Günther Schörner: Zu Gast im römischen Wohnhaus

Über die Landbevölkerung im Imperium Romanum ist weniger bekannt als über jene in den Städten. Günther Schörner vom Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien interessiert sich für Zeugnisse des Landlebens im römischen Reich und widmet sich damit einem vernachlässigten Forschungsfeld.

"Mit dem Römischen Reich assoziieren viele Menschen Luxus, Reichtum, prunkvoll ausgestattete Architektur und wertvolle Statuen", erzählt Günther Schörner, Professor für Klassische Archäologie an der Universität Wien. Und tatsächlich: Zur Zeit des Imperium Romanum blühte Rom förmlich auf, aber auch die Städte in den Provinzen florierten, es entstanden aufwändig dekorierte Prachtbauten und Säulenstraßen.

"Die Mehrheit der Bevölkerung lebte aber auf dem Land", relativiert der Archäologe. Er interessiert sich gerade für diesen häufig vernachlässigten Bereich der Antike: Das Leben auf dem Land gehört neben Untersuchungen zu römischen Kulten im öffentlichen Raum, aber auch in Wohnhäusern zu seinen Forschungsschwerpunkten.

Private Rituale im Imperium Romanum

Das römische Reich erstreckte sich über drei Kontinente, von England bis in den Nahen Osten, von Wien bis zur Sahara. "Je größer das Imperium war, umso größer war auch die Vielfalt an religiösen Praktiken und Bräuchen", berichtet Günther Schörner. Das wichtigste Ritual war das blutige Opfer, bei dem Tiere – Geflügel, Fische, aber auch Schafe, Schweine oder Rinder – zu Ehren der Götter getötet und als Opfergabe zelebriert wurden. Eine besondere Wertigkeit besaßen aber auch die Kulte im privaten Wohnbereich.

"Privat und öffentlich wurde nicht so streng separiert wie heutzutage", erzählt er weiter. So konnten Gäste sogar im Cubiculum, das unter anderem auch als Schlafzimmer diente, empfangen werden. "Für mich ist es faszinierend, wie sich Handlungsweise und Konzepte im Laufe der Zeit verändern", so Günther Schörner.

Material "zum Anfassen"

"Wir Archäologen arbeiten mit nicht-literarischen Quellen, von einfachen Keramikfragmenten bis zu Gebäuden oder Bildwerken – Material 'zum Anfassen' also", erklärt Schörner. Um neue materielle Zeugnisse zu bekommen, sind Ausgrabungen und Oberflächenbegehungen (Surveys) notwendig.

Feldforschungen gehören deshalb regelmäßig zu seinem Tätigkeitsbereich. Er hat gerade einen bewegten Sommer hinter sich, forschte in der Türkei, Jordanien, Rumänien und Italien. "Ausgrabung und Survey heißt vor allem: früh aufstehen, Material erfassen, dokumentieren und auswerten, aber auch im Team zusammenarbeiten und auch einmal eine Pause am Feld einlegen. Die Arbeit vor Ort mit einem gemeinsamen Ziel schweißt zusammen. Gerade das ist ein schöner Aspekt bei meinem Beruf", freut sich der sympathische Archäologe.


"Auch als Archäologe lebt man gefährlich – der lockere Ziegelstein auf dem Bild ist der Beweis", lacht Günther Schörner. Das Foto entstand während einer Fundaufarbeitungskampagne in Yeniköy, Türkei. (Foto: privat)



Berufswunsch Archäologie

Es waren die Limes-Darstellungen im Lateinbuch, die sein Interesse an der Klassischen Archäologie weckten. Seit seinem 15. Lebensjahr wollte er Archäologe werden. Daraus entwickelte sich dann auch sein Studienwunsch: Er studierte in Erlangen Klassische Archäologie, Christliche Archäologie und Kunstgeschichte, Ur- und Frühgeschichte, lernte Italienisch und forschte längere Zeit am Deutschen Archäologischen Institut in Rom, lehrte an den Universitäten Jena und Erlangen – und folgte schließlich dem Ruf der Universität Wien.

Seit 2011 hat Günther Schörner eine Professur am Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien inne. "Ich geh' hier nicht mehr weg", sagt der Forscher über seine neue Heimat. "Als Franke bin ich durchaus 'Österreich-affin', mir gefallen Stadt und Mentalität der Menschen. Außerdem wird in Wien Archäologie in Forschung und Lehre groß geschrieben: Die Universität hat einen hohen Stellenwert, es gibt hervorragende Museen und Institute. Das sind wirklich gute Bedingungen für Archäologen und Archäologinnen!" (hm)

Univ.-Prof. Dr. Günther Schörner, M.A. hält am Donnerstag, 13. November 2014, um 18 Uhr seine Antrittsvorlesung zum Thema "Surveys, Scherben und sites: Zur Erforschung des ländlichen Raums im Imperium Romanum" im Großen Festsaal des Hauptgebäudes der Universität Wien.