Sabine Grenz: Die eigene Fachidentität stärken

Die institutionelle Verankerung der Gender Studies wird auch im deutschsprachigen Raum weiter fortschreiten, sagt Sabine Grenz. Seit April 2017 hat sie die Professur für Gender Studies an der Universität Wien inne und möchte so dazu beitragen, das Fach zu stärken.

Bereits als Jugendliche hat Sabine Grenz ihr Interesse für Geschlechterkonstruktionen entwickelt. "Man wird zwangsläufig damit konfrontiert, dass man als Mädchen bestimmte Dinge nicht tun sollte, die für Jungs selbstverständlich sind", erzählt die Wissenschafterin. Doch bevor die gebürtige Deutsche zu den Gender Studies kam, studierte sie zunächst Erziehungswissenschaft, Soziologie und Psychologie an der Universität zu Köln.

Entscheidung für Gender Studies

Nach ihrem Diplom war sie als freie Mitarbeiterin in religionssoziologischen Projekten tätig und zusätzlich in der Jugendarbeit einer evangelischen Gemeinde. Die Wissenschaft ließ Sabine Grenz nicht los. Sie wollte promovieren, weshalb sie für einen Master in Gender Studies an die London School of Economics and Political Science (LSE) ging. Dort fiel auch die Entscheidung, in Gender Studies zu promovieren: "Ich empfand das Fach als meine intellektuelle Heimat", berichtet Sabine Grenz, die besonders die Progressivität und Transdisziplinarität begeistert: "Gender Studies setzen sich kritisch mit bestehendem Wissen und Ideologien über Geschlecht auseinander. Das ist wichtig, denn es spielt in unserer Gesellschaft eine grundlegende Rolle."

Gesagt, getan. 2004 promovierte sie an der Humboldt-Universität zu Berlin über die Konstruktion männlicher Heterosexualität in der Prostitution. "Ich dachte mir, es wäre doch einmal interessant sich diejenigen anzusehen, die Zeit und Geld nur für Sexualität aufwenden", erinnert sich die Wissenschaftlerin. Der Kontakt zu den Freiern kam über Zeitungsannoncen zu Stande, Hemmungen hatte sie keine: "Ich glaube nicht an den grundsätzlich schlechten Menschen."

Andere Länder, andere Gleichberechtigung

Es folgte ein Postdoc an der HU-Berlin im DFG-Graduiertenkolleg "Geschlecht als Wissenskategorie" und ab 2007 die wissenschaftliche Mitarbeit in einem Forschungsprojekt zu Karrierewegen von Frauen in den Geisteswissenschaften. Als Postdoktorandin zog es sie dann an die Universität Göteborg: "Im Wissenschaftsbetrieb etwa haben die Gender Studies sowohl in Schweden als auch in Großbritannien einen viel höheren Stellenwert als im deutschsprachigen Raum. Insbesondere in Schweden ist das Forschungsfeld stärker national verankert, die Notwendigkeit der Geschlechtergerechtigkeit wird dort nicht in Frage gestellt."

Von Göteborg aus ging es für die Forscherin 2010 zurück nach Berlin, wo sie 2014 mit einer Schrift über die Konstruktion von Femininität in von Frauen verfassten Kriegstagebüchern aus dem Zweiten Weltkrieg habilitierte. Seit 2012 leitete sie gleichzeitig ein Teil-Forschungsprojekt zu den Wechselwirkungen zwischen der Kategorie Geschlecht und dem (religiösem) Lebenssinn, wurde 2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin und von Oktober 2015 bis März 2017 Vertretungsprofessorin für Soziologie der Diversität an der Georg-August-Universität Göttingen.

In Wien angekommen

Im April 2017 folgte sie schließlich dem Ruf an die Universität Wien. Die Professur für Gender Studies ist an der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft (dem Institut für Bildungswissenschaft), der Fakultät für Sozialwissenschaften und der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät angesiedelt. Diese Interdisziplinarität entspricht genau Sabine Grenz' bisherigem Forschungsprofil, die persönlich u.a. das 2006 eingerichtete Masterstudium Gender Studies an der Universität Wien gereizt hat. "Ich bin überzeugt, hier etwas mit der Professur bewegen zu können", freut sich die Wissenschafterin.

Gender Studies weiter verankern

Denn eine Gender Professur ist im deutschsprachigen Raum bislang noch eine Ausnahme. Neben der Universität Wien gibt es lediglich drei weitere Professuren (in Basel und an der TU Berlin) – zwei der vier Professuren sind befristet. Dazu gehört auch die auf drei Jahre ausgelegte Professur von Sabine Grenz: "Unabhängig von meiner Person möchte ich die Universität Wien ermutigen, hier weiterzugehen und eine unbefristete Professur einzurichten."

Ein Ziel der engagierten Wissenschafterin ist es, in den drei Jahren das Fach stärker zu verankern, sowohl in der Forschung – "da ist im deutschsprachigen Raum noch Aufholbedarf" – als auch in der Lehre:  "Wenn die Studierenden sehen, dass es in den Gender Studies einen Kern der Auseinandersetzung – die interdisziplinäre Untersuchung relevanter Themen – gibt, entwickeln sie stärker eine eigene Fachidentität."

Vorurteilen gelassen begegnen

Mit Vorurteilen geht die sympathische Forscherin gelassen um: "Ins Gesicht sagt es mir niemand, aber ich weiß natürlich, dass es negative Einstellungen gegenüber den Gender Studies gibt. Ich denke inzwischen, dass diejenigen, die das Fach z.B. eine Ideologie nennen, einfach ein Interesse daran haben, die bestehende Geschlechterordnung aufrechtzuerhalten." So nutzt Sabine Grenz die negative Energie produktiv: Aktuell analysiert sie etwa mit Studierenden in einem methodischen Seminar Kommentare, die im April 2017 zu einem Interview mit ihr über die Gender Studies im "Standard" gepostet wurden: "Oft merkt man sehr schnell, dass die VerfasserInnen der Postings das Interview gar nicht gelesen haben. Bei anderen offenbart sich ein sehr verkürztes – wenn nicht gar verzerrtes – Verständnis von Wissenschaft."

Kultur und Natur

Privat zieht es Sabine Grenz vor allem in Richtung Kultur – "ob Ausstellungen, Theater oder Oper, ich bin eine leidenschaftliche Kunstkonsumentin". Gleichzeitig begeistert die gebürtige Deutsche die Abwechslung, die Wien zu bieten hat: "Im Gegensatz zu Berlin ist Wien dicht bebaut, wodurch man schnell im Grünen ist. In den Weinfeldern zu sitzen und auf die Stadt zu schauen, ist schon grandios." (mw)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Sabine Grenz, Privatdoz., Professorin für Gender-Studies an der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft, der Fakultät für Sozialwissenschaften und der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät, zum Thema "Interdisziplinarität, Subjektivierungen und Wissenschaftsforschung. Ein Kaleidoskop der Gender Studies" findet am Montag, 29. Jänner 2018, 17 Uhr, im Kleinen Festsaal der Universität Wien statt.