Karen Schramm: "DaF-Lehrende aus aller Welt vernetzen"

Lehren oder Forschen – Karen Schramm kann sich bis heute nicht so ganz entscheiden, was ihr mehr Freude bereitet. Umso besser, dass sie mit ihrer Professur für Deutsch als Fremdsprache (DaF) an der Universität Wien seit 2014 beide Leidenschaften verbinden kann.

Während ihres Lehramtstudiums für Deutsch und Englisch sah es noch beinahe so aus, als würde das Lehren gewinnen. Aber dann absolvierte die gebürtige Hamburgerin Karen Schramm ihr Promotionsstudium an der Wilhelms-Universität in Münster zu metakognitiven Prozessen des fremdsprachlichen Lesens. "Und damit stand für mich fest, dass ich eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen möchte", so die heutige Professorin.

Abstecher nach Korea und in die USA

Zwischenzeitig verschlug es die Expertin für Deutsch als Fremdsprache (DaF) allerdings noch für einige Jahre ins Ausland. Zuerst nach Südkorea, wo sie in Seoul an der Korea Universität als Lektorin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes tätig war. "Die Lehre an dieser renommierten Universität und meine eigenen sprach- und kulturbezogenen Lernerfahrungen waren für meinen weiteren Weg als DaFlerin immens wichtig", blickt Karen Schramm auf die dreieinhalb Jahre in Ostasien zurück. 

Mit ihren koreanischen Germanistik-Studierenden unternahm Karen Schramm (6. v. l.) 1999 eine Studienreise durch Ostdeutschland. Die Reise erfolgte im Rahmen eines gemeinsamen Buchprojekts mit den Studierenden zur Teilung Koreas, und so fanden neben Besichtigungen und Deutsch-Praxis auch Interviews zur Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands statt. (Foto: Privat)

An ihren nächsten Stationen in Boston und Washington, DC, in den USA begeisterten sie neben vielem anderen insbesondere die "unglaublich tollen" Bibliotheken. "Großartig fand ich es auch, auf Fachkonferenzen die Kolleginnen und Kollegen persönlich zu treffen, die ich nur aus der Literatur kannte." In diesen Jahren konnte sie in einem breiten Spektrum so unterschiedlicher Kontexte wie Grundschule und Diplomatensprachausbildung weitere DaF-Lehrerfahrung sammeln und gleichzeitig als Professorial Lecturer im Bereich Englisch als Zweitsprache ihre akademischen Interessen verfolgen.

Zurück nach Deutschland

Verblüffend rasch sei es dann nach ihrer Rückkehr 2004 nach Europa in ihrer beruflichen Laufbahn weiter gegangen. Sie hatte gerade erst ein Lise-Meitner-Habilitationsstipendium angetreten, als Rufe an die Pädagogische Hochschule Karlsruhe und die Universität Leipzig erfolgten. Karen Schramm entschied sich für das international ausgerichtete Herder-Institut in Leipzig, wo sie nach einem Jahr als Vertretung 2007 die Professur für Deutsch als Fremdsprache mit Schwerpunkt – wer hätte es nicht erraten – Didaktik/Methodik antrat.

Turbulente Reise mit sanfter Landung in Wien

Sieben Jahre später kam mit der DaF-Professur an der Universität Wien die nächste berufliche Veränderung – und begann turbulent: "Aufgrund eines Flugzeugausfalls wäre das offizielle Vorstellungsgespräch beinahe geplatzt: Nach einer schlaflosen Nacht kam ich ziemlich zerknittert und unfrisiert in Wien an", erinnert sich Karen Schramm schmunzelnd.

Inzwischen ist die Germanistin aber gut gelandet – und freut sich, dass sie sich von der Stadt nicht zu viel versprochen hat: "Wien ist international und vielfältig und bietet unglaublich viele Freizeitmöglichkeiten." Letzteres nutzt die passionierte Sportlerin als Ausgleich zum Universitätsalltag – bei so viel Arbeit steht ihre Freizeit meist unter dem Motto "Natur und Bewegung".

Vernetzung und Unterstützung der internationalen Deutsch-Lehre

Ihre aktuellen Forschungsvorhaben stehen ganz im Zeichen der Internationalität. Attraktiv an der Wiener DaF-Professur ist für sie, dass der Fokus gerade nicht auf dem deutschsprachigen Raum, sondern dem "kleinen Rest der Welt" liegt, sagt die reisebegeisterte Professorin lachend. Für dieses Jahr sind Workshop- und Vortragsreisen u.a. nach Griechenland, Spanien, Togo, Japan, Indien und Taiwan geplant. Auch möchte sie gemeinsam mit ihrem Team etwa über digitale Plattformen DaF-Lehrende aus aller Welt miteinander verbinden und ihnen die Möglichkeit geben, sich über ihren Unterricht auszutauschen und so ihre Lehrkompetenzen in der kollegialen Kooperation weiterzuentwickeln. Auch die Internationalisierung des DaF/DaZ-Masterstudiums der Universität Wien steht auf dem gemeinsamen Arbeitsprogramm. So sind beispielsweise ein videokonferenzbasiertes Seminar mit DaF-Lernenden in Japan und dem Senegal oder ein Projektseminar zur Erstellung eines DaF-Lehrwerks in Zusammenarbeit mit einem usbekischen Autorenteam geplant.

Am Herder-Institut in Leipzig beschäftigte sich Schramm v.a. mit "Integrationskursen mit Alphabetisierung" und "Deutsch für den Beruf". Das Thema Alphabetisierung begleitet sie schon wesentlich länger: Das Foto zeigt sie bei einer Feier mit ihrem ersten Alphabetisierungskurs an der Volkshochschule Hamburg (ca. 1988). "Dort habe ich meine ersten DaF-Lehrerfahrungen gesammelt und mit einer Kollegin Sprachkurse für schriftunerfahrene MigrantInnen entworfen." (Foto: Privat)

Im Zentrum ihrer Forschung stehen empirische Studien zu DaF-Lehr- und Lernprozessen. Gerade im Erscheinen begriffen ist ein von ihr mitherausgegebenes Handbuch zu "Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik". Auf der Wiener Professur will sie nun auch den Arbeitsschwerpunkt Curriculumforschung vorantreiben: Karen Schramm untersucht, wie fremdsprachlicher Deutschunterricht, sei es in der Schule, der Universität oder Erwachsenenbildung, zielgenauer auf den gesellschaftlichen Bedarf und die individuellen Bedürfnisse der Lernenden ausgerichtet werden kann.

Dabei spielt auch eine wichtige Rolle, wie DaF-Lehrende in Aus- und Weiterbildung theoretisch fundiert und gleichzeitig praxisnah auf einen solchen handlungsorientierten Sprachunterricht vorbereitet werden können. Unter diesen thematischen Vorzeichen "soll der Arbeitsbereich Deutsch als Fremdsprache an der Universität Wien zu einem internationalen Treffpunkt werden – das Ziel ist es, in Zusammenarbeit mit KollegInnen aus aller Welt die DaF-Lehre zu unterstützen, zu erforschen und zu verbessern."

Nachwuchsförderung

Neben der Forschung kommt die Lehre nicht zu kurz, v.a. die DoktorandInnenausbildung liegt ihr am Herzen: "Ein Doktoratsstudium ist eine spannende Erfahrung, denn am Beginn weiß man oft nicht, wo die Abenteuerreise enden wird. Diesen intensiven Entwicklungsprozess mitzuerleben und beratend zu begleiten, bereitet mir viel Freude."

Und obgleich es "nahe an der Floskel anmutet", lautet ihr wichtigster Tipp an Studierende: "Das zu tun, wofür man brennt. Denn nur so bringt man dauerhaft die Kraft fürs Dranbleiben auf." Darüber hinaus sei es wichtig, darauf zu horchen und zu spüren, wohin es einen ziehe. Und wenn dies zufälligerweise das Ausland ist, um jemandem Deutsch als Fremdsprache näherzubringen – umso besser, denn dann hat Karen Schramm ihre Mission erfüllt. (kb)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Karen Schramm, Institut für Germanistik, zum Thema "Unterrichtsvideographie in Deutsch-als-Fremdsprache-Forschung und -LehrerInnenbildung" findet – gemeinsam mit der Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Mag. Dr. Stefan Krammer, Privatdoz. – am Montag, 27. Juni 2016, um 17 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien statt.