Überwintern im Wienerwald

Seit zwei Jahren arbeitet ein Team rund um Walter Hödl über populationsökologische Aspekte des Feuersalamanders im Wienerwald. Eine neue Fotofalle erlaubt Einblicke in das Winterquartier des nachtaktiven Schwanzlurchs – das er sich mit erstaunlich vielfältigen Mitbewohnern teilt.

Die Schätzung der Populationsgröße des Feuersalamanders im Maurer Wald (23. Wiener Gemeindebezirk) sowie die Analyse der Wanderbewegungen einzelner Individuen sind die Kernthemen der Masterarbeit von Christoph Leeb.
"Seit März 2010 gehen wir regelmäßig in den Wald und suchen nach Feuersalamandern, wobei wir von jedem Tier die Position mittels GPS bestimmen und ein Foto der Rückenzeichnung machen. Dieses Muster von gelben Flecken auf schwarzem Grund ist einmalig wie ein Fingerabdruck und ermöglicht uns, die einzelnen Individuen zu erkennen und bei mehrmaligen Nachweis ihre Wanderbewegungen nachzuvollziehen", so der Nachwuchsforscher.

Gemeinsam mit Christoph Leeb bilden die Postdoktorandin – und seit kurzem "For Women in Science"-Stipendiatin – Eva Ringler und der PhD-Student Max Ringler den Kern der Arbeitsgruppe "Feuersalamander", die sich unter der Leitung von Walter Hödl mit der genetischen Erfassung der Population beschäftigen. Ergänzt wird das Themenfeld durch Arbeiten zur Larvenökologie des Feuersalamanders unter der Leitung von Günter Gollmann. Salamandra salamandra, so der wissenschaftliche Name des vorwiegend nachtaktiven Schwanzlurches, steht zusätzlich im Mittelpunkt eines Projektpraktikums, das sich allgemein mit der Populationsbiologie heimischer Amphibien beschäftigt.

Unterirdisches Massenüberwinterungsquartier

Bisher wurden bereits über 1.400 Datenpunkte bzw. mehr als 900 verschiedene Individuen im Maurer Wald erfasst. Basierend auf den Wiederfängen konnte bereits 2010 ein besonders strukturreiches Gebiet im Wald ermittelt werden, in das sich viele Feuersalamander in der kalten Jahreszeit zurückziehen.

Hier überwintern fast alle Tiere gemeinsam in einem kleinen unterirdischen Gang, möglicherweise einem alten Nagetierbau: "Solche Massenüberwinterungsquartiere sind zwar in der Literatur beschrieben, jedoch so gut wie überhaupt nicht näher untersucht. Unsere erste Idee bestand darin, eine Endoskopkamera einzusetzen, um herauszufinden, wie viele Tiere tatsächlich in dem Bau überwintern", schildert Leeb: "Das hat nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben, da wir nicht tief genug in das Spaltensystem vordringen konnten. Darum haben wir eine andere Methode entwickelt – die Fotofalle."

Lichtschranke vor dem Nagetierbau

Der Einsatz von Wildkameras ist in der Wildtierbiologie eine verbreitete Methode. Da diese Kameras jedoch vor allem auf Wärmebewegungen reagieren, sind sie für Fragestellungen in der Herpetologie (Amphibien- und Reptilienkunde) kaum anwendbar. "Deshalb wird unsere Fotofalle mit Hilfe einer vor dem Eingang aufgestellten Lichtschranke ausgelöst", erklärt der Biologiestudent. "Wenn ein Feuersalamander ins Winterquartier kriecht oder es wieder verlässt, unterbricht er den Infrarot-Strahl und löst somit die über ihm angebrachte Kamera aus. Auf diese Weise sind seit Mitte Oktober bereits über 13.000 Fotos entstanden, auf denen bis jetzt mehr als 150 verschiedene Feuersalamander zu sehen sind."


Über 150 verschiedene, im unterirdischen Gang überwinternde Feuersalamander hat das junge Team mit der neuen Fotofalle bereits aufgenommen. Im Bild ein Ausschnitt aus der Datenbank.



Wohngemeinschaft im Maurer Wald


Zudem konnte gezeigt werden, dass gemeinsam ("syntop") mit dem Feuersalamander auch Bergmolche (Ichthyosaura alpestris), Erdkröten (Bufo bufo), Springfrösche (Rana dalmatina) und Waldmäuse (Apodemus sylvaticus) den unterirdischen Gang bewohnen. Auch ein Rotfuchs (Vulpus vulpus) und ein Zaunkönig (Troglodytes troglodytes) wurden abgelichtet.

"Die Anzahl der fotografierten Individuen ist um ein vielfaches höher als erwartet", freut sich Christoph Leeb. "Bemerkenswert sind auch die zahlreichen Interaktionen zwischen den Tieren, die wir auf den Bildern beobachten können. Darum erhoffe ich mir, mit den gesammelten Daten Aktivitätsprofile der einzelnen Tiere erstellen zu können. Daraus können wir dann ablesen, wie die Aktivität der Tiere mit den Wetterbedingungen zusammenhängt."

Aktive Tiere

Apropos Aktivität: Die war diesen Winter durch die bis vor kurzem sehr milden Temperaturen besonders hoch. Zwischen Oktober und Jänner gab es nur eine Handvoll Tage, an denen kein Feuersalamander aktiv war (siehe Artikel "Wache Salamander" in uni:view). Vergleichsweise konnten im Winter 2010/11 zwischen Mitte November und Mitte Jänner gar keine Individuen mehr gefunden werden.


Bei milden Temperaturen sind die wechselwarmen Tiere aktiv: Im Bild zwei kämpfende Feuersalamander im Fotofallenbereich.



"Im laufenden Jahr soll der Einsatz der Fotofalle nun weiter ausgeweitet werden – und auch andere Einsatzmöglichkeiten, etwa zur Evaluierung von Amphibientunneln, sind denkbar", ergänzt Walter Hödl abschließend. (red)