Wie Belohnungen unser Verhalten steuern

Das menschliche Verhalten ist sehr stark von Belohnungssystemen im Gehirn bestimmt. Um zu verstehen, wie diese funktionieren, zusammenspielen und beeinflusst werden können, blicken NeurowissenschafterInnen der Universität Wien mithilfe modernster Methoden direkt in die Steuerzentrale unseres Körpers.

Es gibt wohl kaum etwas Faszinierenderes als das menschliche Gehirn: 100 Milliarden Nervenzellen verarbeiten Abermillionen Sinneseindrücke, lassen uns die Wirklichkeit wahrnehmen und steuern komplexe Körpervorgänge. Doch obwohl die Wissenschaft im Laufe des vergangenen Jahrzehnts bereits eine Menge Verblüffendes über unser "Denkorgan" herausgefunden hat, bleibt vieles immer noch unklar.

Eine dieser offenen Fragen betrifft die Belohnungssysteme, die so etwas wie den Grundantrieb des menschlichen Handelns darstellen. "Unser Verhalten wird vor allem durch primäre Belohnungen – zum Beispiel Essen, Trinken oder Sex – bestimmt, aber auch durch soziale Prozesse wie Emotionen oder Interaktionen mit anderen Menschen", erklärt Giorgia Silani vom Institut für Angewandte Psychologie an der Universität Wien. Letztere seien allerdings noch weitgehend unerforscht. "Der Mensch ist ein soziales Wesen. Wenn wir das besser verstehen, können wir auch den Menschen an sich besser verstehen", ist die Neuropsychologin überzeugt.

Wenn es um tiefe Einblicke in das menschliche Gehirn geht, verfügen Giorgia Silani und ihre FachkollegInnen an der Universität Wien bereits über eine reichhaltige Expertise. In mehreren Studien konnte sie etwa gemeinsam mit Claus Lamm und Henryk Bukowski neue Erkenntnisse über die Bedingungen von Empathieempfinden und antisozialen Persönlichkeitsstörungen wie Autismus zu Tage fördern. Lesen Sie mehr (Foto: Flickr.com/Sean MacEntee; CC-BY 2.0)

Interdisziplinär und multimodal

In ihrem aktuellen Forschungsprojekt will die Wissenschafterin sowohl das primäre Belohnungssystem als auch jenes für soziale Belohnungen genauer unter die Lupe nehmen. Hierfür setzt sie auf einen interdisziplinären Ansatz aus Psychologie, Biologie, Physik sowie Chemie und kombiniert hochtechnologische Analysetechnologien, wie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), mit psychopharmakologischen Methoden. "Es geht auch darum, das Neuro-Imaging mit der Psychopharmakologie zu verbinden, um die chemischen Prozesse im Gehirn besser zu verstehen", betont Silani.

Bei der Magnetresonanztomographie (MRT) werden mithilfe eines starken magnetischen Feldes und Radiowellen im Körper Radiosignale erzeugt. Diese Signale werden von speziellen "Antennen" aufgezeichnet und dazu verwendet, Schnittbilder des menschlichen Körpers zu erstellen. Funktionelle MRT ist eine Variante dieser Technik, die es ermöglicht, sowohl die Struktur als auch die Aktivität des Gehirns sichtbar zu machen. (Foto: Universität Wien)


Vom "Wollen" und "Mögen"

Und was genau hofft die gebürtige Italienerin, über diese Experimente herauszufinden? "Wir wollen zwei Belohnungssysteme erforschen, jenes für das 'Wollen' und jenes für das 'Mögen', und uns ansehen, in welchen Hirnarealen diese beiden Systeme abgewickelt werden, wie sie zusammenhängen, ob man sie voneinander loskoppeln kann und wie sie beeinflusst werden können", fasst die Forscherin ihre Projektziele zusammen.

Dass diese beiden Belohnungssysteme – "Wollen" (engl. "Wanting") und "Mögen" (engl. "Liking") – unterschiedlich sind und biologisch gesehen getrennt voneinander arbeiten, weiß man von Versuchen mit Mäusen. "Das 'Wollen' steht für den Aufwand, den das Tier betreibt, um eine bestimmte Belohnung zu bekommen. Das 'Mögen' ist das Vergnügen, das das Tier hat, wenn es seine Belohnung erhält", erklärt Silani den Unterschied.

Laut veröffentlichten Studien lernten Mäuse, einen Hebel zu betätigen, um eine Belohnung zu bekommen. Je öfter sie darauf drückten, desto größer fiel die Belohnung aus. "Auf diese Weise kann das Wollen messbar gemacht werden", erläutert Silani: "Auch das Mögen lässt sich messen, indem man zum Beispiel den Gesichtsausdruck der Tiere beobachtet, wenn sie die Belohnung bekommen." (Foto: Flickr.com/Kim Carpenter CC-BY 2.0)

Von Mäusen zum Menschen

Diese Erkenntnisse aus der Tierwelt wollen die Psychologin und ihr Team nun erstmals auch am Menschen überprüfen. "Wir glauben, dass es eine große Ähnlichkeit der Systematik gibt. Bei den Belohnungssystemen der Mäuse wird dieselbe Gehirnstruktur aktiv wie beim Menschen." Um diese These zu überprüfen, sind mehrere Testreihen mit rund 500 ProbandInnen geplant.

Die TeilnehmerInnen erwartet ein interessantes Programm. "Wir testen zuerst das primäre Belohnungssystem am Beispiel von Essen und überprüfen, inwiefern sich das Wollen und Mögen durch die Zugabe von chemischen Stoffen wie Dopamin und Opiaten manipulieren lässt", schildert die Psychologin. Die Auswirkungen werden anschließend mit verschiedenen bildgebenden Scan-Verfahren direkt im Gehirn beobachtet. Auch die soziale Belohnungsebene wird erfasst. "Es gibt mehrere Ideen, wie wir das testen können, etwa durch eine sanfte Berührung von einer Person, die man sehr gern hat", verrät Silani.

Testpersonen gesucht:
Wer an einer Teilnahme an den Experimenten interessiert ist, kann sich jederzeit direkt per E-Mail (giorgia.silani(at)univie.ac.at) an Giorgia Silani wenden: "Wir suchen Testpersonen zwischen 18 und 45 Jahren. Als Dankeschön fürs Mitmachen gibt es je nach Zeitaufwand eine Entschädigung von 50 bis 100 Euro", lädt die Forscherin ein.

Autismus im Fokus

Im Rahmen der geplanten Experimente will sich Silani zudem auch noch einem ganz besonders spannenden Thema widmen, das sie mittlerweile seit knapp zehn Jahren beschäftig: dem Autismus. "Bei betroffenen Personen kommt es zu einer Störung einer spezifischen Komponente des sozialen Belohnungssystems. Die Folge ist, dass die Motivation sinkt, mit anderen Menschen zu interagieren. Das löst eine Kettenreaktion aus: Fehlt die soziale Motivation, kann man auch keine Fähigkeiten entwickeln, die notwendig sind, um die Gedanken und Emotionen von anderen Menschen zu erkennen", erläutert die Wissenschafterin. "Wenn wir die Belohnungssysteme im Gehirn besser verstehen, können wir vielleicht auch die Symptome dieser Krankheit lindern", so Silani. (ms)

Das WWTF-Projekt "'Wanting' and 'Liking': The Neurochemical and Neurocognitive Basis of Primary and Social Reward in Humans" unter Leitung von Giorgia Silani, PhD läuft seit 1. Mai 2016 bis zum 30. April 2020. ProjektpartnerInnen sind Ass.-Prof. Dr. Christoph Eisenegger (Institut für Psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden) und Prof. Raffaella Rumiati (SISSA, Triest, Italien).