ideen folgend, das sogenannte Collegium ducale, ein Magisterkolleg nach dem Muster der Pariser Sorbonne, das künftig gleichsam das Fundament und finanzielle Rückgrat für die Wiener Universität bilden sollte.

Univ.-Prof. Mag. Dr. Christian Lackner ist am Institut für Österreichische Geschichtsforschung der Universität Wien tätig.