Zeitloser Hundertfüßer

Das erste sequenzierte Erbgut eines Hundertfüßers hat die ForscherInnen überrascht: Obwohl er Licht meiden kann, hat er weder Gene für Lichtsensoren noch eine innere Uhr. Das berichtet ein internationales Forschungsteam, darunter auch WissenschafterInnen der Universität Wien, in "Plos Biology".

Der Hundertfüßer namens "Strigamia maritima" – ein blinder Untergrundbewohner – lebt an den Meeresküsten Schottlands. Eigentlich hatten die ForscherInnen der Universität Wien, die an der Steuerung des Tagesrhythmus durch genetische Uhren interessiert sind, an dem Projekt teilgenommen, um die Gene für sogenannte "Clock"(engl. Uhr)-Gene und Lichtrezeptoren der Hundertfüßer zu untersuchen. "Doch zu unserer Überraschung haben wir festgestellt, dass sie keine besitzen", erzählt Kristin Tessmar-Raible von den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien und Leiterin der Forschungsplattform Marine Rhythms of Life.

"Sollten sie doch eine innere Uhr besitzen, müsste sich diese völlig von jener anderer Tiere unterscheiden", betont ihr Projektpartner Michael Akam von der Stanford University. Ähnliches gilt für das Verhalten der Tiere, offensichtlich Licht zu meiden. "Wenn die Strigamia-Hundertfüßer tatsächlich Licht wahrnehmen können, müssen sie es aber auf eine bisher unbekannte Art tun", so die ForscherInnen um Studienleiter Stephen Richards vom Baylor College of Medicine in Houston, Texas.

Hundertfüßer riechen anders

Eine weitere Besonderheit der Hundertfüßer: Sie riechen offensichtlich auf andere Weise als ihre nahen Verwandten, die Insekten. "Dazu dürften sie unter anderem eine große Zahl von Geschmacksrezeptoren verwenden", erklären die ForscherInnen. Außerdem hätten die Hundertfüßer noch mehr gemeinsamen mit dem Urahn als die anderen untersuchten Gliederfüßer.

Bisher wurden aus dem Tierstamm der Gliederfüßer die Genome von Insekten, wie der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, sequenziert sowie von einem Spinnentier, der Gemeinen Spinnmilbe (Tetranychus urticae), und einem Krebstier, dem Gemeinen Wasserfloh (Daphnia pulex). Aus dem Unterstamm der Tausendfüßer, zu denen Hundertfüßer gehören, war bisher noch kein komplettes Erbgut bekannt.

Hundertfüßer entstanden vor mehr als 400 Millionen Jahren. Sie waren vermutlich die ersten Gliederfüßer, die das Land eroberten. In dem Strigamia maritima-Erbgut identifizierten die Forscher 14.992 Gene, der Mensch besitzt mehr als 20.000. (APA/red)

Das Paper "The First Myriapod Genome Sequence Reveals Conservative Arthropod Gene Content and Genome Organisation in the Centipede Strigamia maritime" (AutorInnen: Ariel D. Chipman et al.) erschien am 25. November 2014 in "PLOS Biology".