Spielende Integration: Der Mix macht's

Ein integrationsstiftendes Online-Game? Wer auf Facebook "YourTurn" spielt, kann mit MitspielerInnen Videoclips remixen und so Neues kreieren. Hinter dem Spiel steht ein interdisziplinäres Forschungsteam, das Internetnutzung und Freundschaftsstrukturen junger MigrantInnen untersucht.

Als "Positive Impact Games" bezeichnet man in der Welt der Bits und Bytes digitale Spiele, die nicht nur auf Unterhaltung, sondern auch auf gesellschaftlichen Wandel abzielen: "Unsere Intention war es, ein integrationsstiftendes Medium zu schaffen, das Jugendliche – MehrheitsösterreicherInnen und Teenager verschiedener Migrationshintergründe, nämlich aus der Türkei und Ex-Jugoslawien – zusammenbringt", erzählt die Projektleiterin Gerit Götzenbrucker, die gemeinsam mit einem transdisziplinären Team an diesem WWTF-Projekt arbeitet. Aufbauend auf Forschungsergebnissen, die diesen Medien integrationsstiftendes Potenzial zusprechen, untersuchen die WissenschafterInnen, ob und wie sich die sozialen Netzwerke der drei Gruppen – u.a. im Hinblick auf interethnische Freundschaften bzw. Einstellungen zu kulturellerVielfalt –durch das Spielen des Online-Games verändern.

Was Jugendlichen im Netz taugt

Dem Spielstart von "YourTurn" gingen arbeitsintensive Monate voraus: "Zunächst haben wir mittels qualitativer Interviews unter anderem erhoben, womit sich die Zielgruppe der 14- bis 17-jährigen WienerInnen – mit und ohne Migrationshintergrund – im Netz beschäftigt. Musik ist da als 'Begleiterin in allen Lebenslagen' ein eindeutig wichtiges Element. Aber nicht nur die akustische Wahrnehmung, sondern auch das dazugehörige Video, sprich: YouTube", so die Kommunikationswissenschafterin, die gemeinsam mit Vera Schwarz, Fares Kayali, Peter Purgathofer (TU Wien) und Barbara Franz (Rider University, NJ, USA) insgesamt 96 Interviews führte und dabei herausfand, was die Jugendlichen beschäftigt und bewegt. 48 dieser Jugendlichen wurden in das Forschungssetting aufgenommen.


"Diversität – Identität Call" des WWTF: Die im Rahmen des "Wiener Impulsprogramms für Geistes-, Sozial und Kulturwissenschaften" (GSK) geförderten Projekte beschäftigen sich aus verschiedenen disziplinären Blickwinkeln mit Aspekten von Diversität und Identität. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Fragen ethnischer Herkunft, Migration, interkultureller Mobilität, der Integration und des Zusammenlebens stehen dabei im Zentrum. Transdisziplinäre Forschungsteams schlagen eine Brücke zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.



Die ForscherInnen konzentrierten sich auf junge Menschen aus bildungsfernen Schichten und lernten ihre InterviewpartnerInnen in Jugendzentren, Streetworkeinrichtungen, Schulen sowie Lehrlingswerkstätten kennen. Nach der Auswertung der Interviews ging es in die Phase der Spielentwicklung, in der das WissenschafterInnenteam der Universität Wien und Technischen Universität Wien intensiv mit den Gamedesignerin des Studios Platogo zusammenarbeitete und immer wieder auch die Jugendlichen einband, um sicherzugehen, dass das fertige Online-Game auch tatsächlich deren Interessen – Musik, Videos, soziale Netzwerke – entsprechen wird.  

YourTurn: Wie funktioniert's?

Gespielt wird "YourTurn" auf Facebook, wo sich die UserInnen zuerst einen Nickname geben und einen Avatar – also eine künstliche Person – individuell gestalten, um sich dann auch schon ins "Remix-Getümmel" zu stürzen. Zu Punkten kommen die SpielerInnen nur durch Zusammenarbeit: Eine Person startet mit einer maximal 15 Sekunden langen Videosequenz, die aus einem YouTube-Video ausgewählt wird. Dann braucht es den Input einer anderen Gamerin bzw. eines anderen Gamers, die/der mit einer weiteren Sequenz anschließt, zunächst ohne dabei die SpielerInnen-Identität preiszugeben. Sobald das einminütige Set fertig ist, können die Beteiligten erfahren, mit wem sie dieses neue, kreative Video gebastelt haben. Je mehr "remixed" und kommentiert wird, desto mehr Punkte gibt es.


"24 der Interviewten aus dem Forschungssetting sind aktive SpielerInnen von 'YourTurn' – die andere Hälfte ist die Kontrollgruppe. Nur erstere werden von uns dabei beobachtet, wie sie miteinander agieren, welche Items verwendet werden, etc. Wir analysieren diese Interaktionen dann gemeinsam mit dem Netzwerkforscher Jürgen Pfeffer von der Carnegie Mellon University", erklärt Götzenbrucker. Darüber hinaus startet im Mai die zweite Interviewphase, in der die Jugendlichen zu ihren Spielerfahrungen befragt werden.



"Real life missons"

Gespielt wird aber nicht nur im World Wide Web, sondern auch im "richtigen Leben": Wer im sogenannten "Rec'n'Roll Bus" – einem mobilen Tonstudio – eigene Tracks abmischt, steigt im Level. Gemeinsam mit u.a. den Jugendzentren organisiert das Forschungsteam auch "Gamer-Parties": Ende April gab es in diesem Rahmen DJ- und Rap-Workshops. "Wir versuchen, rund um das Thema Musik einen Experimentierraum zu schaffen, indem sich Jugendliche auf einer wenig vorurteilsbelasteten Ebene – hier im virtuellen 'Spielraum' – frei entfalten und dann eben auch kennenlernen können", schließt Vera Schwarz mit dem Ziel dieses angewandten und interdisziplinären Forschungsprojekts. (dh)

Das Projekt "Serious Beats. Internetnutzung und Freundschaftsstrukturen von jungen MigrantInnen in Wien. Eine Analyse der integrationsstiftenden Potenziale von Sozialen Netzwerken und Online-Spielen" aus den Mitteln des Diversität - Identität Call 2010 des WWTF läuft von 1. Jänner 2011 bis 1. Jänner 2013. Ass.-Prof. Mag. Dr. Gerit Götzenbrucker, Privatdoz. vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft leitet das Projekt. ProjektmitarbeiterInnen sind Mag. Vera Schwarz vom Institut für Publizisik- und Kommunikationswissenschaft, Ao. Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Peter Purgathofer und Projektass. Dipl.-Ing. Dr. techn. Fares Kayali von der Technischen Universität Wien, Associate Professor Barbara Franz von der Rider University (USA) sowie Dr. Jürgen Pfeffer von der Carnegie Mellon University (USA).