Karl Schlag: "Rechnen ist mein täglich Brot"

Über die Mathematik und die Spieltheorie kam Karl Schlag zur Volkswirtschaftslehre. Auch hier ist er Zahlen treu geblieben und entwickelt bzw. errechnet Methoden für PraktikerInnen im Feld der Mikroökonomie. In seiner Antrittsvorlesung am Mittwoch, 19. Oktober 2011, spricht Schlag – seit September 2010 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften – über "Soziales Lernen zwischen Gruppen: die Mathematik der Imitation".

Wie und warum imitieren Menschen das Verhalten von anderen? Im Fall von Karl Schlag stellt diese Frage kein Kognitionsforscher, sondern ein Volkswirtschafter: "Mein Forschungsschwerpunkt ist die Mikroökonomie, das heißt mich interessieren vor allem Fragen rund um das menschliche Verhalten und weniger jenes der Märkte." Zu den bekanntesten Forschungsarbeiten von Schlag zählen seine Publikationen rund um Imitation, wie z.B. "Imitation and Social Learning", "Which One Should I Imitate?" und "Why Imitate, and if so, How?". Nicht nur VolkswirtschafterInnen, sondern auch AnthropologInnen und VerhaltensforscherInnen arbeiten mit den Methoden, die Schlag entwickelt hat. "Ich bin durch und durch Theoretiker und erstelle Formeln und Vergleiche, mit denen dann wiederum PraktikerInnen – verschiedener Disziplinen – angewandt forschen können."

Lernen durch Nachmachen

In seiner Antrittsvorlesung am Mittwoch, 19. Oktober 2011, präsentiert der Volkswirtschafter seine neuesten Arbeiten zur Imitation, und zwar jener zwischen verschiedenen Generationen. Generell stellt Imitation eine Form des Lernens dar, also eine Art, sich Wissen anzueignen. "In meiner Forschung frage ich, wann imitiert werden soll – und wie genau", so Schlag: "Dabei habe ich festgestellt, dass es nicht zum eigenen Vorteil ist, stets jemanden zu imitieren, der erfolgreicher ist als man selbst. Imitation zahlt sich nur dann aus, wenn man sein Verhalten darauf konditioniert, wie viel erfolgreicher der andere ist. Je erfolgreicher der Beobachtete ist, desto eher soll man ihn oder sie nachahmen." Die Formeln und Thesen, die Schlag in seinen jüngsten Arbeiten berechnet hat, lassen sich – durchaus zur Verwunderung für VerhaltensforscherInnen – auch auf das Imitationsverhalten von Schimpansen und sogar Fischschwärmen anwenden.

Die Erkenntnis, dass Misserfolge nicht imitiert werden, ist dem ersten Anschein nach recht banal, doch dieses Verhalten zu berechnen und in Folge eine Formel darüber aufzustellen, stellt eine mathematische Herausforderung dar. "Ich arbeite dabei mit Daten, die aus Beobachtungen stammen, und versuche, auf deren Basis Regelmäßigkeiten bzw. Verhaltensmuster zu errechnen", so Schlag: "Das Rechnen ist dabei mein täglich Brot. Meine Publikationen sind durchschnittlich zwischen 35 und 40 Seiten lang und bestehen hauptsächlich aus Zahlen. Im Idealfall steht am Ende eine Formel, mit der die KollegInnen weiterarbeiten können."

Das Verhalten in Zahlen ausgedrückt

Wenn Karl Schlag von Verhalten, Zahlen und Formeln spricht, wird die Begeisterung für sein Fach deutlich. Nicht selten nützt der Volkswirtschafter Sonntage, um an Beweisen zu arbeiten: "Das ist durchaus ein Vergnügen, mich in Ruhe mit einem rechnerischen Problem zu beschäftigen." Sein Zugang ist für das Fach Mikroökonomie ungewöhnlich: "Üblicherweise arbeitet die Volkswirtschaftslehre mit bestimmten Annahmen, die als Ausgangspunkt dienen", so Karl Schlag: "Meine Zugangsweise ist sehr untypisch, da ich gerne mit typischen Verhaltensmustern anfange und erst ausgehend davon zu einer Annahme komme."

So geht der Volkswirtschafter zum Beispiel bei seinen Imitationsverhaltens-Berechnungen nicht von vornherein davon aus, dass Erfolg imitiert wird, sondern berechnet beobachtetes Verhalten, um folglich bestimmte Verhaltensweisen herauszufinden.

Tradition in der Mikroökonomie

Karl Schlag spricht von "großem Glück", dass er an die Universität Wien berufen wurde: "Wien hat eine lange Tradition in der Mikroökonomie. Die Atmosphäre bei uns am Institut ist durch und durch international, und wir sprechen fast alle Englisch miteinander." Auch ist Schlag begeistert von der offenen Mentalität in punkto Forschungsmethoden: "Gerade mit meinen in der Volkwirtschaft doch recht ungewöhnlichen Forschungsansätzen treffe ich hier in Wien auf große Offenheit und viel Interesse."

In der Lehre ist es dem Volkswirtschafter wichtig, den Studierenden zunächst die Grundlagen der Märkte zu vermitteln, um von dort aus die Themen der Mikroökonomie zu vertiefen. Schlag hält aber auch Spezialvorlesungen zur Spieltheorie, zur Methodenlehre und auch zu Statistik.

Europa, Heuriger und Kaffeehaus

Trotzdem Schlag "zur Hälfte" Amerikaner ist – 1962 in den USA geboren und im Alter von neun Jahren nach Deutschland gezogen – fühlt er sich durch und durch als Europäer: "Meine Kultur ist europäisch. Und als Europäer möchte ich mein Wissen auch in Europa weitergeben." Für Schlag ist Forschen durchaus Freizeitvergnügen, dennoch kann er sich manchmal von seinen Formeln trennen, zum Beispiel um die Stadt Wien zu entdecken: "Natürlich erkunde ich hier auch die Heurigen, Kaffeehäuser und gehe gerne am Kahlenberg oder am Leopoldsberg spazieren." (td)

Univ.-Prof. Dipl.-Math. Karl Schlag, PhD vom Institut für Volkswirtschaftslehre hält seine Antrittsvorlesung zum Thema "Soziales Lernen zwischen Gruppen: die Mathematik der Imitation" am Mittwoch, 19. Oktober 2011 um 18 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien.