Substanzen, die das Cholesterin aus der Zelle vertreiben

Am Department für Pharmakognosie der Universität Wien ist Atanas Atanasov überzeugt davon, dass die Natur der beste Arzt ist, und erforscht Naturstoffe, die bei kardiovaskulären Erkrankungen helfen können.

Atanas Atanasov macht sich Sorgen. Noch ehe er sich etwas über sein FWF-Projekt entlocken lässt, vergewissert er sich, dass an dieser Stelle nichts geschrieben steht, was nicht nach außen dringen soll: "Wissen Sie, unsere Forschung könnte in ein Patent münden", begründet der Biochemiker vom Department für Pharmakognosie seine Zurückhaltung. Daher müsse er vorsichtig sein. Atanasov erzählt dann aber doch, worum es im Projekt "Erhöhung des Cholesterin-Efflux aus Makrophagen durch Naturstoffe – Molekulare Mechanismen" geht: Er ist auf der Suche nach Molekülen, die den Cholesterin-Efflux erhöhen und so bei kardiovaskulären Erkrankungen helfen können.

Das bedarf einiger Erklärungen, die der junge Wissenschafter gerne liefert: "Wir untersuchen medizinische Pflanzen – bioaktive Substanzen. Einige aus der traditionell chinesischen Medizin sind für uns interessant, aber auch europäische Heilpflanzen sind dabei."

Wirken sie oder nicht?

Um an seine Pflanzen zu kommen, besteigt Atanasov natürlich keine Berge. "Wir arbeiten mit Kooperationspartnern, die uns die vielversprechenden Naturstoffe zur Verfügung stellen." Getestet wird dann in seinem Labor am Institut: "Dort haben wir eine Reihe von Zellkulturmodellen. Diese Zellen behandeln wir mit den Substanzen." Danach beobachtet der junge bulgarische Forscher, der an der Universität Sofia studiert hat und seinen Abschluss in Biochemie in Bern in der Schweiz gemacht hat, ob sie wirken oder nicht. Zum Einsatz kommt dabei eine Kombination verschiedener in vitro, in vivo und in silico Ansätze.

Molekulare Wirkmechanismen

Atanasov will natürlich auch herausfinden, wie genau die Stoffe wirken. "Am Anfang hatten wir keine Idee, was da in der Zelle vor sich geht", gesteht er. Jetzt rücken sie den molekularen Mechanismen näher – zum Beispiel, an welchen molekularen Rezeptor der Naturstoff andockt und ihn aktiviert. Doch: "Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, wie das funktionieren könnte, und die wollen wir in Phase zwei des Projektes erforschen."


Cortex Magnoliae (Hou Po) – eine Heilpflanze der Traditionellen Chinesischen Medizin,  aus welcher einige der bioaktiven Substanzen gewonnen werden.



Phase 2


Um zu erklären, wie die molekularen Wirkmechanismen funktionieren, holt Atanasov etwas aus. Atherosklerose ist – so viel ist bekannt – gemeinsam mit Bluthochdruck die Hauptursache für kardiovaskuläre Erkrankungen und weltweit die Hauptursache für Todesfälle. "Die Ablagerung von überschüssigem Cholesterin in atherosklerotischen Plaques und die Bildung Cholesterin-reicher pro-atherogener Makrophagen-Schaumzellen sind wichtige Schritte in der Pathogenese der Atherosklerose. Eine Steigerung des Cholesterin-Efflux von Makrophagen führt daher zu einem anti-atherosklerotischen Effekt", steht in seinem FWF-Projektantrag nachzulesen. Die Forschung nennt das den "Makrophagen-Cholesterin-Efflux". Atanasov: "Das ist der Grund, warum wir nach Substanzen suchen, die das Cholesterin aus der Zelle vertreiben."

Die Natur ist der beste Arzt

Moleküle identifizieren und charakterisieren, die den Cholesterin-Efflux erhöhen und zu einem besseren Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen beitragen, lautet daher der Forschungsauftrag. "Da Makrophagen spezialisierte phagozytierende Zellen des angeborenen Immunsystems sind, lautet unsere Arbeitshypothese, dass Naturstoffe, die (traditionell) gegen Entzündungskrankheiten eingesetzt werden, über die Modulation der Makrophagenaktivität wirken können."


Ein Blick durchs Mikroskop: Zu sehen eine THP-1 Makrophagen-Zellkultur, die für einige der Tests verwendet wird.



In ersten Experimenten haben die Wissenschafter also Naturstoffe untersucht, die aus Heilpflanzen isoliert wurden, und konnten tatsächlich Verbindungen identifizieren, die den Cholesterin-Efflux von Makrophagen stimulieren. "Wir haben bereits sechs sehr interessante Komponenten entdeckt. Für eine läuft das Patentverfahren", sagt Atanasov.

Auf die Frage, ob die Natur der beste Arzt sei, sagt Atanas Atanasov: "Das klingt sehr gut!" Es sei der Grund, warum er genau die Arbeit mache, die er eben mache. Und was erhoffe er sich, sobald das Projekt abgeschlossen ist? "Ein paar Patente, viele Publikationen und eine Fixanstellung – wenn möglich in Wien."

Das FWF-Projekt unter der Leitung von Dr. Atanas Atanasov vom Department für Pharmakognosie der Universität Wien startete im Juni 2013 und läuft noch bis Dezember 2016.