Wie Hahnenfuß asexuell wurde

In der Juni-Ausgabe ihres Newsletters legt die Fakultät für Lebenswissenschaften den Schwerpunkt auf hochkarätige Forschungsprojekte unter der Leitung von Wissenschafterinnen. Lesen Sie hier einen ausgewählten Artikel aus den aktuellen "faculty research news" über die Forschungen von Elvira Hörandl vom Department für Botanische Systematik und Evolutionsforschung: Die Botanikerin untersucht, warum sich manche Pflanzen wie etwa der Gold-Hahnenfuß auch ohne Sex fortpflanzen können – und wie sich dieser Mechanismus entwickelt hat.

Ohne Geduld geht bei Elvira Hörandl gar nichts. Die Generationszyklen ihrer Pflanzen im Versuchsgarten am Wiener Rennweg geben das Tempo vor. Auch für ihr aktuelles Forschungsprojekt hat die Botanikerin vom Department für Botanische Systematik und Evolutionsforschung jahrelang Vorarbeiten geleistet: ist alten Literaturangaben über Ranunculus nachgegangen, hat die Pflanzen an ihren natürlichen Standorten aufgesucht, populationsgenetische Untersuchungen mit molekularen Markern gemacht und schließlich in den Karpaten, in Österreich und Bayern mit dem erwähnten Hahnenfuß (Ranunculus auricomus) ihr Modellsystem für apomiktische Fortpflanzung gefunden.

Was die asexuelle Fortpflanzung so faszinierend macht


"Man weiß bis heute – trotz intensiver Bemühungen bis hin zu Genetic-Engineering – nicht, wie sich der Mechanismus in natürlichen Populationen entwickelt hat", sagt Hörandl. Und genau das will die Wiener Wissenschafterin in ihrem aktuellen FWF-Projekt "Effects of hybridization on expression of apomixis in the Ranunculus auricomus complex" herausfinden.

Hörandls Fragestellung lautet: Wie entsteht Apomixis in natürlichen Populationen? In früheren FWF-Projekten wurde herausgefunden, dass asexuelle Pflanzen durch Kreuzung (Hybridisierung) sexueller Arten entstanden sind. Ihre Hypothese: "Durch den Hybridisierungsvorgang wird die Genregulation so verändert, dass die andere Reproduktionsform exprimiert wird." Eine evolutionsbiologische Fragestellung beschäftigt sie ebenfalls. Warum ist die sexuelle Fortpflanzung dominant und Apomixis nur bei Hybriden zu finden? Schließlich wäre die sexuelle Fortpflanzung wesentlich effizienter: "Meist haben Hybride einen schlechten Samenansatz – und so könnte Apomixis ein Ausweg aus der Hybrid-Sterilität sein", erklärt sie.

Generell ist die Entstehung von asexueller Vermehrung ein komplexer Vorgang. Für den Großteil der Blütenpflanzen trifft es zwar zu, dass der Pflanzenembryo nach Verschmelzung der Eizelle mit einem Pollenkern entsteht (sexuelle Fortpflanzung). Aber dann gibt es noch viele Gruppen, die diesen Weg umgehen und ihre Samen asexuell bilden. Ihre Nachkommen entstehen über Samen, wobei nicht eine Zygote zum Embryo auswächst, sondern eine unbefruchtete, unreduzierte Eizelle. Da der Embryosack aus einer somatischen Zelle in der Samenanlage entstanden ist, sind die Nachkommen Klone der Mutterpflanze.

Hörandl beschäftigt sich seit 1994 mit asexueller Fortpflanzung. Doch die Pflanzen sträuben sich, ihre Geheimnisse preiszugeben: "Da ist nicht nur ein einzelnes Gen mutiert", erklärt sie. "Es handelt sich um massive Änderungen in der gesamten Genregulation. Das künstlich nachzuvollziehen – also eine funktionsfähige Apomixis herzustellen, wo dann ein guter Samenansatz da ist – das ist noch niemandem gelungen. Dabei gibt es massives Interesse, etwa in der Pflanzenzüchtung. Ein Hauptproblem dabei ist, dass Apomixis weder in den klassischen Modellorganismen der Genetik (Arabidopsis thaliana), noch in den wilden Verwandten der wichtigsten Nutzpflanzen vorkommt."

"Riesenproblem"

Die Botanikerin erzählt von einem weiteren Riesenproblem: "Die meisten apomiktischen Pflanzen sind ausdauernd, das heißt, man hat Generationszyklen von zwei bis drei Jahren. Das erschwert die Planung von Forschungsprojekten sehr." Ihr aktuelles Hahnenfuß-FWF-Projekt begann im Herbst 2009, läuft noch bis 2012 und gründete auf einer Reihe von Vorgänger-Forschungen. "Wir haben experimentelle Kreuzungen durchgeführt – zwei sexuelle Arten gekreuzt." 2005 hat das Team rund um Hörandl die ersten Hybriden produziert, 2007/08 haben diese das erste Mal geblüht. "Schon bei diesen Kreuzungen haben wir uns angeschaut, ob es da bereits Apomixis gibt. Zu unserer Überraschung haben wir festgestellt, dass der erste Schritt Richtung Apomixis, nämlich die Ausbildung von unreduzierten Embryosäcken aus einer somatischen Zelle, schon in der ersten Hybridgeneration auftritt – in nicht allzu großen Frequenzen, aber doch regelmäßig. Bisher nahm man an, dass es mehrere Generationen dauert, um das zu etablieren."

Die Forscherin erklärt: "Dann wollen wir natürlich herausfinden, wie die Genexpression in diesen Primärhybriden ausschaut. Bekommen wir das gleiche Muster wie in den natürlich Vorkommenden, die bereits eine voll funktionsfähige Apomixis haben?" So will sie die schrittweise Evolution nachvollziehen. "Wir wollen uns also im Modell-Organismus vergleichend die Genexpression in den sexuellen und den apomiktischen Hybriden anschauen." ...

... Lesen Sie den gesamten Beitrag sowie Berichte über weitere Forschungsprojekte der Fakultät für Lebenswissenschaften in der aktuellen Juni-Ausgabe der "faculty research news".

Das Forschungsvorhaben "Effects of hybridization on expression of apomixis in the Ranunculus auricomus complex" unter der Leitung von Mag. Dr. Elvira Hörandl vom Department für Botanische Systematik und Evolutionsforschung ist ein grenzüberschreitendes FWF-Projekt im Rahmen des sog. D-A-CH Abkommens. Es startete im Juli 2009 und läuft noch bis Ende Oktober 2012.