Gunda Köllensperger: "Als sich die Möglichkeit bot, habe ich sie ergriffen"

Massenspektrometrie ist der Forschungsschwerpunkt von Gunda Köllensperger, Professorin für Umweltchemie. Im Interview mit uni:view erzählt sie über ihren Weg zur Chemie, ihre aktuellen Schwerpunkte und über ihren Prototypen LILY.

uni:view: Frau Köllensperger, warum haben Sie sich 1989 nach der Matura entschieden, technische Chemie zu studieren?
Gunda Köllensperger: Ehrlich gestanden gehörte ich nicht zu denen, die schon früh wussten, was sie studieren oder welchen Beruf sie ergreifen wollen – daher kam die Wahl fast ein bisschen zufällig zustande.
Ich war zu Schulzeiten eine der wenigen, die Naturwissenschaften interessant fanden, und ich wollte in Wien studieren. So kam eines zum anderen und ich aus Bozen nach Wien an die TU, obwohl ich damals und auch noch lange Zeit während meines Studiums keine genauen Vorstellungen von dem Berufsbild einer Chemikerin hatte. Rückblickend bin ich mit meiner damaligen Entscheidung aber sehr glücklich.

uni:view: Was hat Sie in Ihrer Studienzeit besonders geprägt?
Köllensperger: Das war zum einen die Zeit meines Forschungspraktikums am Institut für Analytische Chemie der TU Wien. Dort sah ich zum ersten Mal, wie Forschung funktioniert. Es herrschte eine anregende Atmosphäre mit vielen wissenschaftlichen Diskussionen und internationalen Gästen. Ich erinnere mich an Institutsseminare mit anschließenden Nachsitzungen, in denen bis spät in den Abend teils hitzig diskutiert wurde.

Zum anderen hat mich mein Studienaufenthalt in Belgien an der Universität Antwerpen geprägt. Ich war damals unter den ersten StudentInnen, die im Rahmen des ERASMUS-Programms ihre Diplomarbeit im Ausland machen konnten. Heute ist das für Studierende glücklicherweise schon beinahe eine Selbstverständlichkeit und trägt, wie ich meine, viel zu einer umfassenden Bildung bei. Sowohl an der TU Wien als auch in Antwerpen hatte ich Betreuer, denen ich viel verdanke, und die mich stets zum eigenständigen Arbeiten ermutigt haben.

uni:view: Wann stand Ihr Entschluss fest, in die Wissenschaft zu gehen?
Köllensperger: In Wahrheit ist so etwas ja nicht planbar. Ich hatte immer Spaß und Freude daran, wissenschaftlich zu arbeiten, und als sich mir die Möglichkeit bot, habe ich sie ergriffen.

uni:view: Haben Sie den Schritt jemals bereut?
Köllensperger: Nein, nie.

Fakultätstag: "Chemie ist nicht alles, aber alles ist Chemie"
Die Antrittsvorlesung von Gunda Köllensperger findet am 17. März 2017, 14.30 Uhr, im Rahmen des Fakultätstags für Chemie statt. Ebenfalls am Programm stehen die Vorstellung neuer Professuren und Studienprogramme, ein Vortrag zu Möglichkeiten der Drittmitteleinwerbung, die Vergabe der Dissertationspreise sowie die Erneuerung von Doktordiplomen. Einladung (PDF)

uni:view: Zu Ihren Karrierestationen zählen die TU Wien, die Universität für Bodenkultur und die Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2014 sind Sie Professorin an der Universität Wien. Was war für sie der ausschlaggebende Grund, dem Ruf an die Uni Wien zu folgen?
Köllensperger: Die Universität Wien hat natürlich eine eindrucksvolle Geschichte und eine Berufung an das Institut für Analytische Chemie ist schon eine ehrenvolle Sache. Aber letztendlich trifft man so eine Entscheidung nicht wegen einer glanzvollen Vergangenheit, sondern weil die Uni Wien eine hervorragende Forschungsinfrastruktur und spannende fakultätsübergreifende Kooperationsmöglichkeiten wie z.B. die Forschungsplattform Vienna Metabolomics Center (VIME) bietet.

uni:view: Welche Forschungsschwerpunkte verfolgen Sie derzeit?    
Köllensperger: Ich beschäftige mich auf dem Feld der analytischen Chemie mit Massenspektrometrie. Sowohl in der Umweltchemie als auch in den Life Sciences rückt die ganzheitliche Charakterisierung von Proben in den Fokus der Forschung. Das bedeutet, nicht nur einzelne Substanzen nachzuweisen, sondern eine Gesamtcharakteristik anzustreben. Mein Hauptinteresse liegt dabei auf der Gesamtheit des Stoffwechsels einer Zelle, Metabolom genannt.

Dabei geht es um die Entwicklung von neuen Analysenmethoden, die erlauben, die Stoffwechselvorgänge in der Zelle zu beschreiben. Die Herausforderung liegt darin, hunderte von verschiedenen Molekülen in komplexen Proben gleichzeitig zu identifizieren und zu quantifizieren. Ein weiterer Schwerpunkt, mit dem ich mich seit einigen Jahren beschäftige, ist die quantitative Elementspurenanalytik und die Elementspeziesanalytik.

Houskapreis-Nominierung 2017 für Gunda Köllensperger
Mit einer Dotierung von insgesamt 400.000 Euro gilt der Houskapreis als Österreichs größter privater Forschungsförderungspreis. In der Kategorie "Universitäre Forschung" ist Gunda Köllensperger für ihr Projekt "Grüne Standards in der Metabolomforschung" nominiert. Am 4. Mai 2017 werden die GewinnerInnen bekannt gegeben. Weitere Informationen

uni:view: Sie haben kürzlich die Prototypenförderung PRIZE für Ihren Prototypen LILY erhalten. Was kann LILY und wie werden Sie das Preisgeld einsetzen?
Köllensperger: Mit Hilfe der LILY Technik werden mit stabilen Isotopen angereicherte Hefen gewonnen und deren Einsatz für die quantitative massenspektrometrische Messung getestet. Lipide sind eine besonders spannende Substanzklasse in der Präzisionsmedizin und Diagnostik. Durch Lipidveränderungen im Körper können beispielsweise viele Krankheiten erkannt werden, zudem ist die hochkomplexe und leicht veränderliche Chemie der Lipide ein besonders anspruchsvolles Forschungsobjekt. Das Forschungsziel ist die Umsetzung von quantitativen auf Massenspektrometrie beruhenden Assays (Anm.: dt. Tests, Proben) mittels stabil isotopenmarkierten Lipiden.

uni:view: Sie halten natürlich an der Uni auch mehrere Lehrveranstaltungen. Was möchten Sie an Ihre Studierenden weitergeben?
Köllensperger: Die Wissensvermittlung ist natürlich eine zentrale Aufgabe der Universität. Es geht mir aber neben der reinen Vermittlung von Lehrinhalten auch darum, bei den Studierenden Neugier und Begeisterung für die Forschung zu wecken. Darüber hinaus ist mir persönlich wichtig, dass sich die Studierenden der sozialen Verantwortung bewusst werden, die das Fach Chemie vielleicht in besonderem Maße mit sich bringt.

uni:view: Professorin, Institutsvorständin, Forschung und Lehre – was machen Sie privat, um zu entspannen?
Köllensperger: In meiner Freizeit versuche ich einen Kontrapunkt zu meinem Berufsalltag zu setzen, und das heißt vor allem: offline sein. Ich lese gerne, treffe FreundInnen, gehe gerne ins Kino. Und außerdem – das ist wohl mein Tiroler Erbe – zieht es mich in die Berge. Im Winter zum Skifahren und im Sommer zum Wandern oder Bergsteigen.

uni:view: Vielen Dank für das Interview. (td)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Gunda Köllensperger, Professorin für Umweltchemie am Institut für Analytische Chemie, zum Thema "Mass Spectrometry – an Essential Tool  in Analytical Chemistry" findet am Freitag, 17. März 2017, 14.30 Uhr, im Rahmen des Fakultätstages an der Fakultät für Chemie im Carl Auer von Welsbach Hörsaal statt.