Wenn der Krampus umgeht

Krampus-Events erleben derzeit einen beispiellosen Boom. Allein im Salzburger Gasteinertal sind heuer 97 "Passen" (Krampusgruppen) unterwegs. Ein Team vom Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien untersucht die sozialen, kulturellen und ökonomischen Aspekte dieses Trends.

Das Auftreten der "wilden Gestalten" ist heute nicht mehr auf den 5. und 6. Dezember oder auf eine Begleitung des heiligen Nikolaus beschränkt: Vielmehr hat der Krampus von Mitte November bis knapp vor Weihnachten Saison. Während dieser Zeit steht die Krampus-Figur im Zentrum vielfältiger kultureller Praktiken an der Schnittstelle von Ritual und Performance, visueller Kultur, populärer Jugendkultur sowie der Inszenierung und Gestaltung lokaler Identitäten.

"Der Krampus ist dabei in vielschichtige, teils widersprüchliche und umstrittene ökonomische und politische Kontexte eingebettet", erklärt Gertraud Seiser vom Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien und nennt als aktuelles Beispiel die Medienberichterstattung zu einem Vorfall beim diesjährigen Krampuslauf in Tamsweg (Lungau), wo ein Teilnehmer beim Zeigen des Hitlergrußes gefilmt worden ist.


Ob der Krampus nun keltischen, germanischen Ursprungs ist oder auf die Passionsspiele der Gegenreformation zurückgeht, darüber sind sich Heimat- und Volkskultur-AkteurInnen uneins. Auch Gegensätze wie "Echt vs. falsch" oder "Brauchtumsmasken vs. Futuremasken" werden von "Krampus-AkteurInnen" heiß diskutiert. Im Bild: Gertraud Seiser auf Feldforschung vor dem Krampuslauf in St. Johann im Pongau. (Foto: Wolfgang Stuchlik)



Krampus-Veranstaltungen in den USA


In den vergangenen 20 Jahren wurden in vielen Dörfern und Städten in Österreich neue Krampus-Traditionen etabliert. Der Krampus hat aber auch seinen Siegeszug um die Welt angetreten: "In den USA gibt es mittlerweile mehr als hundert Krampus-Veranstaltungen jährlich", erzählt Matthäus Rest, Lektor am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, der in den vergangenen Wochen die 2013 gegründete "Krampus Los Angeles" besucht hat.

"Der Krampus ist längst in eine globale Populärkultur eingegangen", fügt Rest hinzu: "Wir beobachten beispielsweise, dass er zunehmend auch in US-Fernsehproduktionen der Vorweihnachtszeit auftaucht." Auch in Europa werde er als Werbesujet immer interessanter, da er Produkten offenbar in hohem Maß alpine Authentizität verleihe, so die Kultur- und SozialanthropologInnen.


Längst ist der Krampus in eine globale Populärkultur eingegangen: Die Band "Krammpstein" beim Krampus Ball in Highland Park, Los Angeles. (Foto: Matthäus Rest)



Der Krampus als Touristenattraktion

Krampus-Performances bilden auch einen Bestandteil des internationalen "Adventtourismus" in Österreich. In Salzburg ist der Adventmarkt nach der Festspielzeit ökonomisch gesehen die zweitgrößte Touristenattraktion. "Krampusse sind neue Akteure auf der Bühne von Event- und Erlebniswelten und leisten einen Beitrag zur Gestaltung vorweihnachtlicher touristischer Räume – man denke z.B. an die beinahe täglichen Krampus-Läufe in der Salzburger Altstadt", so Elke Mader. Den SozialwissenschafterInnen zufolge haben sich in den vergangen Jahren aber nicht nur die Szenarien und Kontexte, sondern auch die beteiligten AkteurInnen vervielfacht.


Im Zentrum des Salzburger Krampus-Geschehens steht meist eine Gruppe – die sogenannte "Pass" –, die sehr unterschiedliche interne Strukturen und Größe aufweisen kann. (Foto: Elke Mader)



Ethnographisches Forschungsprojekt

An der Universität Wien arbeiten Matthäus Rest und Gertraud Seiser bereits seit 2011 zum Thema Krampus. Am ethnographischen Forschungsprojekt sind auch Studierende des Instituts für Kultur- und Sozialanthropologie beteiligt: "Während einer ersten Feldforschung im Gasteinertal im Herbst 2011 wurde etwa die Erscheinungsform des Krampuslaufs untersucht, die als die Traditionellste gilt", erzählt Seiser.

Die Masterarbeit von Ilona Grabmaier, die in diesem Kontext entstanden ist, wurde mit dem Johanna-Dohnal-Förderpreis 2014 ausgezeichnet. Der Kultur- und Sozialanthropologie-Student Rudolf Pinto do Amaral erhielt für seinen ethnographischen Film zu Dynamik und Veränderungen der Krampus-Praktiken das Jahresstipendium für Film des Landes Salzburg. 


Für ihre Maske geben Krampusläufer schon einmal mehrere Monatslöhne aus. Maskenschnitzer gibt es viele: von international ausgebildeten Künstlern, regional geschulten Kunsthandwerkern bis zu ungeschulten und ungeübten Hobbyschnitzern. (Foto: Elke Mader)



Stadt Salzburg und Umland im Fokus


Seit Herbst 2013 konzentrieren sich die ForscherInnen nun gemeinsam mit der Mythen- und Ritualspezialistin Elke Mader und den rund 20 TeilnehmerInnen eines Feldpraktikums zur Methodenausbildung auf die Stadt Salzburg: "Um einen tieferen Einblick in die Krampus-Events in und um die Stadt zu bekommen, die teilweise von mehreren tausend ZuschauerInnen besucht werden", so die ForscherInnen. Sie wollen den Krampus-Trend in den kommenden Jahren mit den multiperspektivischen Ansätzen der Kultur- und Sozialanthropologie systematisch erforschen.

So viel steht für die ForscherInnen jetzt schon fest: Der Krampuslauf ist ein soziales, ökonomisches und kulturelles Phänomen, das keineswegs nur im Kontext von Traditionen abgehandelt werden kann. (red)