Bodo Ziegler: Einfach extragalaktisch

13 Milliarden Jahre sind seit dem Urknall vergangen: Ein langer Forschungszeitraum für die Wissenschaft, dem sich auch Bodo Ziegler,, verschrieben hat. Er erforscht die Entstehung und Entwicklung von Galaxien, Sternen und letztendlich des menschlichen Lebens.

Die physikalischen Zusammenhänge des nächtlichen Sternenhimmels haben Bodo Ziegler, seit September 2010 Professor am Institut für Astrophysik, schon früh interessiert. Nach dem Physikstudium in Heidelberg stand der Baden-Württemberger vor der Wahl: Hochenergie- oder Astrophysik. "Mich dafür zu entscheiden, entweder einer unter vielen bei einem Riesen-Projekt am CERN zu sein oder aber eigene Beobachtungen an der Landessternwarte in Heidelberg durchführen zu können, fiel mir allerdings nicht schwer", so der Astrophysiker rückblickend.

Als Gruppenleiter der VolkswagenStiftung-Nachwuchsforschungsgruppe "Kinematische Entwicklung von Galaxien" hat er bereits 2001 begonnen, seine eigene Forschungsgruppe aufzubauen – eine spannende Herausforderung, der er sich auch an der Universität Wien gerne angenommen hat: "Mit meiner internationalen Forschungsgruppe will ich die extragalaktische Astrophysik in Wien möglichst breit etablieren", erklärt Ziegler.

Weißt du, wie viel Sternlein stehen?

Wie haben sich die Galaxien vom Urknall bis heute entwickelt und ihr heutiges Aussehen erreicht – und welche physikalischen Zusammenhänge stehen dahinter? Das sind die zentralen Forschungsfragen des Astrophysikers. "Vor 13 Milliarden Jahren sind die ersten Galaxien entstanden – das bedeutet aber nicht, dass alle heutigen Sternsysteme ebenso alt sind", betont der Experte. Die Galaxien entwickeln sich ständig – nicht alle "stammen" aus dem frühen Universum. "Deshalb müssen wir den gesamten Abspann der Kosmologie mitdenken, bzw. die Forschung in die Kosmologie einbetten und unsere Beobachtungen laufend mit den theoretischen Vorhersagen vergleichen", so Ziegler.

Zeitreise: acht Milliarden Jahre zurück

Wie finden 200 Milliarden Sterne zueinander, und was hält sie beisammen? Wie sind aus kalten Molekülen Sterne entstanden? Handelt es sich dabei um lokale Prozesse innerhalb einer Galaxie oder sind auch Wechselwirkungsprozesse mit anderen Galaxien für die Sternentstehung entscheidend? Wird das "Material" – von dem letztlich menschliches Leben abhängt – durch Gastaustausch mit der Umgebung einer Galaxie reguliert? Diese – für unsere eigene Milchstraße existentiellen – Fragen erforscht Ziegler nicht nur in den unendlichen Weiten des Weltraums, sondern auch vor unserer eigenen Haustür: in der lokalen Gruppe von Galaxien. "Hier können wir das Wechselspiel der verschiedenen Komponenten besser beobachten und dann auf ferne Galaxien rückschließen."

Wien vom Mond aus betrachtet

Galaxien sind mehr als eine Ansammlung von Sternen. Der Astrophysiker schaut sich deshalb auch die kleinsten Teilchen des Universums an – verschiedene Gase zählen ebenso dazu wie die dunkle Materie. Dabei interessieren ihn vor allem die physikalischen Größen und Zusammenhänge. Und ihn fasziniert die Vielzahl an technischen Möglichkeiten, diese zu messen: "Heute könnten wir sogar auf dem Mond sitzen und von dort die Bewegungen der Autos auf der Ringstraße verfolgen oder von der Erde aus eine kleine Kerze auf dem Mond beobachten."


Links sieht man eine Galaxie aufgenommen vom Hubble-Weltraumteleskop, rechts ist die dazu passende Computersimulation zu sehen. Das Bild unten zeigt ein Geschwindigkeitsfeld - Bewegung der Gasteilchen innerhalb der Galaxie - wie es durch Spektroskopie gemessen werden kann. 



Die Messung von Rotverschiebungen im Kosmos deutet z.B. auf weite Entfernungen hin: "Bis zu zwei Drittel des gesamten Weltalters – also acht Milliarden Jahre in die Vergangenheit zurück – können wir die Bewegungen der Sterne in den Galaxien beobachten und Zusammenhänge erkennen", so der Forscher. Das erlaubt ihm Aussagen über die chemische Zusammensetzung, das Alter der Sterne oder die Rolle der schwarzen Löcher. Diese üben überraschenderweise einen gewaltigen Einfluss auf die gesamte Galaxie aus – obwohl das Schwarze Loch im Vergleich zu dieser meist winzig ist: d.h. es ist nur einige Lichtstunden gegenüber 100.000 Lichtjahren groß.


Nahe und ferne Welten

Zurück zu den technischen Möglichkeiten: Diese schöpft Bodo Ziegler im Rahmen internationaler Kooperationen aus. Zum einen in Zusammenarbeit mit der Europäischen Südsternwarte Organisation (ESO), die bodengebundene Teleskope zur Verfügung stellt – der Mitgliedsstatus Österreichs am "European Southern Observatory" war übrigens einer der Gründe für den Astrophysiker, nach Wien zu gehen.

Zum anderen nutzt Bodo Ziegler die Daten unzähliger Satelliten, um nahe und ferne Galaxien im Röntgen-, UV-, Infrarot- oder Radiowellenlängenbereich zu beobachten. "Vor allem bei weit entfernten kleinen – und schwach leuchtenden – Galaxien ist die Spektroskopie eine unumgängliche Herausforderung: Um etwas über die chemische Zusammensetzung zu erfahren, registrieren wir das Licht im gesamten Wellenlängenbereich und erhalten verschiedene Linien, die auf chemische Elemente hindeuten", erklärt der Astronom. Als Professor ist es ihm besonders wichtig, seinen Studierenden die Möglichkeit zu geben, eigene praktische Erfahrungen am Observatorium zu sammeln: Eine seiner Doktorandinnen führte beispielsweise Beobachtungen auf dem Paranal-Berg in Chile – am derzeit größten Teleskop der Europäischen Südsternwarte – durch.

Zurück in die Zukunft

Der Kosmos hält noch einige Rätsel bereit, weshalb es dem Astrophysiker nicht so bald an Forschungsfragen mangeln wird. Eines kann er bereits jetzt mit Sicherheit sagen: "In den nächsten fünf Milliarden Jahren – so lange wird es unsere Sonne noch geben – gibt es von astronomischer Seite keine Chance für einen Weltuntergang. Wir werden auch nach dem 21. Dezember noch die Sterne beobachten können", schmunzelt der Galaxien-Experte und zweifache Vater. (ps)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dipl.-Phys. Dr. Bodo Ziegler, stellvertretender Leiter des Instituts für Astrophysik, zum Thema "13 Milliarden Jahre Galaxien" findet am Mittwoch, 12. Dezember 2012, um 18 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien statt.