Nikolaus Hautsch: Die Statistik des Finanzmarkts

Der Finanzmarkt ist hochkomplex. Um die Verstrickungen und Abhängigkeiten des modernen Handels entwirren und besser verstehen zu können, analysiert der Ökonometriker Nikolaus Hautsch mit ausgeklügelten statistischen Methoden riesige Datenmengen und kooperiert hierfür u.a. mit der US-Börse NASDAQ.

"Mit der Statistik verbinden viele zunächst ein eher trockenes Fach", erklärt Nikolaus Hautsch, seit August 2013 Professor für Finanzwirtschaft und Mathematik (WWTF Stiftungsprofessur) am Institut für Statistik und Operations Research der Universität Wien. Dass das eigentlich überhaupt nicht der Fall sein muss, lernen die StudentInnen aber schon früh in seinen Lehrveranstaltungen. "Mir ist es von Anfang an wichtig, die Studierenden zu motivieren und zu begeistern. Deshalb veranschauliche ich die grundlegenden Prinzipien und Zusammenhänge immer auch anhand von konkreten praktischen Beispielen und echten Daten", betont Hautsch.

Dass dieser Ansatz auf Studierendenseite sehr gut ankommt, zeigt das positive Feedback, das er während seiner Zeit an der Humboldt-Universität in Berlin bekommen hat. "Ich habe dort viele Erfahrungen gesammelt und freue mich nun, diese hier in Wien einbringen zu können", sagt der Wirtschaftswissenschafter, der zuvor bereits in Konstanz und Kopenhagen gelehrt und geforscht hat. Neben dem Lehrstuhl für Ökonometrie leitete er in der deutschen Bundeshauptstadt auch das "Berlin Doctoral Program in Economics and Management Science". "Ich werde mich auch hier an der Universität Wien als Mitglied der Vienna Graduate School of Finance weiter für die strukturierte Graduiertenausbildung einsetzen", kündigt der neue Professor an.

Finanz trifft Statistik

Das wissenschaftliche Spezialgebiet des 42-Jährigen ist die Ökonometrie, "eine Teildisziplin der Statistik, die sich mit der Anwendung von statistischen Methoden auf wirtschaftswissenschaftliche Problemstellungen befasst", wie der Experte aufklärt. Inhaltlich bewegt er sich damit auf einer spannenden Schnittstelle zwischen Statistik und Finanzwirtschaft. "Seitdem die Technologisierung auf den Märkten Einzug hielt, hat die statistische Datenanalyse enorm an Bedeutung gewonnen. Im modernen Handel werden alle Aktienkäufe und -verkäufe genau elektronisch erfasst. Da kommen gewaltige Datenmengen zusammen, die eine umfassende und gründliche statistische Analyse erlauben und notwendig machen", erläutert Nikolaus Hautsch.


Moderne elektronische Handelssysteme haben den traditionellen Parketthandel längst abgelöst. Lediglich am berühmten New York Stock Exchange wird nach wie vor jedes Ticket einzeln per Hand eingegeben. (Foto: flickr.com/ceiling)



Hochfrequenzdaten der NASDAQ

Dass sich die Form des Handels innerhalb der letzten Jahre fundamental geändert hat, zeigt sich auch anhand der signifikant erhöhten Handelsgeschwindigkeit. "Der von Computern teilweise vollautomatisiert betriebene Handel ist ein Bereich, mit dem ich mich derzeit sehr intensiv auseinandersetze. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie Hochfrequenzinformationen statistisch ausgenützt werden können, um verbesserte Schätzungen und Prognosen von Volatilitäten und Preisrisiken zu erzielen", schildert der Wissenschafter, der diesem Thema auch seine Antrittsvorlesung widmen wird: "Hier gibt es noch viel aufzuklären".



Gewaltige Datenflut: Alleine die Aktivitäten einer einzelnen Aktie über einen Tag betrachtet können schon eine halbe Million an Datenpunkten liefern. An der NASDAQ werden aber mehrere tausend Aktien gehandelt und das teilweise im Abstand von Millisekunden. (Foto: flickr.com/bfishadow)



Besonders stolz ist Nikolaus Hautsch in diesem Zusammenhang auf eine Kooperation mit der NASDAQ, der größten elektronischen Börse der USA. "Wir haben gemeinsam mit MitarbeiterInnen der Uni Berlin ein Dateninterface entwickelt, das Hochfrequenzdaten der NASDAQ nahezu in Echtzeit sammelt und aufbereitet, sodass sie für die weitere Forschung zur Verfügung stehen", beschreibt der Forscher. Durch eine genaue statistische Analyse erhofft er sich generell einen besseren Einblick in die Märkte. "Dieses Projekt läuft seit vergangenem Jahr und ist im Moment noch in Berlin angesiedelt. Ich prüfe aber gerade, wie man es akademisch nach Wien holen könnte", merkt Hautsch an.

Finanzkrisen vermeiden


Ein weiterer brandaktueller Forschungsschwerpunkt des Ökonometrikers ist das sogenannte systemische Risiko des Finanzmarktes. "Das ist derzeit ein Riesenthema. Es geht darum, die strukturellen Vernetzungen und Abhängigkeiten – von Bank zu Bank und von Wertpapier zu Wertpapier – aufzuzeigen. Die Finanzkrise hat uns klar vor Augen geführt, dass wir ein wesentlich besseres Verständnis dieser Zusammenhänge brauchen", meint Hautsch, der gerade an einer Publikation zu diesem Thema arbeitet. Die Statistik sei ein gutes Mittel, um dieses komplexe Geflecht zu entwirren: "Nur wenn wir diese Mikrostruktur des Marktes verstehen, können wir die Schwachstellen und Risiken finden und so vielleicht künftige Krisen vermeiden."

Glücklich in Wien


Seine neue Professur in Wien weiß der Ehemann und zweifache Vater sowohl beruflich als auch privat zu schätzen: "Wien hat mich sehr gereizt, da ich hier in meinem Fachbereich auf sehr gute Strukturen und ein vielfältiges wissenschaftliches Umfeld zurückgreifen kann. Aber auch privat fühle ich mich mit meiner Familie hier auf ganzer Linie wohl. Wien ist eine attraktive Stadt mit hoher Lebensqualität und einem tollen kulturellen Angebot", sagt Nikolaus Hautsch, der in früheren Jahren ein erfolgreicher Ruderer war. "Sport ist für mich ein guter mentaler Ausgleich. Insbesondere das Skifahren genießen wir in Österreich sehr. Da kann Berlin nicht ganz mithalten." (ms)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Hautsch, Professor für Finanzwirtschaft und Mathematik am Institut für Statistik und Operations Research
(WWTF Stiftungsprofessur), zum Thema "Hochgeschwindigkeit auf Finanzmärkten – Fluch oder Segen?" findet am Montag, 2. Juni 2014, um 17 Uhr in der Sky Lounge der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien statt.