Vom Bauplan einer Galaxien-Metropole

"Wir blicken zehn Milliarden Lichtjahre in die Vergangenheit": Ein internationales Team um Helmut Dannerbauer und Bodo Ziegler von der Universität Wien gelang es, mit Hilfe des APEX-Teleskops neue Erkenntnisse über die Entstehungsphase unseres Universums zu gewinnen.

Galaxienhaufen sind die größten gravitativ gebundenen Strukturen im Universum und ihre Entstehungsweise ist eine intensiv erforschte Frage in der heutigen Astronomie. Der "Spinnennetz-Galaxienhaufen" (in Fachkreisen auch unter dem Namen MRC 1138-262 bekannt) wird schon seit 20 Jahren, u.a. mit Teleskopen der Europäischen Südsternwarte ESO, "in den Blick" genommen. Es handelt sich hier um einen "Proto-Galaxienhaufen", einen noch in der Entstehung begriffenen Galaxienhaufen. "Durch die große Entfernung des Objekts blicken wir hier unvorstellbare zehn Milliarden Lichtjahre in die Vergangenheit, also in die Frühzeit unseres Universums", erklärt Helmut Dannerbauer vom Institut für Astrophysik der Universität Wien.

Die "dunkle Seite der Sternentstehung"

    
Helmut Dannerbauer und sein Team haben sich die "dunkle Seite der Sternentstehung" in MRC 1138-262 genauer angesehen. Es galt herauszufinden, wie die Sternentstehung im "Spinnennetz-Galaxienhaufen" hinter großen Massen von lichtundurchlässigem interstellaren Staub – im astrophysischen Sinn kleine Festkörper-Partikel – stattfindet. Dazu nutzte das Team die LABOCA-Kamera am APEX-Teleskop. Das Atacama Pfadfinder Experiment (APEX) ist ein 12-Meter-Teleskop für Submillimeter-Astronomie und befindet sich in 5.100 m Seehöhe in der Atacama-Wüste Chiles. Von diesem weltweit höchstgelegenen Observatoriumstandort wurde der "Spinnennetz-Galaxienhaufen" bei Wellenlängen im Millimeterbereich für insgesamt 40 Stunden beobachtet. Bei diesen Wellenlängen, die sich im Übergangsbereich zwischen Infrarot- und Radiostrahlung befinden, leuchtet der Staub, anstatt absorbierend zu wirken.


Aufnahme des Spinnennetz-Galaxienhaufens mit dem APEX-Teleskop (Foto: eso1431b)



Abseits des optischen Zentrums


Die APEX-Beobachtungen zeigten, dass es im "Spinnennetz-Haufen etwa vier Mal mehr massereiche Protogalaxien – also Galaxien im Entstehungsstadium – gibt als in dessen Umfeld. Helmut Dannerbauer erklärt dazu: "Die neuen APEX-Beobachtungen enthüllen uns eine kosmische Baustelle, auf der es ebenso staubig zugeht wie auf einer irdischen Großbaustelle. Was uns jedoch überrascht hat: Wir detektierten eine große Menge an Strahlung, die nicht, wie erwartet, aus dem Zentralbereich des Galaxienhaufens stammt. Dies könnte zu einem besseren Verständnis des Entstehungsmechanismus von elliptischen Galaxien in Galaxienhaufen beitragen." Und er fügt hinzu: "Zum besseren Verständnis der gewonnen Ergebnisse sind weitere Beobachtungen, u.a. mit dem neuen ALMA-Teleskopsystem der ESO, erforderlich."

Bodo Ziegler, Leiter des Instituts für Astrophysik der Universität Wien, zeigt sich begeistert: "Wir wollten die verborgene Sternentstehung im Spinnennetz-Galaxienhaufen studieren, was uns auch gelang – aber wir stießen dabei auf ein neues Rätsel: nämlich auf Indizien für intensive Sternentstehung abseits des optischen Zentrums des Galaxienhaufens, wo wir sie nicht erwartet hatten!"

Die Publikation "An Excess of Dusty Starbursts Related with the Spiderweb Galaxy" (AutorInnen: H. Dannerbauer, J. D. Kurk, C. De Breuck, B. Ziegler et al.) erschien am 15. Oktober 2014 im Fachmagazin "Astronomy & Astrophysics."