Barrierefrei: Viele Wege – ein Ziel

Welche Unterstützungsmöglichkeiten können Studierende mit Behinderung in Anspruch nehmen? Gibt es barrierefreie Lehrveranstaltungen oder Prüfungen? Ein neuer Videoclip liefert Infos zum Thema "Barrierefrei Studieren" an der Universität Wien.

Birgit Virtbauer setzt sich seit 2009 für Studierende mit Behinderung ein. Als Behindertenbeauftragte der Universität Wien berät sie diese über abweichende Prüfungsmethoden, finanzielle Unterstützungsleistungen oder hilft bei der Semesterplanung. Obwohl bereits viele Studierende dieses persönliche Beratungsservice in Anspruch nehmen – im Jahr 2011 waren es rund 350 – gibt es nach wie vor ein großes Informationsdefizit.

"Nach der Gründung des Beirats Anfang 2010 gab es viele Rückmeldungen, dass einerseits StudienkollegInnen und Lehrende zu wenig sensibilisiert seien und andererseits, dass Studierende mit Behinderung über einzelne Unterstützungsmöglichkeiten nicht Bescheid wissen", erzählt Virtbauer rückblickend.

Information …

Der Beirat – in dem Birgit Virtbauer, fünf Studierende mit Behinderung aus unterschiedlichen Studienrichtungen, die ÖH-ReferentIn(nen), ein Mitglied des Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen sowie ein Vertreter des Büros Rektorat unter der Leitung von Vizerektorin Christa Schnabl sitzen – hat deshalb die Erarbeitung eines informativen Videoclips initiiert. "Die Lehrenden werden eingeladen, den Clip in den Studieneingangs- und Orientierungsphasen zu zeigen, um möglichst viele Studierende zu erreichen", hofft die Behindertenbeauftragte. Mit dem Infoclip will der Beirat unter anderem auf die verschiedenen Gruppen von Studierenden mit Behinderung und deren unterschiedliche Bedürfnisse aufmerksam machen.


Die Dreharbeiten für den Infoclip fanden im Arkadenhof statt. Dabei wurden vier Studierende vor die Kamera geholt. Eine davon ist Theresa. Sie ist sehbeeinträchtigt und studiert im zweiten Semester Psychologie.
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... und Sensibilisierung


Unter den Studierenden, die eine Beratung beanspruchen, sind laut Virtbauer Personen mit psychischen Beeinträchtigungen – von Aufmerksamkeits- oder Konzentrationsstörungen, Schizophrenie oder Essstörungen bis hin zu Ängsten, vor vielen Menschen aufzutreten bzw. ein Referat zu halten – die größte Gruppe: "19 Prozent der Studierenden, die zu mir kommen, haben eine Form der psychischen Beeinträchtigung", weiß die Behindertenbeauftragte. Dennoch ist diese Gruppe die unsichtbarste, weil sie zum Teil Stigmatisierung fürchtet.

Das häufigste Thema, das in den Beratungsgesprächen Platz findet, sind abweichende Prüfungsmethoden: "Studierende mit körperlicher oder psychischer Beeinträchtigung haben laut Universitätsgesetz das Recht auf barrierefreie Prüfungen", erklärt Virtbauer, die in diesem Sinne häufig Empfehlungsschreiben erarbeitet, welche auf Grundlage eines fachärztlichen Attests – und gemeinsam mit den Studierenden – individuelle Prüfungsabläufe festhalten.

Barrierefreie Lehre

Ein wichtiger Schritt in Punkto barrierefreies Studieren wurde im letzten Jahr gesetzt: In vier Hörsälen wurden Induktionsanlagen eingerichtet. "Dabei handelt es sich um Schleifen, die im Boden oder in der Wand verlegt werden, und hörbeeinträchtigten Personen helfen, den Vortrag optimal zu verstehen", klärt Virtbauer auf. Wo keine Induktionsanlagen eingebaut sind, können sich die Betroffenen mobile Geräte ausleihen. Damit sich Studierende mit Behinderung untereinander besser austauschen und vernetzen können, wurden Mailinglisten für Studierende unterschiedlicher Behinderungsgruppen eingerichtet. "Weiters haben wir an die Lehrenden kürzlich einen Info-Folder mit Tipps für die Gestaltung  barrierefreier Lehre geschickt", freut sich die gelernte Sonder- und Heilpädagogin.

Beratung online

Ein großes Projekt ist die neue Webseite, die 2012 online gehen soll: Diese wird wesentlich mehr Informationen als bisher enthalten. Ein anderes Projekt – das sich momentan in der Pilotphase befindet – ist die Mitschriftenbörse: Studierende, die aus verschiedenen Gründen, wie z.B. Legasthenie oder graphomotorischen Einschränkungen, nicht mitschreiben können, haben im Internet Zugriff auf die Mitschriften von StudienkollegInnen. "Der organisatorische Aufwand dafür ist noch relativ hoch, aber wir werden das Angebot verfeinern und schauen, welche Lehrveranstaltungen bereits anderweitig – z.B. durch Streams – abgedeckt sind", so Virtbauer. Weiters sind PC-Arbeitsplätze für Studierende mit Behinderung sowie weitere Pläne zur barrierefreien Zugänglichkeit von Gebäuden vorgesehen.

Barrierefrei in die Zukunft

Obwohl die Behindertenbeauftragte in den letzten zwei Jahren zahlreiche Projekte erfolgreich umgesetzt hat, ist noch einiges zu tun: "Vor allem die Barrierefreiheit von Gebäuden bleibt aufgrund des Denkmalschutzes ein problematischer Bereich." Den Schwerpunkt wird aber auch in Zukunft die Informations- und Sensibilisierungsarbeit bilden: "Der barrierefreie Infoclip war ein wichtiger Schritt, da wir auf diese Weise viele Studierende erreichen können, die sonst nichts von uns erfahren würden." (ps)


Mag. Birgit Virtbauer ist seit Juni 2009 Behindertenbeauftragte der Universität Wien und steht immer mittwochs zwischen 14 und 18 Uhr für persönliche Beratungsgespräche zur Verfügung.
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