Timothy Taylor: Zur Ausgrabung im Tauchanzug

Timothy Taylor ist seit etwa einem Jahr Professor für Urgeschichte des Menschen an der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. In seiner Arbeit stürzt er sich auf den "kritischen Nexus zwischen Kultur und Biologie" – und vermittelt diesen gerne auf unkonventionelle Weise.

Seit November 2012 ist der britische Archäologe und Prähistoriker Timothy Taylor am Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie der Universität Wien tätig; seine Büchersammlung ist aus logistischen Gründen allerdings erst vor wenigen Wochen in der Franz-Klein-Gasse angekommen. "Die Bücher besetzen über 50 Regalmeter", erwähnt Taylor, während er die gestapelten Bücherkisten betrachtet. Seine Kollektion reicht von eigenen Publikationen bis hin zu rumänischen Erstausgaben: "Nach so langer Zeit im Beruf sammelt sich einiges an Literatur an."

Eine langjährige Verbindung


23 Jahre lang war der Professor für Urgeschichte des Menschen an der englischen University of Bradford beschäftigt, aber er besitzt eine langjährige Verbindung mit der Universität Wien. So nahm er bereits 1979 an einer Ausgrabung im Waldviertel teil und feierte seinen 19. Geburtstag mit dem damaligen Institutsvorstand Herwig Friesinger im Kamptal. 2003 unterrichtete er bereits im Rahmen einer Gastprofessur an der Universität Wien, ehe er sich nun schließlich ganz und gar in Wien niedergelassen hat. Wien als Stadt ist für den Professor nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht spannend, er begeistert sich auch für Musik, Literatur, Philosophie und geht ganz in seiner Wahlheimat auf. "Mein Traumjob! Eine solche Chance hat man nur ab und zu im Leben, manchmal nie", freut er sich über seine Berufung.
 
Ein interdisziplinärer Ansatz


In der Lehre legt er besonderen Wert darauf, kultur- und naturwissenschaftliche Ansätze miteinander zu verbinden und Interdisziplinarität zu wahren. Um abstrakte Theorien zu veranschaulichen, greift der Professor im Unterricht gern auf Mikroskop und Knochenmaterial zurück. "Ich sehe unsere Körperlichkeit als eine Art von Artefakt", erklärt Taylor: "Unsere Knochen sind durch unsere Lebensform und unsere Aktivitäten modifiziert; eine Trennung zwischen Biologie und Kultur ist daher alles andere als sinnvoll."

In diesem Sinne sei auch das Geschlecht lediglich eine soziale Konstruktion. In der Wissenschaft sind manche Gendertheorien relativ abstrakt. Taylor lässt als Archäologe diesbezüglich eher die Dinge für sich sprechen, und lädt manchmal sein weibliches Alter Ego ein, Vorträge zu halten oder an Kunstperformances teilzunehmen. Mit Frauenkleidern und Lippenstift möchte er vor allem eins ausdrücken: "Der Mensch wird von seiner Umwelt und Kultur geprägt, es geht nur darum, in welche Rolle wir gerade schlüpfen."


Timothy Taylor bei Grabungsarbeiten auf einer neolithischen Ritualanlage in Hornsburg nördlich von Wien. (Lehrgrabung Hornsburg I, 2013)



Archäologische Abenteuer in Planung

Für das nächste Jahr stehen bereits einige ambitionierte Projekte auf der Agenda des Wissenschafters. Gemeinsam mit den Universitäten Pittsburgh und Kiew plant er eine Ausgrabung in der Ukraine. Es wurden Überreste eines Burgwalls entdeckt, der in das fünfte Jahrhundert vor Christus datiert. "Ein zehn Meter hoher Wall, der sich über 33 Kilometer erstreckt", erklärt Taylor mit leuchtenden Augen.

Doch auch im Inland sind spannende Ausgrabungen geplant: Im Mondsee und im Attersee befinden sich Überreste von kupferzeitlichen Pfahlbauten, die mittlerweile zum UNESCO-Kulturerbe erklärt wurden. Taylor und seine StudentInnen interessieren sich für diese Spuren und hoffen auf die Genehmigung der nötigen Forschungsanträge. "Ich werde bald anfangen, tauchen zu lernen", verrät der abenteuerlustige Professor.

Mit Familie und Beruf

Der vielseitige Forscher ist zweifacher Familienvater. Seine Kinder studieren aktuell in Großbritannien, aber sie haben zeitweise ein Gymnasium in Wien besucht und Deutsch gelernt. Schon im Kindesalter begleiteten sie den Vater auf Ausgrabungen und hatten ihre Freude an den Relikten aus der Vergangenheit. Auch mit seiner Ehefrau Sarah Wright teilt Taylor die Leidenschaft für Archäologie: Gemeinsam mit ihr ist er der Herausgeber der renommierten Fachzeitschrift Journal of World Prehistory.

Seinen eigenen Weg gehen

Timothy Taylor hat den für ihn schönsten Beruf der Welt gefunden und steht nun da, wo er immer hinwollte. Angehenden JungwissenschafterInnen kann er nur raten, ihren eigenen Weg zu gehen und für sich selbst zu denken. "Man sollte sich nicht von wissenschaftlichen Moden oder Trends beeinflussen lassen, auch nicht im Sinne einer Gegenreaktion, sondern stets mit Neugier seinen ganz eigenen Interessen nachgehen", sagt er. Angestrengt blickt er auf ein Bücherregal und zitiert schließlich Georg Christoph von Lichtenberg: "Grade das Gegenteil tun heißt auch nachahmen, es heißt nämlich das Gegenteil nachahmen."

Univ.-Prof. Dr. Timothy Taylor, MA PhD FSA FRSA, vom Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät hält seine Antrittsvorlesung "Was ist Urgeschichte?" am 18. November um 18 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien.