Warum verschwinden Afrikas Flamingos?

Forscher des Departments für Limnologie und Ozeanographie der Universität Wien erklären, warum an Afrikas Sodaseen von Zeit zu Zeit hunderttausende Flamingos verschwinden: Dahinter steckt ein Kaskadeneffekt, der am Anfang der Nahrungskette beginnt.

In den im ostafrikanischen Rift Valley gelegenen Sodaseen – der bekannteste ist der im Lake-Nakuru-Nationalpark in Kenia gelegene Nakurusee – leben 1,5 bis 2,5 Millionen kleine Flamingos (Phoeniconaias minor). Das sind etwa 75 Prozent des weltweiten Vorkommens dieser bedrohten Art.

"Wenn an diesen Seen Massen von Flamingos dicht an dicht gedrängt im seichten Wasser umherstapfen und nach Nahrung suchen, ist das ein wirklich beeindruckendes Naturspektakel. Die Hauptnahrungsquelle der Flamingos ist die schnellwüchsige und in Massen vorkommende Blaualge, auch Cyanobakterium (Arthrospira fusiformis) genannt, die den Vögeln auch ihre rosa Farbe gibt", so Peter Peduzzi, weltweit renommierter Virenökologe vom Department für Limnologie und Ozeanographie der Universität Wien. Er arbeitet seit über 20 Jahren als mikrobieller Ökologe an der Bedeutung von Viren in aquatischen Systemen.


Der Limnologe Michael Schagerl (rechts) entnimmt mit dem Planktonnetz eine Algenprobe am Lake Natron, Tansania.



Viren infizieren Cyanobakterien und lösen Kaskadeneffekt aus

Der kleine Flamingo ist also der Endkonsument einer kurzen Nahrungskette. Nun kommt es in Afrikas Sodaseen immer wieder zu einem massenhaften Absterben der Cyanobakterien, von denen die Flamingos abhängig sind. Im Rahmen einer Studie am Nakurusee hat das Team der Universität Wien rund um den Virenökologen Peter Peduzzi und den Algenforscher Michael Schagerl zum ersten Mal geklärt, warum es zum Algensterben kommt, und wie dieses mit dem wiederholt auftretenden Verschwinden der örtlichen Flamingo-Populationen zusammenhängt.

Auslöser sind Viren: "Wir konnten im Wasser des Nakurusees nicht nur die größte bisher in einem natürlichen aquatischen Lebensraum gemessene Virenhäufigkeit feststellen, sondern auch eine mit dem Algen-Zusammenbruch einhergehende, hohe Infektionsrate bei den Cyanobakterien herausfinden", erklärt Virenökologe Peter Peduzzi. Während dieser Infektionsphase reduzierte sich, parallel zur Abnahme ihrer Hauptnahrungsquelle, auch die Flamingo-Population von über 1,25 Millionen auf ca. 1.500 verbleibende Individuen am Ende der Untersuchungsperiode."

Damit konnten die Forscher nachweisen, dass Viren einen Kaskadeneffekt in der Nahrungskette und in der Folge den Zusammenbruch einer Population von Endkonsumenten auslösen können.


Arthrospira bildet in den Seen eine dichte Biomasse, die spinatähnlich aufrahmen kann. Man kennt Blaualgen auch aus dem Reformhaus, als "Spirulina platensis". Kommt es in den Flamingoseen zum Zusammenbruch der Algenpopulation, hat dies Auswirkungen auf das nächste Glied der Nahrungskette. (Foto: Michael Schagerl)



Weitere Untersuchungen zu Kaskadeneffekten in Nahrungsketten


Die Studie unterstreicht das ökologische Potenzial von Viren als Verursacher von Kaskadeneffekten in Nahrungsketten. Dieser Sachverhalt könnte möglicherweise auch in vielen anderen, auf diesen Effekt noch nicht untersuchten aquatischen Nahrungsnetzen vorkommen. Für die Forscher stellt sich auch die Frage, ob längerfristige Klimaveränderungen, z.B. Erwärmung und ausgedehnte Trockenperioden im Gebiet des Rift Valley, in Zukunft als Stressfaktoren häufigere Zusammenbrüche der Grundlage im Nahrungsnetz bewirken könnten. (vs)

Das Paper "The virus’s tooth: cyanophages affect an African flamingo population in a bottom-up cascade" (Autoren: Peter Peduzzi, Martin Gruber, Michael Gruber, Michael Schagerl) erschien am 16. Jänner 2014 im "The ISME Journal" (Nature Publishing Group).