"Gebt ihr ihnen zu essen!" (Lk 9,13) - Optionen für eine diakonische Pastoral

Am Freitag, 8. Oktober 2010, sprach Johann Pock - seit März 2010 Professor für Pastoraltheologie und Kerygmatik am Institut für Praktische Theologie - in seiner Antrittsvorlesung im Kleinen Festsaal zum Thema "'Gebt ihr ihnen zu essen!' (Lk 9,13) - Optionen für eine diakonische Pastoral". In einem Gastbeitrag hat er sein Referat über die Möglichkeiten der Kirche, ihrem Auftrag am Dienst der Menschen in der heutigen Zeit nachzukommen, zusammengefasst.

Der Leitfaden meines theologischen Forschens und Lehrens liegt im Verständnis einer "diakonischen" Theologie, die im Dienst der Menschen und im Dienste Gottes steht.
Als Leitbild dient dazu eine Auslegung des Wunders der Speisung der 5000 im Lukasevangelium. Daran zeige ich auf, dass eine diakonische Theologie genauso wie eine diakonische Kirche nicht eine Option unter vielen ist; etwas, wofür oder wogegen man sich entscheiden kann.
Mit Diakonie, im Deutschen einfach mit "Dienst" zu übersetzen, bezeichnen die christlichen Kirchen ihre soziale Arbeit. Ich verstehe darunter noch breiter eine Grundhaltung, welche jegliches Handeln von Kirche prägen und durchziehen sollte.

Caritasboom und Diakonievergessenheit

Ein  Blick auf die konkrete Situation zeigt, dass Kirche einerseits in der Krise ist; andererseits boomen sozial-diakonische Einrichtungen der Kirche. In der Praxis und in der medialen Öffentlichkeit ist dieser Bereich von Kirche somit jener, der Aufatmen lässt; der Hoffnung vermittelt; der für Menschen attraktiv ist. Dieser caritative (= diakonische) Dienst wird aber nicht der Kirche zugerechnet.

Biblische Kriterien für die Diakonie anhand von Lk 9

Eine Notsituation wird wahrgenommen: Es ist zu wenig zu essen da. Anstatt aber – wie die Apostel vorschlagen – die Menschen wegzuschicken, sagt Jesus: "Gebt ihr ihnen zu essen!" Es ist eigentlich eine paradoxe Intervention: Wie sollen die Zwölf mit ihren 5 Broten und zwei Fischen 5000 Männer satt machen?
Jesus nimmt von dem, was vorhanden ist; er lässt die Menge in 50-er Gruppen zusammensitzen, segnet Brot und Fische; die Apostel teilen es aus und es bleiben 12 Körbe übrig.
Die Stelle zeigt die wichtige Verbindung von Mahlfeier und Dienst. Abendmahl und Armenspeisung gehören christlich zusammen. Es zeigt einen neuen Ressourcenblick: Nicht auf das Fehlende, sondern auf das Vorhandene zu schauen. Und es zeigt strukturell die Bedeutung von kleinen (pastoralen) Einheiten. Aber nicht die Strukturmaßnahmen lösen die Not, sondern Gottes Handeln.

Kriterien einer diakonischen Theologie in lehramtlichen Texten

Lehramtlich stellt die Diakonie in der katholischen Kirche seit dem II. Vatikanum einen zentralen Bereich kirchlichen Handelns dar, was auch durch die Antrittsenzyklika von Papst Benedikt XVI. "Deus caritas est" deutlich wird.
Dennoch steht konkretes sozialdiakonisches Handeln immer noch unter dem Verdacht, Gott-vergessen und nur den Menschen zugewandt zu sein.

Konsequenzen für die Kirche

Ein diakonischer Ansatz könnte bedeuten, dass alle Strukturen und Ämter von der Diakonie her neu gedacht werden (was schon in den ersten Jahrhunderten der Fall war). Damit hängt auch die Frage nach einer Profilierung des Ständigen Diakonats zusammen (und seine Öffnung auch für Frauen). Gerade die Diakonie ließ anfangs die Kirche wachsen und machte sie attraktiv. In der Weltgerichtsrede ist es gerade der Einsatz für andere, der anerkannt wird.

Optionen für eine diakonische Pastoral

Die Optionalität für jene, die zu kurz kommen, unterdrückt werden oder zu Verlierern eines Systems gemacht werden, stellt einen zentralen Aspekt kirchlicher Pastoral dar.
Einige Optionen sind:

  • Eine Wahrnehmungsschulung für die Analyse der Gegenwart. Dazu braucht es "die barmherzigkeitsgeleitete Wahrnehmung und die gerechtigkeitsorientierte Analyse" (Ottmar Fuchs), also einen Blick auf Personen und Strukturen
  • Es geht um die Personen und ihre Nöte. Diakonie schaut auf den Menschen, nicht auf seine Kirchen- oder Religionszugehörigkeit.
  • Diakonie und Liturgie sind zusammen zu denken.
  • Imperative und überhaupt kirchliche Sprache sind zu hinterfragen.
  • Diakonie ist politisch und macht sich zum Anwalt für Menschen in Not.

 
Die Gesamtversion des Gastbeitrags von Johann Pock finden Sie unter Downloads.

Univ.-Prof. Mag. Dr. Johann Pock ist seit März 2010 Professor für Pastoraltheologie und Kerygmatik am Institut für Praktische Theologie.