Christian Lackner: Dem Mittelalter auf der Spur

Archive und Bibliotheken sind die Leidenschaft von Christian Lackner, seit September 2010 Professor für Historische Hilfswissenschaften/Schwerpunkt Mittelalter am Institut für Geschichte. Die Freude am Umgang mit Originalquellen möchte der Historiker auch an seine Studierenden weitergeben.

uni:view: Welche Fächer zählen zu den Historischen Hilfswissenschaften?
Christian Lackner: Die wichtigsten Historischen Hilfswissenschaften sind Paläographie (Schriftenkunde) und Diplomatik (Urkundenlehre). Zu den "kleineren" Hilfswissenschaften werden Aktenkunde, Chronologie, Epigraphik (Inschriftenkunde), Heraldik (Wappenkunde), Sphragistik (Siegelkunde), Kodikologie (Handschriftenkunde) und andere gerechnet.

uni:view: Sie haben 1983 an der Universität Innsbruck ein Lehramtsstudium Französisch und Geschichte abgeschlossen. War eine wissenschaftliche Lehrtätigkeit bereits angedacht?
Christian Lackner: Zu Beginn des Studiums war beruflich für mich noch alles offen. Erst allmählich trat die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Karriere in den Vordergrund. Die Freude an der Wissensvermittlung blieb in jedem Fall auch, nachdem ich mich für die Wissenschaft entschieden hatte. Darum habe ich 1988 die sich bietende Chance zum Einstieg in die Lehre an der Universität Wien ergriffen.

uni:view: Seit September 2010 sind Sie nun Professor am Institut für Geschichte. Was bedeutet die Professur für Sie?
Christian Lackner: Verpflichtung und Verantwortung für das Fach, das ich zu vertreten habe. Die Professur bedeutet aber auch die Möglichkeit zu gestalten und bietet mir Freiräume, eigene Ideen und Vorstellungen einzubringen und zu realisieren.

uni:view: Diplomatik, Österreichische Geschichte des Hoch- und Spätmittelalters, Briefforschung, Mittelalterliche Bildungsgeschichte und Bibliotheksgeschichte zählen zu Ihren Forschungsschwerpunkten. Woran arbeiten Sie aktuell?
Christian Lackner: Die letzten Wochen galten vor allem der Vorbereitung und Konzipierung eines großen FWF-Projekts, das sich mit spätmittelalterlicher österreichischer Verwaltungsgeschichte unter neuer kulturgeschichtlicher Perspektive beschäftigen soll. Schon längere Zeit begleiten mich Forschungen zum eigenhändigen Schreiben im Spätmittelalter. Hierbei interessiert mich insbesondere das eigenhändige Schreiben der Mächtigen: Könige, Fürsten etc.


Eigenhändiger Brief König Maximilians I. an Erzherzog Sigmund vom 8. März 1495 (Orig.: Wien, Österr. Staatsarchiv, Haus-, Hof- u. Staatsarchiv, Maximiliana 4)



uni:view: Was ist Ihnen in der Lehre wichtig?
Christian Lackner: Den Weg zu den Quellen zu öffnen, ist mir seit jeher ein großes Anliegen. Die Voraussetzung dafür ist ein solides methodisches und hilfswissenschaftliches Rüstzeug. Dieses den Studierenden an die Hand zu geben, erachte ich als eine vordringliche Aufgabe meiner Professur. Der Standort Wien bietet durch den Reichtum an großen Archiven und Bibliotheken einzigartige Möglichkeiten, Studierende mit Handschriften, frühen Drucken, Urkunden und Akten vertraut zu machen.

uni:view: Welche Ziele haben Sie sich für 2012 gesetzt?
Christian Lackner: Ein ganz wesentliches Ziel ist der Start des erwähnten Projekts zur spätmittelalterlichen österreichischen Verwaltungsgeschichte. In der eigenen Forschung möchte ich mich wieder vermehrt dem hohen Mittelalter zuwenden. Das Jahr 2012 wird mir dabei im Rahmen von Tagungsbeiträgen und Vorträgen die Gelegenheit geben, diplomatisch-hilfswissenschaftliche Themen der österreichischen Geschichte (z.B. Scriptorium und Traditionscodices von Reichersberg und Göttweig) aufzugreifen und zu vertiefen.

uni:view: Zusammenfassend gesprochen: Was fasziniert Sie an Ihrem Forschungsfeld?
Christian Lackner: Neben der Unmittelbarkeit des Umgangs mit Quellen als Realien begeistert mich vor allem das vielgestaltige und vielfältige methodische Instrumentarium der Historischen Hilfswissenschaften. Mit diesem können den Quellen ganz unerwartete Informationen über die Vergangenheit entlockt werden. (mw)

Univ.-Prof. Mag. Dr. Christian Lackner hält am Mittwoch, 18. Jänner 2012, um 18 Uhr im Großen Festsaal seine Antrittsvorlesung zum Thema "Zum Privileg Herzog Albrechts III. für die Universität Wien vom Jahre 1384: Möglichkeiten und Perspektiven diplomatischer Forschung".