Annegret Fauser: Von den Frauen in der Welt der Musik(wissenschaft)

Musik in den USA im Zweiten Weltkrieg und Frauen in der westlichen Musikgeschichte sind nur zwei der spannenden Forschungsthemen, mit denen sich Annegret Fauser beschäftigt. Die Musikwissenschafterin hat im Sommersemester die Käthe-Leichter-Gastprofessur für Gender Studies inne.

"Auf 'meine Frauen', also jene Musikerinnen, für die ich mich ganz besonders interessiere, bin ich in Paris gestoßen, wo ich meine Doktorarbeit zum Französischen Orchestergesang verfasst habe. Diese Entdeckung hat mein studentisches Interesse an Genderforschung in eine konkrete Bahn gelenkt", beschreibt Annegret Fauser eine prägende Zeit ihres wissenschaftlichen Werdegangs, in der sie u.a. zur französischen Komponistin und Dirigentin Lili Boulanger forschte.


Lili Boulanger gewann 1913 als erste Frau den Musikpreis "Grand Prix de Rome" für die Komposition Faust et Hélène. Dieser als sensationell wahrgenommene Gewinn einer neunzehnjährigen Komponistin war ein Meilenstein in der französischen Musikgeschichte, dessen Bedeutung Annegret Fauser analysierte. 



Bereits als junge Wissenschafterin machte sich Fauser also auf die Spuren begabter Musikerinnen, die in der Musikwissenschaft lange Zeit völlig abwesend waren und selbst heute noch nicht zum Kanon gehören. Darüber hinaus erforscht sie, wie sich Ideen von Gender, Frauen- und Männertum in der Musik und Musikwissenschaft niederschlagen. Was gilt in der Musik als männlich, was als weiblich? Und gehen damit typische Geschlechterzuschreibungen wie stark und viril im Gegensatz zu verführerisch und gefährlich einher?

Weltoffene Wissenschafterin

In Paris besuchte Fauser, die ihr Studium der Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie in Bonn absolviert hat, u.a. Vorlesungen von Jaques Derrida und wurde mit der Theorie und Methode des Dekonstruktivismus vertraut. Als Postdoktorandin verbrachte sie ein weiteres Jahr in Paris am Maison des Sciences de l'Homme, bevor es sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die Humboldt-Universität zu Berlin verschlug. Sie unterrichte auch an der Université François Rabelais in Tours, der Folkwang Universität der Künste in Essen und dann sechs Jahre an der City University in London. "Das angelsächsische Wissenschaftssystem fand ich sehr befreiend, weil es zwischen den Fächer keine Berührungsängste gab", erzählt die Musikwissenschafterin von ihrem bewegten Leben in der Wissenschaft. Seit 2001 ist sie nun Professorin für Musikwissenschaft an der University of North Carolina at Chapel Hill (UNC) sowie "Adjunct Professor of Women's Studies".

Traditionsreiche Verbindungen


"In Wien bin ich erst seit wenigen Tagen, ich habe aber schon bemerkt, dass ich es hier mit einem sehr aktiven Umfeld und interessierten Studierenden zu tun habe. Es ist ganz offensichtlich ein altes, traditionsreiches Institut, das immer wieder neuen Schwung nimmt und viel bewegt", so die Genderforscherin begeistert. Auch gäbe es eine spannende alte Verbindung zwischen der Universität Wien und ihrer Heimatuniversität, erklärt sie: "Das PhD-Programm des musikwissenschaftlichen Instituts der UNC – das übrigens das zweitälteste der USA ist – wurde von Glen Haydon entwickelt. Er hat seinen Doktor bei Guido Adler geschrieben, dem Gründer des Instituts für Musikwissenschaft hier in Wien und einer überragende Figur des frühen 20. Jahrhunderts. Diese Verbindung ist doch eine schöne Sache!"

Für Studierende, InstitutsmitarbeiterInnen und die interessierte Öffentlichkeit spricht Fauser in ihrer Käthe-Leichter-Vorlesung zum Thema "Geschlecht in der europäischen Musikgeschichte". Dabei werden drei Aspekte eine Rolle spielen: Frauen und Männer, die Musik schufen, Gender als kulturelles Konzept, das Musik und Musikrezeption bestimmt, sowie gendergeleitete wissenschaftliche Fragestellungen, die Musik der Vergangenheit und Gegenwart deutbar machen.

Krieg und Musik und weitere Projekte


In ihrer Forschung hat sich Fauser in den vergangenen Jahren aber auch intensiv damit auseinandergesetzt, wie westliche klassische Musik im Kriegskontext eingesetzt wurde. Konkret beschäftigte sie sich mit den USA im Zweiten Weltkrieg: "Ob im Militär oder in der Propagandamaschinerie, Musik war eine Waffe. Und Komponisten wie zum Beispiel Aaron Copland haben zu dieser patriotischen, musikalischen Kriegsführung beigetragen, u.a. durch seine Fanfare for the Common Man (1942) oder Ballette wie Rodeo (1942) und Appalachian Spring (1944)."


Die erste weibliche Militärkapelle in den USA, Marine Corps Women's Reserve Band, wurde 1943 etabliert und ist hier, unter der Leitung von Charlotte Plummer, in einem Konzert in Camp Lejeune zu sehen (Juni 1944).



Zu diesem Thema erscheint kommendes Jahr die Publikation "Sounds of War: Music in the United States during World War II" (Oxford University Press), die Fauser kürzlich beendet hat. Im nächsten Forschungsvorhaben wird die Musikwissenschafterin die französische Hauptstadt – die als gleichzeitig kosmopolitisches und nationales Zentrum der internationalen Musikwelt gilt – durch die Augen "fremder" KomponistInnen betrachten, die während des "langen" 19. Jahrhunderts in Paris lebten. (dh)

Prof. Dr. Annegret Fauser hält ihre Käthe-Leichter-Vorlesung zum Thema "Klangkörper: Geschlecht in der europäischen Musikgeschichte" am Montag, 21. Mai 2012, um 18 Uhr in der Aula am Campus der Universität Wien.