Wie "geschmiert": Wie Amphetamine wirken

ForscherInnen der Universität Wien und der MedUni Wien haben einen bedeutenden Wirkungsmechanismus von Amphetamin entschlüsselt. Ihre Studie, aus der neue Behandlungsoptionen für Amphetamin-Abhängige hervorgehen könnten, wurde im Journal "PNAS" veröffentlicht.

Amphetamin wird aufgrund seiner stimulierenden und euphorisierenden Wirkung häufig als Rauschmittel konsumiert. In Zusammenarbeit mit ForscherInnen der MedUni Wien hat die Forschungsgruppe um Gerhard Ecker, stv. Leiter des Departments für Medizinische/Pharmazeutische Chemie der Universität Wien die Wirkung von Amphetaminen im menschlichen Gehirn untersucht. Die Ergebnisse des medizinischen Kooperationsprojekts liegen nun auf dem Tisch: Amphetamine entfalten ihre Wirkung nur, wenn die Zellmembranen die Serotonintransporter mit dem Membranlipid PIP2 gut "schmieren".


"Die sehr erfolgreiche Zusammenarbeit mit den KollegInnen der Medizinischen Universität Wien zeigt, wie wertvoll das Zusammenspiel von Pharmacoinformatik und experimentellen Gruppen ist", so Gerhard Ecker, der unter anderem im Rahmen des Spezialforschungsbereichs "Transmembrane Transporters in Health and Disease" mit WissenschafterInnen der MedUni Wien zusammenarbeitet.



Beim Serotonintransporter handelt es sich um ein medizinisch bedeutsames Membranprotein. Bedeutend deshalb, weil es das Ziel verschiedener Medikamente – wie z.B. Antidepressiva – aber auch verschiedener missbräuchlich verwendeter Substanzen – etwa Kokain und Amphetamine – ist. Letztere Substanzen standen deshalb auch im Fokus der vorliegenden Studie, die in den in den renommierten "Proceedings" der Nationalen Akademie für Wissenschaften der Vereinigten Staaten von Amerika ("PNAS") publiziert worden ist.

"Amphetamine sind eine wichtige Substanzgruppe, weil ihr Gebrauch häufig bagatellisiert wird und sie als Wohlfühlsubstanzen und Denkverstärker propagiert werden. Eine weitere Gefahr ist, dass ständig neue Amphetamin-artige Substanzen auf den Markt kommen. Zu diesen Research Chemicals zählen zum Beispiel die sogenannten Badesalze", erklärt der Studienleiter Harald Sitte von der MedUni Wien: "Wir wollen verstehen, welche Risiken mit diesen Substanzen verbunden sind und wie diese Substanzen im Körper funktionieren."

Computermodelle und Experimente

Neben der Entdeckung, dass die Membran – in der die Serotonintransporter eingebettet sind – einen wichtigen Einfluss auf die Wirkung von Amphetamin ausübt, haben die WissenschaftInnen auch die Bindungsstelle von PIP2 an den Serotonintransporter identifiziert. "Die experimentellen Daten unserer Kooperationspartner sind für uns außerordentlich wichtig, um unsere Computermodelle zu validieren und zu verfeinern", erklärt Gerhard Ecker.


Andreas Jurik, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Gerhard Ecker, hat am Computer ein Modell des Serotonintransporters erstellt und analysiert. Dabei wurde ein Bereich bestehend aus drei Aminosäuren identifiziert, an den PIP2 binden könnte. Dies wurde dann in umfangreichen experimentellen Studien in der Gruppe von Harald Sitte bestätigt.



"Die nun gezeigte Bedeutung der Membranlipide für die Amphetaminwirkung kann uns einen wichtigen Schritt in Richtung der Behandlung von Abhängigkeiten von diesen Substanzen bringen", so Studienleiter Harald Sitte zur praktischen Relevanz der Entdeckung. (red)

Die Studie "Amphetamine actions at the serotonin transporter rely on the availability of phosphatidylinositol-4,5-bisphosphate" (AutorInnen: Florian Buchmayer, Klaus Schicker, Thomas Steinkellner, Petra Geier, Gerald Stübiger, Peter J. Hamilton, Andreas Jurik, Thomas Stockner, Jae-Won Yang, Therese Montgomery, Marion Holy, Tina Hofmaier, Oliver Kudlacek, Heinrich J. G. Matthies, Gerhard F. Ecker, Valery Bochkov, Aurelio Galli, Stefan Boehm and Harald H. Sitte) erschien am 24. Juni 2013 im Journal PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA).