Antje Wischmann: Literatur- und Kulturwissenschaft vernetzen

"Auch wenn es sich pathetisch anhört: Ich möchte weiter lernen und mehr von der Welt begreifen", erklärt Antje Wischmann die Faszination für ihre Arbeit als Wissenschafterin. Seit März 2014 ist sie Professorin für Skandinavistik an der Universität Wien.

Ihr Interesse für skandinavische Länder entwickelte Antje Wischmann bereits in frühen Jahren, als sie als Kind mit ihren Eltern viele Urlaube in Dänemark verbrachte. "Durch das Studium der Skandinavistik habe ich das Land dann über die touristische Perspektive hinaus erschlossen", erklärt die Wissenschafterin.

Nach ihrer Dissertation 1991 war die gebürtige Hamburgerin als wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Universitäten Flensburg und Kiel tätig und hat dadurch "besonders das Grenzland zu Dänemark kennen- und schätzen gelernt." Seit März 2014 hat sie nun die Professur für Skandinavistik am Institut für Europäische und Vergleichende Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität Wien inne.


In ihrer Antrittsvorlesung am Montag, 15. Dezember um 17 Uhr im Kleinen Festsaal, zeigt Antje Wischmann am Beispiel der Neubewertung der eher unbekannten Schriften des schwedischen Künstlers Carl Larssons auf, wie "Literatur- und Kulturwissenschaft miteinander vernetzt werden können." (Foto: Selbstporträt von Carl Larsson 1891/Wikimedia)



Astrid-Lindgren-Stereotype

"Viele Leute unterschätzen den Wandel, der sich in den skandinavischen Ländern in der Nachkriegszeit und ab den 1980er Jahren vollzogen hat. Vor allem die ältere Generation hat noch diese 'Astrid-Lindgren-Vorstellungen' von Naturverbundenheit, die gerne beispielsweise von IKEA oder in skandinavischen Krimis als Sujet genutzt wird", erklärt Antje Wischmann und ergänzt: "Durch eine nähere Beschäftigung mit den Ländern und durch Reisen können solche Stereotype ausgeräumt werden. Schweden beispielsweise brandet sich heutzutage stark als IT-Nation und fördert gezielt digitale Projekte. Viele SkandinavierInnen verfügen über eine hohe Medienaffinität."


"Im Mai 2015 kommt die bekannte norwegische Literaturwissenschafterin Toril Moi von der Duke University zu uns. Hier suche ich noch KooperationspartnerInnen, beispielsweise von den Instituten für Anglistik und Germanistik", sagt Antje Wischmann. (Foto: Susannah B. F. Paletz/Wikimedia)



Forschungsarbeit in Schweden

Von 1998 bis 2006 war Antje Wischmann als Forscherin und Dozentin an der schwedischen Hochschule Södertörn (Södertörns högskola) in Stockholm tätig. "Das war meine zweite skandinavische Sozialisation", schmunzelt die 51-Jährige: "Die Arbeit in Skandinavien war eine große Bereicherung. Nicht nur, weil ich vor Ort Schwedisch gelernt habe, sondern auch, weil man in Schweden sehr viel 'künstlerische' Freiheit in der wissenschaftlichen Arbeit hat."

Forschung und Lehre verknüpfen

Auch in der Lehre bringt Antje Wischmann Erfahrungen aus Skandinavien mit nach Wien: "Dort ist es eine noch größere Selbstverständlichkeit, dass Forschung und Lehre zusammenhängen. Ich versuche zum Beispiel, das Format der Vorlesung aufzufrischen – Diskussionen mit den Studierenden finde ich äußerst wichtig", erläutert die sympathische Wissenschafterin: "Wenn ich die Lehre mit meiner eigenen Forschung stärker verknüpfe, dann kann ich den Studierenden ein ganzheitlicheres Bild davon geben, was Literatur- und Kulturwissenschaft eigentlich bedeuten."


Das "ästhetische Erleben" ist Antje Wischmann bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit wichtig. 2013 verbrachte sie beispielsweise zwei Wochen in Norrland (Nordschweden, Lappland) in einer vereisten kleinen Holzhütte, dem Geburtsort der schwedischen Schriftstellerin Sara Lidman, über die sie einen Artikel schrieb: "Das hatte eine spannende ethnologische Dimension. Bei der klirrenden Kälte konnte ich nur mittags die Hütte verlassen. Diese 'Erlebnisdimension' gehört für mich zur Erschließung der 'ästhetischen Dimension' dazu." Das Foto wurde aus dem Geburtshaus von Sara Lidman aufgenommen und zeigt älteste Gebäude des Lidmanschen Hofes. (Foto: Therese Eriksson)



"Ich kann mir nicht mehr vorstellen, nicht kulturwissenschaftlich zu arbeiten"

Antje Wischmann verfolgt in ihrer Forschung nach eigener Aussage ein "relativ breites Spektrum". Der Schwerpunkt liegt aber u.a. auf skandinavischer Literatur im 19. bis 21. Jahrhundert: "Durch meine Habilitationsschrift, in der ich mich mit Großstadtliteratur in einem stadtplanerischen Kontext beschäftigt habe, ist meine Ausrichtung kulturwissenschaftlicher geworden. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, nicht kulturwissenschaftlich zu arbeiten. Urbanistik interessiert mich weiterhin sowie auch Mobilitätsforschung. Wenn ich Zeit finde, würde ich gerne noch eingehender zu den 1920er und 30er Jahren arbeiten", beschreibt sie weitere Forschungsinteressen.

Zusätzlich betreibt die Skandinavistin seit 2011 das Projekt "Neues Lesen", bei dem sie gemeinsam mit zwei KollegInnen schwedische, dänische und norwegische Neuerscheinungen vorstellt, um "Studierende mit den aktuellen literarischen Entwicklungen in den Ländern bekannt zu machen."

Wien – Uppsala

In ihrer freien Zeit pendelt Antje Wischmann viel zwischen Schweden und Wien hin und her – denn ihr Mann, gebürtiger Deutscher, lebt (weiterhin) in Uppsala. "Zum Glück ist aber der Flughafen nicht weit von unserem Wohnort entfernt", so die Forscherin, die bereits auch Wien und seine nähere Umgebung erkundet hat: "Mich freut, dass ich von meiner Wohnung im 18. Bezirk schnell mit der Bim zur Uni fahren kann – keine langen Wege zurücklegen zu müssen ist zwischendurch auch mal sehr angenehm", schmunzelt Antje Wischmann. (mw)

Univ.-Prof. Dr. Antje Wischmann vom Institut für Europäische und Vergleichende Sprach- und Literaturwissenschaft hält ihre Antrittsvorlesung zum Thema "'Exemplarische Larssons'. Die Positionierung des Bildkünstlers Carl Larsson im literarischen Feld" am Montag, 15. Dezember 2014, um 17 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien.