Reinhard Wolters: Münzen als historische Quellen

Während die meisten Menschen Münzen wohl primär als Zahlungsmittel betrachten, dienen sie NumismatikerInnen als Quellen für historische Gegebenheiten. So auch für Reinhard Wolters, der seit 2010 die Professur für Numismatik und Geldgeschichte an der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät innehat. Der Altertumswissenschafter und Numismatiker stellt am Mittwoch, 22. Juni 2011, im Rahmen seiner Antrittsvorlesung unter dem Titel "Was heißt und zu welchem Ende studiert man Numismatik und Geldgeschichte?" sein Fach genauer vor.

Das Institut für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien begleitete Reinhard Wolters bereits auf unterschiedlichen Stationen seiner wissenschaftlichen Laufbahn. Angefangen mit einem Austauschsemester während des Studiums kam der gebürtige Deutsche nach seiner Promotion in Alter Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum als Postdoktorand und nach seiner Habilitation 1995 an der Technischen Universität Braunschweig für ein Semester als Gastdozent nach Wien. Von 2000 bis 2010 als Leiter der Numismatischen Arbeitsstelle am Institut für Klassische Archäologie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen tätig, führt ihn nun die Professur für Numismatik und Geldgeschichte zurück in bekannte Gefilde.

NumismatikerInnen in Wien

"Wien hat für die internationale Numismatik eine absolute Sonderstellung. Es gibt kein anderes selbständiges Universitätsinstitut dieses Fachs in Europa", erläutert der 53-Jährige: "Nur hier kann Numismatik und Geldgeschichte in ihrer vollen fachlichen Breite und zeitlichen Erstreckung von der Antike bis zur Neuzeit, von Europa bis Asien studiert werden." Hinzu kommen die vielseitigen Kooperationsmöglichkeiten: "Von der Numismatischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften über das Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums bis hin zu den Sammlungen der Nationalbank oder der Münze Österreich – die Anzahl numismatischer Institutionen und qualifizierter NumismatikerInnen in Wien ist einzigartig."

Griechenland und Rom der klassischen Antike  


Den Altertumswissenschafter begeistern die inhaltliche Vielfalt und der methodische Anspruch der Numismatik. "Münzen sind historische Quellen. Doch ihre volle Aussagekraft entwickeln sie erst, wenn man sie nicht isoliert als Einzelzeugnisse betrachtet, sondern in ihren 'präge-organisatorischen' oder aber funktionalen Zusammenhang stellt und so zu einem 'Text' verwebt", definiert er seinen fachlichen Zugang.

Innerhalb des Gesamtfachs liegt sein Schwerpunkt auf der klassischen Antike. Schon die Anfänge der Münzprägung faszinieren ihn: "In der griechischen Antike entsteht vieles von dem, was die abendländische Kultur heute ausmacht. Die Erfindung und Verbreitung der Münzen unterstützten eine Versachlichung der gesellschaftlichen Ordnung." Des Weiteren forscht der Wissenschafter über die Umbruchszeit von der Römischen Republik zur Kaiserzeit: "Der damalige Systemwandel spiegelt sich schon früh und sehr differenziert in den Münzbildern wider. Die neuen Herrscher setzten die Münzprägung als Mittel der Repräsentation ein und bemächtigten sich sukzessive des Finanzapparats."

Numismatik – wozu?

Die Antrittsvorlesung am Mittwoch, 22. Juni, ist für Reinhard Wolters nicht nur Anlass zu einer Standortbestimmung des Fachs Numismatik, sondern er richtet sich auch an KollegInnen aus verwandten Disziplinen: "Da die Numismatik eines der kleineren Fächer ist, wissen manche gar nicht, was wir tun. Doch Münzen sind oft entscheidend für die Beantwortung historisch-kulturwissenschaftlicher, politischer und natürlich auch wirtschaftshistorischer Fragestellungen. Dieses Potenzial numismatischer Quellen möchte ich andeuten", erklärt der Wissenschafter die Idee hinter dem Titel der Veranstaltung.

"Studierende müssen das Handwerk erlernen"


Die Interdisziplinarität des Fachs bedingt für Reinhard Wolters zugleich Disziplinarität in der Ausbildung: "Das Fach Numismatik definiert sich zunächst über die Objekte. Und so wie man sich beispielsweise in einer Fremdsprache Vokabeln und Grammatik erarbeitet, müssen unsere Studierenden als erstes das Handwerk erlernen. Dazu gehören Kompetenzen für Material und Technik, Kompetenzen für die Sprache der Bilder und visuelle Kommunikation, schließlich die Wirtschaftsgeschichte und Erfassung der Funktion von Münzen als Geld. Im Dialog mit übergeordneten Fragestellungen erlernen die Studierenden dann den Wert der eigenen Quellengruppe interdisziplinär sinnvoll einzusetzen."

Die Vermittlung von Wissenschaft ist Reinhard Wolters, der in seiner Freizeit vor allem die vielfältigen kulturellen Möglichkeiten Wiens genießt, ein wichtiges Anliegen: "Eine Herausforderung für die Numismatik ist es, verständlicher zu werden – sowohl für Studierende als auch für KollegInnen aus anderen Disziplinen." (mw)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Reinhard Wolters, M.A. zum Thema "Was heißt und zu welchem Ende studiert man Numismatik und Geldgeschichte?" findet am Mittwoch, 22. Juni 2011, um 17 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien statt.