Was Tauben in Hologrammen erkennen

"Wie beeinflusst die Art der Bilder, die man Tauben zeigt, die Bilderkennung", fragte sich die Forschungsgruppe um Kognitionsbiologin Ulrike Aust. Und entwickelte eine Multi-Stimulus-Box, die die Experimente auf diesem Gebiet revolutionieren könnte.

Man nehme zwölf Tauben, Fotografien, Hologramme, echte Objekte, jede Menge Hirnschmalz, mische alles gut durch, nehme sich zwei Jahre Zeit, und baue damit eine innovative Apparatur. So geschehen am Department für Kognitionsbiologie der Fakultät für Lebenswissenschaften. Sinn und Zweck hinter der High-tech-Lernforschungsinnovation? Das FWF-Projekt "The role of stimulus quality in picture-object recognition by pigeons".

Hauptpunkt des Projekts von Kognitionsforscherin Ulrike Aust und dem Physiker Romano Rupp von der Gruppe Physik Funktioneller Materialien: Die WissenschafterInnen wollten eine Multi-Stimulus-Box entwickeln, "die es uns ermöglicht, verschiedene Reiztypen zu testen." Am Computer ist man bekanntlich auf zweidimensionale Bilder beschränkt. "Recht unnatürlich", befindet die Kognitionsforscherin. Außerdem wurde das Computerbild für das menschliche Sehvermögen entwickelt. Tauben, ihre Forschungsobjekte, hätten aber anders als Menschen vier, vielleicht sogar fünf Rezeptor-Typen für das Farbsehen. "Das heißt, dass sie die Farben wahrscheinlich ganz anders wahrnehmen. Vieles sei über das Sehvermögen der Tauben noch unbekannt, sagt sie. "Sie sehen wohl Nuancen, die wir nicht wahrnehmen können. Beim Blau-grün-Sehen sind sie sehr gut, auch im Orange haben sie ein Maximum. Außerdem sehen Tauben sehr wahrscheinlich ultraviolett. Auch Details auf große Entfernungen sind kein Problem für sie." 


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"Fokus Kognition"



Kognitive Ebene


Wirklich spannend wird es für die Zoologin Aust aber, wenn sie herausbekommt, inwieweit sich all das auf der kognitiven Ebene auswirkt. "Wie beeinflusst die Art der Bilder, die man Tauben zeigt, die Bilderkennung? Die große Frage lautet: Könnten Tiere erkennen, was auf Bildern drauf ist? Sehen sie in den Bildern eine Repräsentation des echten Objektes oder nur sinnlose Muster, die sie – aufgrund von Belohnung oder Nicht-Belohnung – lernen zuzuordnen?"

Mit dem neuen Apparat, der so genannten Multi-Stimulus-Box, können die ForscherInnen den Tieren Fotografien zeigen, aber auch echte Objekte können aufgesteckt werden. Das wirklich Neue an der Apparatur: "Wir arbeiten mit Hologrammen als Reiz. Sie bieten den Vorteil, dass man sie nicht angreifen kann", sagt die Wissenschafterin. Vorteil? "Sie leiden nicht unter Abnützungserscheinungen, wie Zerkratzen oder Ausbleichen. Aber vor allem: Hologramme sind sehr flexibel. Man kann von einem einzigen Objekt ausgehend verschiedene Hologramme anfertigen, indem man z.B. Größe oder Farbe verändert." Hergestellt wurden sie übrigens vom Physiker Josef Aringer, der auch für Laser und Laserelektronik zuständig war.


Mit der neue entwickelten Multi-Stimulus-Box können verschiedene Reiztypen getestet werden.



"Hologramme sind mit dem Objekt physikalisch ident. Sie bieten echte dreidimensionale Information. Man kann daher so die Bedeutung der dritten Dimension für die Bilderkennung gut erforschen", preist Aust die Vorteile. Und: Man könnte UV-Hologramme produzieren. Austs Vision: "Ein Laser projiziert ein Hologramm, das Menschen nicht sehen können, Tauben aber müssten reagieren – das würden wir gerne abtesten", sagt sie.

Wie aber geht man das an, Dr. Aust? Das ist der Moment, in dem Perdita, Solitaire, Mayday, Thadäus und wie sie alle heißen, ins Spiel kommen – die eigentlichen Forschungsobjekte. "Die Hologramme werden auf dem Apparat angebracht", erzählt die Lernforscherin. "Die Taube sitzt in einer Box, die an die Apparatur angedockt wird und hat ein Sichtfenster, in Form einer Pickscheibe, durch die sie das Objekt, das Foto, oder das Hologramm sieht. Durch Belohnung (Futter) oder Nicht-Belohnung (kein Futter) erlernt sie, was sie tun soll — picken oder nicht picken."
Die ForscherInnen haben vorher ein Objekt als positiv und eines als negativ bestimmt. "Die Taube wusste das natürlich nicht, sondern musste es durch Versuch und Irrtum herausfinden."


Durch das Zeigen von Hologrammen wird die Bedeutung dreidimesionaler Information für die Bilderkennung erforscht.



Neue Erkenntnisse


Erste Ergebnisse haben gezeigt, dass Tauben lernen können, Hologramme voneinander zu unterscheiden (wenn auch aus noch nicht ganz geklärten Gründen etwas langsamer als die entsprechenden Objekte). "Danach konnten sie auch die echten Objekte richtig klassifizieren. Umgekehrt können Tauben, die gelernt haben, die echten Objekte zu unterscheiden, anschließend auch Hologramme dieser Objekte richtig einordnen. Das zeigt, dass Tauben offenbar tatsächlich Objekte und Hologramme als äquivalent behandeln", fasst Aust zusammen. Weiterführende Tests hätten gezeigt, dass sie auch auf größere und kleinere Versionen der Trainingsstimuli, sowie auf neue Ansichten derselben generalisieren können. Weiters gebe es erste Hinweise darauf, dass die Tauben die gezeigten Hologramme mit Objekten, die in ihrer Voliere platziert sind, in Verbindung bringen können.

Übrigens: Claudia Stephan hat die Experimente gemacht und schreibt ihre Doktorarbeit darüber. Eines der Superhirne hinter der Konstruktion der innovativen Box war der Physiker Michael Steurer, der unter anderem Steuerungselektronik und Software entwickelt hat. Wolfgang Berger habe die Box gebaut und viele kreative Ideen eingebracht, "denn das Gerät ist nicht am Reißbrett entstanden", erzählt Projektleiterin Ulrike Aust abschließend.