Stefan Krammer: Ein "Role Model" für die LehrerInnenausbildung

Die Balance zwischen Fachwissen und Didaktik ist beim Lehramtsstudium wichtig. Hier kommt Stefan Krammer ins Spiel, der seit Oktober 2015 Professor für Neuere deutsche Literatur und ihre Didaktik am Institut für Germanistik ist. Er hat vor, die Verknüpfung beider Komponenten weiter zu intensivieren.

"Angepasst und brav", beantwortet Stefan Krammer schmunzelnd die Frage, wie er selbst als Schüler war. Seit seinem Studienabschluss steht der gebürtige Niederösterreicher allerdings auf der anderen Seite des Klassenzimmers bzw. Hörsaals.

Nach seinem Lehramtsstudium in Deutscher Philologie und Mathematik lehrte er an der Universität Wien sowie der University of Reading in England und der Università Tre in Italien, schloss 2001 seine Dissertation über die Semiotik des Schweigens im dramatischen Werk Thomas Bernhards ab und unterrichtete anschließend u.a. von 2002 bis 2009 Deutsch und Mathematik am Realgymnasium "GRG 15 Auf der Schmelz" in Wien.

Stefan Krammer als 22-jähriger Student bei seinem Auslandsstudium an der Universität Lancaster 1994/95. (Foto: Privat)

Zwischen Fachwissenschaft und -didaktik

Während dieser sieben Jahre war der heute 44-Jährige weiterhin parallel als Lektor und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Wien tätig, wo er u.a. das Fachdidaktische Zentrum Deutsch aufbaute und leitete. Durch seinen eigenen Werdegang weiß Stefan Krammer ziemlich genau, was gute LehrerInnen ausmacht: "Es bedarf nicht nur eines Gespürs, sich auf die Bedürfnisse und Anliegen der SchülerInnen einzulassen, sondern auch einer fundierten fachwissenschaftlichen und didaktischen Ausbildung."

Dass seine Professur, die mit ihm 2015 neu eingerichtet wurde, an der Schnittstelle zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik angesiedelt ist, sieht der Wissenschafter daher als symbolisches Zeichen dafür, "dass die Fachdidaktik in der Germanistik angekommen ist".

Den Blick erweitern

Der Blick über den Tellerrand ist Stefan Krammer wichtig. Er selbst studierte neben dem Lehramt auch Theaterwissenschaften, Kunstgeschichte und Architektur. "Gerade diese Fächer eröffneten mir eine andere Welt und haben mir geholfen, interdisziplinär arbeiten zu können", beschreibt der begeisterte Wissenschafter.

Daher empfiehlt er Lehramtsstudierenden, "nach links und rechts zu schauen" und sich interessanten Inhalten zu widmen, auch wenn sie auf den ersten Blick nichts mit Schule zu tun haben bzw. keine ETCS-Punkte bringen. "Natürlich weiß ich, dass das heutzutage auf Grund der Studienbedingungen schwierig ist, und vermutlich kann ein Geschichtestudent etwa Detailwissen über mittelalterlichen Minnegesang nicht eins zu eins in seinen späteren Unterricht einbringen. Aber durch die Auseinandersetzung damit wird ihm vielleicht ein anderer Zugang eröffnet, wie das Mittelalter funktioniert haben könnte."

Männlichkeitsforschung, Medien und Politik

Auch in seiner Forschung widmet sich der Germanist gerne neuen interdisziplinären Themen. Neben deutschsprachiger Literatur (19. bis 21. Jahrhundert), Literatur- und Mediendidaktik sowie Politik und Literatur beschäftigt er sich zum Beispiel mit Männlichkeitsforschung. "Während meines Studiums kam ich mit den Gender Studies in Kontakt, damals hieß es noch Frauenforschung. Ich habe dann recht schnell bemerkt, dass Narration und Diskurse von Männlichkeiten in der Literatur bislang wenig erforscht sind", so Stefan Krammer.

Neben (Un)Doing Gender in Schulen möchte er sich weiters verstärkt dem Thema politische Bildung widmen: "Dabei interessiert mich u.a. die Frage, welches Politikverständnis SchülerInnen haben und wie Politik in literarischen Texten verhandelt und zugleich produziert wird."

Bei Bildung darf nicht gespart werden

Doch bildungspolitische Fragen sind bei Stefan Krammer nicht nur Forschungsthema. Der engagierte Wissenschafter beteiligt sich auch aktiv an ihrer Gestaltung. Von 2013 bis 2015 war er Mitglied im Senat der Universität Wien und wird dieser Tätigkeit auch wieder in der kommenden Funktionsperiode nachgehen. Dabei hat er konkrete Forderungen an die Politik: "Bildung ist ein zentrales Thema. Wenn ein Land hier einspart, ob bei Schulen oder Universitäten, ist das kontraproduktiv. Ich wünsche mir, dass die Reformbestrebungen, die es seit Jahren gibt, endlich auch umgesetzt werden und eine Chancengleichheit auf Bildung hergestellt wird."

Lesen als Beruf und Hobby

Literatur als wichtigen Gegenstand der Allgemeinbildung herauszustellen, ist ein weiteres Anliegen Krammers. So ist es nicht verwunderlich, dass Lesen neben Kino und Theater zu seinen liebsten Hobbys gehört. "Ich lese leidenschaftlich gerne dramatische Texte und österreichische Gegenwartsliteratur. Allerdings war ich nie ein Vielleser, sondern mich interessierte schon immer mehr der analytische Blick auf die Texte."

So liest er lieber ein Buch mehrmals, als von einem zum nächsten zu springen: "Letztes Jahr habe ich mir z.B. den 1.700 Seiten langen Roman 'Parallelgeschichten' von Péter Nádas als Freizeitlesespaß gegönnt. Es hat aber auch wirklich fast das ganze Jahr gedauert, bis ich das wunderbare Buch durchhatte", lacht Stefan Krammer. (mw)

Die Antrittsvorlesung von  Univ.-Prof. Mag. Dr. Stefan Krammer, Privatdoz., Institut für Germanistik, zum Thema "Fiktionen des Lernens. Literatur als Wissensvermittlerin" findet – gemeinsam mit der Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Karen Schramm (zum Porträt) – am Montag, 27. Juni 2016, um 17 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien statt.