Roland Innerhofer: Literatur als Tor zur Welt

Der gebürtige Südtiroler Roland Innerhofer studierte Mitte der 1970er Jahre Germanistik an der Universität Wien. Viele gelesene Romane und wissenschaftliche Projekte später ist er heute Professor an seiner Alma Mater und kann die Liebe zur Literatur in Forschung und Lehre ausleben.

Die Pubertät markierte den Beginn von Roland Innerhofers Faszination für Literatur – und die ist ihm bis heute geblieben: "Ich bin direkt von Comics zu Thomas Bernhard übergegangen", schmunzelt der Wissenschafter, der den österreichischen Kultautor zum ersten Mal im Alter von zwölf Jahren las: "Nicht, dass ich alles verstanden hätte, eher wenig, aber dennoch übte Thomas Bernhards Art zu schreiben eine unglaubliche Faszination auf mich aus."

Zwei Buchhandlungen gab es damals, Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre in seiner Heimatstadt Meran in Südtirol. "Die Auslagen waren voll mit romantischer Heimatliteratur. Mich und meine Freunde zog es immer zu einer Schublade, in der die Edition Suhrkamp 'versteckt' lag. Dort entdeckte ich Bernhard, Handke und Beckett. Diese Literatur – quasi der negative Heimatroman – war für mich das Tor zur Welt", sinniert der Germanist.

Oder doch Physik?

Ein Germanistikstudium schien also auf der Hand zu liegen. "Nicht ganz", widerspricht Innerhofer, so einfach sei es doch nicht gewesen, da er sich auch immer sehr für die Naturwissenschaften, besonders Physik, interessiert habe. Nach der Matura entschied er sich dann aber doch für ein Germanistikstudium – eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut. Und er hat es sogar geschafft, Naturwissenschaften und Literatur zu verbinden, schließlich zählen Phantastik, Utopie und Science Fiction schon seit Ende der 1980er Jahre zu seinen Forschungsschwerpunkten – ein Thema, mit dem sich auch Innerhofers Habilitation "Deutsche Science Fiction 1870-1914" auseinandersetzt.

Von unten nach oben

Science Fiction als eigenes Genre existiert etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts, auch wenn es damals noch nicht als solches bezeichnet worden ist. Jules Vernes, mit dessen Werk sich Innerhofer seit Ende der 1980er Jahre beschäftigt, gehört zu den prominenten Vorreitern der phantastischen Literatur. "Es existieren aber unzählige weitere Science Fiction-Texte von heute vergessenen und unbekannten AutorInnen; vorwiegend in der populären Literatur", relativiert der Germanist: "Entgegen der allgemeinen Meinung, dass Ideen der sogenannten 'hohen' Literatur später ins Populäre wandern, ist es im Fall der utopisch-phantastischen Literatur genau umgekehrt – erst später beschäftigten sich auch große AutorInnen mit Naturwissenschaften und Zukunftsthemen."

Innerhofer plädiert dafür, auch in der Literaturwissenschaft nicht zu hierarchisch zu denken: "Ein breiter Unterbau an populärer Kultur ist für die Literatur sehr wichtig." Besonders die Wechselwirkung von naturwissenschaftlichen, technischen und phantastischen Themen in populären und anspruchsvollen Romanen ist für den Wissenschafter ein spannendes Forschungsfeld. Doch nicht nur zur frühen Science Fiction forscht der Germanist, weitere Schwerpunkte sind österreichische Literatur- und Kulturgeschichte, Medienästhetik, Kulturen des Wissens sowie das interdisziplinäre Zusammenspiel von Literatur, Technik, Architektur und Film.

Karrierestationen

Nach seinem Doktorat an der Universität Wien 1980 zog es Innerhofer zunächst weit weg, er übernahm eine Stelle als Lektor an der Nihon-Universität in Japan. Zurück in Österreich führte er die folgenden Jahre mehrere Forschungsprojekte durch, war Lehrbeauftragter, später Dozent am Institut für Germanistik und unterrichtete zusätzlich Deutsch an der American International School. Nach einem Forschungsaufenthalt in Berlin habilitierte er sich 1995, es folgte die Leitung gleich mehrerer FWF-Projekte, Betreuung von Doc-Teams und Organisation von Tagungen und Konferenzen, bis Innerhofer im August 2011 die Professur für Neuere Deutsche Literatur am Institut für Germanistik antrat.

Dinge selbst erarbeiten

Die Lehre ist dem dreifachen Vater – seine beiden jüngeren Kinder sind zehn und elf Jahre alt und dem väterlichen Beispiel folgend bereits begeisterte Leser – nicht weniger wichtig als die Forschung: "Ich finde es schön zu unterrichten und kann auch die Erfahrungen aus meiner Zeit als Lehrer an der American International School gut einbringen – ich habe dabei viel für die Universität gelernt und umgekehrt." Am liebsten arbeitet der Germanistikprofessor in Kleingruppen: "Sowohl SchülerInnen als auch Studierende lernen einfach am besten, wenn sie nicht von oben herab belehrt werden, sondern sich Dinge selbst erarbeiten." (td)

Univ.-Prof. Dr. Roland Innerhofer vom Institut für Germanistik hält am Donnerstag, 7. November 2013, um 18 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien seine Antrittsvorlesung zum Thema "Sprachkunst – Baukunst".