August Reinisch: Völkerrecht in der praktischen Umsetzung

Am 16. November 2011 wird es im Großen Festsaal der Universität gleich doppelt interessant: Im Rahmen ihrer Antrittsvorlesungen widmen sich August Reinisch, seit 2010 Professor für Völkerrecht unter besonderer Berücksichtigung des Internationalen Wirtschaftsrechts und des Rechts der Internationalen Organisationen sowie Vizedekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, und sein Kollege Paul Oberhammer den "Grenzen der Staatsgewalt und Verfahrensgerechtigkeit bei internationalen Prozessen" aus zwei verschiedenen Blickwinkeln.

Reisen gehört bei August Reinisch zum Berufsprofil. Den geographischen Schwerpunkt im Lebenslauf des gebürtigen Wieners bildet Amerika, wo er nach seinem Studium der Rechtswissenschaften in Wien ein Masterstudium anschloss sowie später auch seine Habilitation verfasste. Der dortige praxisnahe Zugang hat den 46-Jährigen nachhaltig geprägt: "Im anglo-amerikanischen Raum stützt sich die Rechtsfindung auf das von Präzedenzfällen ausgehende Fallrecht ("case law"). Viele der amerikanischen ProfessorInnen arbeiten selbst als SchiedsrichterInnen oder sind in die Gesetzgebung involviert. Ich bin froh, auch diesen 'anderen Blick' auf das Fach bekommen zu haben."

Ebenfalls froh dürften auch die Studierenden sein, denn seine eigenen studentischen Erfahrungen setzt August Reinisch direkt in der Lehre um: "Ich versuche, in meinen Lehrveranstaltungen Fallkonstellationen, hypothetische und reale Fälle zu diskutieren und dabei die Studierenden durch Fragen selbst auf den richtigen Lösungsweg zu bringen. Lösungen, die man auf eigene Faust erarbeitet hat, merkt man sich besser."

Standort Wien: Lebensqualität und hervorragendes Arbeitsumfeld

Der Lebensmittelpunkt des Juristen blieb jedoch in Wien. Neben der hohen Lebensqualität der Stadt selbst ist es vor allem das hervorragende Arbeitsumfeld am Institut für Europarecht, Internationales Recht und Rechtsvergleichung, das August Reinisch begeistert: "Mir ist es zusätzlich ein Anliegen, den Standort Wien in meinem Fach durch Konferenzen, Workshops und Symposien hervorzuheben. Das halte ich für eine wichtige Aufgabe."

"Mich hat immer interessiert, wie das Recht an den Gerichten praktisch umgesetzt wird."

Auch in der Forschung spielt die Praxisrelevanz bei August Reinisch eine große Rolle. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen das Recht der internationalen Organisationen, internationales Investitionsrecht sowie Völkerrecht und innerstaatliches Recht. So untersucht August Reinisch unter anderem, wie internationale Organisationen als Völkerrechtssubjekte in staatlichen Rechtsordnungen behandelt werden: "Oft genießen diese Immunität. Ein Beispiel: Wenn Organisationen wie die OPEC oder die UNO Büroräume mieten, aber die Mietverträge dann nicht einhalten, haben die Vertragspartner meist keine Möglichkeit zu klagen."

Der Grad der Immunität ist allerdings von Land zu Land verschieden. "Wir schauen uns an, inwieweit nationale Gerichte die Rechtsprechung anderer Länder bei ihrer Urteilsfindung berücksichtigen, beispielsweise durch den durch das Internet heute viel einfacheren Zugang zu den Quellen", erläutert August Reinisch.

Diese grenzüberschreitende Berücksichtigung der Judikatur ist Untersuchungsgegenstand eines von der European Science Foundation geförderten Forschungsprojekts "International law through the national prism: the impact of judicial dialogue".

Auch bei seinen Forschungen zum internationalen Investitionsrecht geht es in die Praxis: "Seit den 1960 bzw. 1970er Jahren haben Staaten vermehrt Verträge geschlossen, in denen sie privaten Investoren das Recht auf direkte Schiedsverfahren gegen die Staaten selbst einräumen, zum Beispiel im Falle einer entschädigungslosen Enteignung. Das gab es vorher nicht. Seitdem wenden Schiedstribunale unglaublich viel Völkerrecht in der Praxis an, interpretieren es und wir als Wissenschafter begleiten, kommentieren und kategorisieren es."

Im Zeichen der Tradition

Die neue Professur bedeutet für August Reinisch das Fortführen einer Tradition: "Meine wissenschaftlichen Schwerpunkte entsprechen weitestgehend denen meines Vorgängers, Christoph Schreuer. Von ihm habe ich viel gelernt. Auch die Arbeiten meines Vor-Vorgängers, Karl Zemanek, sind für mich sehr wichtig. Wir stehen alle drei im intensiven Kontakt zueinander." Beide Professoren sind unter anderem Vortragende in dem von Reinisch geleiteten Postgradualen Universitätslehrgang "International Legal Studies".

Bücher statt Gerichtsurteile?  

Die wissenschaftliche Laufbahn von August Reinisch hätte durchaus einen anderen Verlauf nehmen können, denn er begann an der Universität Wien mit dem Studium der Germanistik, welches er als Magister der Philosophie abschloss. "Ich habe während des Studiums meine Liebe zur Jurisprudenz entdeckt und bin froh, diesen Weg eingeschlagen zu haben. Allerdings sehe ich durchaus Gemeinsamkeiten der Fächer, denn sowohl in der Literatur- als auch in der Rechtswissenschaft geht es um die Interpretation von Texten – wenn auch mit einer anderen Methodik", erläutert der Jurist, der sein literarisches Interesse heutzutage noch als Hobby auslebt: "Ich lese sehr viel. Neben zeitgenössischer spricht mich vor allem die klassische Literatur an. Wiener Jahrhundertwendeliteratur von 1900 oder natürlich ein Robert Musil, solche Werke sind einfach faszinierend." (mw)


Univ.-Prof. MMag. Dr. August Reinisch vom Institut für Europarecht, Internationales Recht und Rechtsvergleichung hält seine Antrittsvorlesung zum Thema "'Jurisdiction': Grenzen der Staatsgewalt und Verfahrensgerechtigkeit bei internationalen Prozessen" gemeinsam mit Univ.-Prof. Mag. Dr. Paul Oberhammer vom Institut für Zivilverfahrensrecht am Mittwoch, 16. November 2011 um 18 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien.