Regina Polak: Interreligiöser Dialog im Kontext von Flucht und Migration

Wie können Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Religion in Frieden und Gerechtigkeit zusammenleben? Diese aktuelle Frage steht im Fokus der Forschung von Theologin Regina Polak, die Themen wie Flucht und Migration untersucht – im Dialog mit anderen Religionen.

Regina Polak liebt es, über den eigenen Tellerrand zu blicken. Sei es nun, dass sie sich mit anderen Religionen auseinandersetzt, oder dass sie sich in ihrer Forschung und Lehre von anderen Fachrichtungen inspirieren lässt. "Man kann immer dann am meisten dazulernen, wenn man sich gezielt anderen Welten aussetzt", erklärt Polak, seit Oktober 2013 assoziierte Professorin für Praktische Theologie und Religionsforschung an der Katholisch-Theologischen Fakultät. Nur auf diese Weise sei es möglich, eine zeitgerechte Theologie zu entwickeln, ist die Forscherin überzeugt: "Das gilt genauso für die Kirche. Auch sie kann sich selbst nur verstehen, wenn sie sich auf 'das Andere' – zum Beispiel Religionen wie das Judentum oder den Islam – einlässt."

Wie schwierig das sein kann, zeige die aktuelle Flüchtlingskrise: "Hier sieht man sehr deutlich, dass sich die Grenzen zwischen denen, die sich der neuen Erfahrung stellen, und denen, die das nicht tun, quer durch alle Glaubensrichtungen, Parteien und Institutionen zieht", so die Expertin. Am Wiener Westbahnhof seien beispielsweise genauso KatholikInnen wie MuslimInnen oder AtheistInnen anzutreffen, um Hilfe zu leisten. "Genau solche Orte, wo das Zusammenleben gelingt, möchte ich mir empirisch näher anschauen und untersuchen, warum das dort möglich ist", so die Religionsforscherin.

Wie dramatisch die Flüchtlingssituation ist, hat Regina Polak heuer im Urlaub auf der griechischen Insel Lesbos aus nächster Nähe erfahren. "Dort sind jeden Tag rund 1.000 neue Menschen angekommen, die so schnell wie möglich weiter in die Türkei reisen wollten. Weil die Plätze in den zur Verfügung gestellten Bussen nicht ausreichten, sind viele kurzerhand selbst zum nächsten Hafen marschiert", erzählt Polak, die auch selbst vor Ort mitgeholfen hat. (Foto: privat)

Von der "Quereinsteigerin" ...

Was die Theologie betrifft, bezeichnet sich Polak selbst als "Quereinsteigerin": "Ich habe vor dem Theologiestudium einige Umwege gemacht, war vor meiner wissenschaftlichen Karriere vor allem im Kinder- und Jugendbereich tätig."

Der Blick in die Biografie der gebürtigen Wienerin zeigt, dass sie 1985 zwar ein Studium der Religionspädagogik an der Universität Wien angefangen, es drei Jahre später aber wieder abgebrochen hat. "Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich viel mit Denkern wie Feuerbach, Marx oder Freud beschäftigt. Als ich dann bei Nietzsche angelangt war, hat das meine damalige Vorstellungen von Gott endgültig über den Haufen geworfen. Mir blieb nichts anderes übrig, als mein Theologie-Studium zu beenden und Atheistin zu werden", erinnert sich Polak schmunzelnd zurück.

... zur Institutsvorständin


Doch diese Phase währte nur kurz. Biographische Umwege führten sie wieder zum Glauben. "Über ein Forschungsprojekt zum Thema Jugend und Religion bin ich im Jahr 2000, nach meinem Abschluss in Philosophie, wieder an das Institut für Pastoraltheologie gekommen, wo ich dann schon während meines Studiums auch als Assistentin gearbeitet habe", erzählt die heutige Professorin. Danach sei alles "sehr schnell gegangen": 2004 wurde sie Vorständin des Instituts – obwohl sie noch keinen Magister in Theologie vorweisen konnte.

Von 2007 bis 2009 folgte dann die Leitung des Instituts für Praktische Theologie. "Wenn man bedenkt, dass 1999 mein Sohn zur Welt gekommen ist und ich gleichzeitig auch einen postgradualen Lehrgang an der Universität Salzburg besucht habe, weiß ich eigentlich gar nicht, wie ich das alles geschafft habe", sinniert sie rückblickend.

"Fürchtet euch nicht!"

Heute ist die 48-Jährige eine anerkannte Expertin in Fragen zu religiösen Transformationsprozessen in Europa, zu Religion im Kontext von Migration oder zum interreligiösen Dialog mit dem Judentum und dem Islam. Seit 2005 unterhält sie Lehraufträge an mehreren Universitäten – Innsbruck, Bamberg, Szeged (Ungarn), Krakau (Polen) – und wird regelmäßig zu Gastvorträgen eingeladen, etwa an die St. John's University in New York oder die Stanford University. Außerdem ist sie Leiterin des interdisziplinären Forschungsnetzwerks "Religion im Kontext von Migration" und Mitarbeiterin der Forschungsplattform "Religion and Transformation in Contemporary European Society" an der Universität Wien.

Innerhalb der praktischen Theologie, die sich mit vielfältigen Dimensionen der gegenwärtigen Kultur und Gesellschaft auseinandersetzt, hat sie sich zuletzt vor allem auf das Thema Migration konzentriert. "Mir geht es darum, eine praktische Theologie zu entwickeln, die mithelfen kann, dass Migration innerhalb der europäischen Gesellschaft nicht nur als Problem, sondern auch als Chance wahrgenommen wird", betont Polak. Doch die Theologie alleine könne das nicht bewerkstelligen: "Dazu braucht es eine entsprechende Politik und Mut zum Risiko. Die Welt verändert sich. Je mehr man dies erkennt und sich darauf einlässt, umso besser. Mein Tipp lautet: Fürchtet euch nicht!" (ms)

Assoz. Prof. MMag. Dr. Regina Polak, MAS, seit Oktober 2013 Professorin für Praktische Theologie und Religionsforschung am Institut für Praktische Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät, hält am Mittwoch, 9. Dezember 2015, um 18 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Gottes letzte Chance? Zusammenleben von JüdInnen, ChristInnen und Muslimas als interreligiöser Dialog. Praktisch-theologische Perspektiven".