Zurück in die Zukunft: Die Kreidezeit und der Klimawandel

Wie geologische Tagebücher erzählen Sedimente und Ablagerungsgesteine von dramatischen Ereignissen in der Erdgeschichte – zum Beispiel von Klima- und Umweltveränderungen vor Jahrmillionen. Aktuell erscheint in der Fachzeitschrift "Sedimentary Geology" eine von Michael Wagreich vom Department für Geodynamik und Sedimentologie herausgegebene Sammlung von Fachartikeln, die den Wechsel von sauerstoffreichen zu sauerstofffreien Umweltbedingungen in den Ozeanen der Kreidezeit thematisieren. Durch hochauflösende Untersuchungen dieser fossilen Umweltänderungen lassen sich Analogien zum heutigen Klimawandel ziehen.

Was einmal war, kann wieder passieren: So herrschte etwa in der Kreidezeit (mittlere Kreide vor ca. 120 bis 90 Millionen Jahren) ein Treibhausklima, das zu Extremereignissen mit Massensterben in den Ozeanen führte. "In diesen Zeiträumen beherrschten sauerstofffreie Todeszonen mit Schwefelwasserstoff weite Teile der Meere", beschreibt der Geowissenschafter Michael Wagreich. Rückschlüsse wie diesen ziehen ErdwissenschafterInnen aus der Untersuchung von Sedimentabfolgen: "Die Sedimentschichten sind die Archive von Klima- und Umweltänderungen in der Erdgeschichte."

Treibhauseffekt durch Vulkanaktivität

Die hohen Kohlendioxidgehalte in der Kreidezeit-Atmosphäre – sie betrugen etwa das zwei- bis achtfache der präindustriellen Konzentrationen – sind auf natürliche Quellen, vor allem verstärkten Vulkanismus, zurückzuführen. "Dieser bewirkte ein Treibhausklima, in dem einerseits die Planktonproduktivität stark angestiegen ist und damit weltweit Algenblüten ausgelöst worden sind", erklärt der Erdwissenschafter weiter: "Andererseits wurden die Ozeane – aufgrund starker Verdunstung auf den ausgedehnten Schelfmeeren – mit sauerstoffarmem und salzreichem stagnierendem Bodenwasser gefüllt."

Zusammen mit den Algenblüten führten die sauerstoffarmen Bodenwässer in der Folge zur beinahe globalen Ausdehnung von Faulschlammsedimentation am Meeresboden unter anoxischen Bedingungen – sie sind heute als Schwarzschieferlagen in den Sedimenten der Kreidezeit überliefert.

Beitrag zu geowissenschaftlichen Debatten

"Unter ExpertInnen werden diese Kausalzusammenhänge und Prozesse im Einzelnen noch immer stark diskutiert", meint Wagreich. Der nun herausgegebene Sonderband wirft ein Schlaglicht auf möglichst genau untersuchte, in den Sedimenten archivierte Umweltänderungen von sauerstoffreich (oxisch) zu sauerstofffrei (anoxisch).

"Mit immer genaueren isotopengeochemischen und zyklostratigraphischen Untersuchungsmethoden können wir mittlerweile in den Sedimentabfolgen eine Zeitauflösung von ca. 20.000 Jahren erreichen, in seltenen Fällen ist die Auflösung noch höher möglich", freut sich der Forscher: "Damit lassen sich vor allem die längerfristigen Entwicklungen heutiger Umweltänderung hin zu einem Treibhausklima wie in der Kreidezeit gut vergleichen."

Klimakatastrophe – und danach

Gemeinsam mit Stephanie Neuhuber vom Department für Geodynamik und Sedimentologie und internationalen KollegInnen untersuchte Michael Wagreich aber nicht nur die Entwicklung von oxischen zu anoxischen Umweltbedingungen, sondern auch die Rückkehr von den anoxischen, durch Aussterbeereignissen gekennzeichneten Katastrophen zu normalen Umweltbedingungen.

"Wüstensediment" der Tiefsee

"Diese Untersuchungen zeigen zwar, dass natürliche negative Feedbackmechanismen wirken, die die Sauerstoffarmut und das Treibhausklima langfristig abbauen und das System Erde wieder zu einem Gleichgewicht zurückführen", so der Forscher: "Allerdings wirken diese längerfristig: Erst nach einem Zeitraum von mehreren Zehntausenden bis Hunderttausenden von Jahren war der Normalzustand der Ozeane wieder erreicht."

In der Folge führen diese Mechanismen zu unter sauerstoffreichen Bedingungen abgelagerten roten Tiefseesedimenten (CORB - Cretaceous Oceanic Red Beds), die als eine Art "Wüstensediment" der Tiefsee durch Nährstoffarmut und Mangelsedimentation angesehen werden können.

Zurück zum Klima der Kreidezeit?

Nach einem ebenfalls im aktuellen Band veröffentlichten Artikel (William Hay: Can humans force a return to a "Cretaceous" climate?) wird die anthropogen gesteigerte Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre etwa im Jahr 2070 den Schwellwert der Kreidezeit erreichen. Eine Rückkehr zu Bedingungen, wie sie in der Kreidezeit geherrscht haben, ist damit sehr wahrscheinlich, vor allem, wenn in der Folge der Klimaerwärmung die Eiskappen schmelzen. Das Achtfache des präindustriellen Kohlendioxidwertes könnte, ohne regulierende Maßnahmen, im Jahr 2330 erreicht werden. (red)

Die Artikelsammlung "Causes of oxic - anoxic changes in Cretaceous marine environments and their implications for Earth systems" von Michael Wagreich, Xiumian Hu and Brad Sageman (Hrsg.) erscheint am 15. März 2011 im Journal Sedimentary Geology (Ausgabe 235, Nr. 1-2, S. 1-132).