Alles im Fluss: Workflow-Systeme in Theorie und Praxis

Stefanie Rinderle-Ma beschäftigt sich mit der technischen Umsetzung und Optimierung von Geschäftsprozessen in Workflow-Systemen. Dabei interessiert sie sich vor allem für deren "Flexibilisierung" und die Möglichkeit, den Arbeitsalltag von Menschen durch Technologien und Computerprogramme zu erleichtern. Am Montag, 21. Juni 2010, gab die Informatikerin in ihrer Antrittsvorlesung Einblick in ihren Forschungsschwerpunkt. Für "dieUniversitaet-online" hat sie ihren Vortrag zusammengefasst.

Prozesse oder Workflows begleiten uns täglich und stellen für Unternehmen essentielle Erfolgsfaktoren dar. Denkt man z. B. an die Planung einer Reise, wird klar, dass es sich hierbei um einen Arbeitsablauf (Workflow) handelt. Verschiedene Arbeitsschritte wie Auswahl des Reiseziels sowie Flug- und Hotelbuchung müssen in einer bestimmten Reihenfolge und unter Umständen von unterschiedlichen AkteurInnen gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Anwendungsprogrammen bearbeitet werden.

Koordinierung der einzelnen Arbeitsabläufe

Aus Informatiksicht interessiert uns hierbei, wie man die Menschen, die an solchen Prozessen beteiligt sind, computerorientiert unterstützen kann. Während in der vorindustriellen Zeit Arbeitsaufgaben meist von einer Person durchgeführt wurden, hat die Industrialisierung zur Zerteilung von Arbeitsaufgaben in kleinere Teilaufgaben mit Ausführung durch verschiedene Personen geführt. Ohne eine geeignete Prozessunterstützung können in Folge der Arbeitsteilung Geschäftsprozesse ab einem gewissen Komplexitätsgrad in ihrer Gesamtheit nicht mehr von einzelnen Personen erfasst werden, sondern existieren häufig nur noch fragmentiert in den Köpfen der beteiligten MitarbeiterInnen, beziehungsweise "hart-verdrahtet" in den im Prozess verwendeten Anwendungsprogrammen, wodurch eine optimierte Prozessausführung erschwert oder sogar unmöglich wird. Dies führt in der Folge nicht nur zu verminderter Prozessqualität, sondern zu verminderter Produkt-oder Servicequalität.

Unterstützung durch Workflow-Systeme

Eine vielversprechende Technologie für die computerunterstützte Ausführung von Geschäftsprozessen bieten Workflow-Management-Systeme (WfMS). Charakteristisch ist hier die Trennung von Prozesslogik und Anwendungscode, d.h. die Ablauflogik der unterstützten Workflows wird dem WfMS explizit durch (graphische) Modellierung der Prozesse bekannt gemacht und nicht im Programmcode "versteckt".

Dadurch wird ermöglicht, dass WfMS die Durchführung unternehmensweiter und -übergreifender Abläufe aktiv koordinieren, Anwendungskomponenten prozessorientiert integrieren, BenutzerInnen ablaufbezogen unterstützen, den Fortgang der Prozesse überwachen und ihren Verlauf möglichst lückenlos dokumentieren.

Mehr Flexibilität

Überdies schaffen modellierte und gesteuerte Workflows die Grundlage für Flexibilität bei der Prozessausführung. Ist ein Prozess nicht explizit bekannt, kann er auch nicht (oder nur sehr schwer) unter Kontrolle aller Seiteneffekte der Änderung modifiziert werden. Gerade Flexibilität stellt jedoch eine Hauptanforderungen an Prozesse in der heutigen Zeit dar. Im Alltagsleben sowie für Geschäftsprozesse gilt nicht selten: Ausnahmen sind eher die Regel als die Ausnahme!

Arbeitsprozesse im Krankenhaus


Denkt man etwa an den Krankenhausbereich, dann wird klar, dass vordefinierte Prozesse nur so lange "nach Plan" ausgeführt werden können, wie der Patient oder die Patientin und alle äußeren Bedingungen den vordefinierten Gegebenheiten folgen. Wie lassen sich jedoch Prozessausnahmen im WfMS abbilden? Oder weiter gedacht: Können Prozesse insgesamt modifiziert werden (Prozessevolution), etwa in Folge von geänderten gesetzlichen Regelungen oder zum Zweck einer Prozessoptimierung?

Die Behandlung von Ausnahmen zur Laufzeit von Prozessen wird als Ad-hoc-Flexibilität bezeichnet und wir häufig durch Abänderung einzelner Prozessinstanzen (z. B. für Patient Müller) gehandhabt, während eine Prozessevolution zur Modifikation der Prozessbeschreibung führt. Von großer Bedeutung für die Robustheit der ablaufenden Prozessinstanzen sind bei Änderungen Korrektheitskriterien, die sicherstellen, dass nach Änderungen einzelner Instanzen beziehungsweise Evolution des gesamten Prozesses keine Fehler oder Verklemmungen in die Prozessausführung eingeschleust werden.

Aktueller Forschungsstand


Für Prozessevolution und Ad-hoc-Flexibilität existieren bereits fundierte Forschungsarbeiten, Forschungs-Prototypen und sogar kommerzielle Systeme. Neuartige Fragstellungen in Kontext von Adaptivität beschäftigen sich mit der Sicherstellung von Compliance (also der Verträglichkeit von Prozessen mit bestimmten, für das Unternehmen wichtigen Geschäftsregeln) auch nach Modifikation der Prozesse und der Änderungen weiterer Komponenten eines WfMS (z.B. Evolution von organisatorischen Strukturen und Zugriffskontrollmechanismen).

Aktuelle Forschungstrends gehen in Richtung Prozessunterstützung in "future scenarios", also z. B. Prozesskollaborationen zwischen verschiedenen GeschäftspartnerInnen, mobile Prozessszenarien oder -ausführung in der Cloud. Aufgrund des höheren Verteilungsgrads der Prozessausführung müssen die bisher erarbeiteten Resultate überdacht und erweitert werden. Benutzerfreundliche, sichere und flexible Prozesslösungen für future scenarios stellen einen Meilenstein in der Entwicklung von Prozess-Technologien dar.

Univ.-Prof. Dipl.-Math. Dr. Stefanie Rinderle-Ma ist seit Jänner 2010 Professorin für Informatik (Workflow Systeme) am Institut für Knowledge and Business Engineering der Fakultät für Informatik.