Position der produktivsten Galaxien bestimmt

Mit Hilfe des Teleskopverbundes ALMA der Europäischen Südsternwarte ist Forschern unter Beteiligung von Astrophysiker Helmut Dannerbauer von der Universität Wien gelungen, mehr als hundert der produktivsten sternenbildenden Galaxien im Universum mit bislang unerreichter Präzision zu bestimmen.

Die Klasse der so genannten "Submillimetergalaxien" wurde vor etwa 15 Jahren entdeckt. In diesen Galaxien entstanden und entstehen so viele neue Sterne, dass diese Sternsysteme für einen erheblichen Teil der gesamten Energiefreisetzung aller Galaxien in der Geschichte des Universums verantwortlich sind.

Supermillimetergalaxien blieben bisher weitgehend unverstanden

Ein Nebeneffekt der Entstehung vieler – darunter auch massereiche – Sterne ist die Produktion beträchtlicher Mengen an Staubpartikeln. Tatsächlich sind Submillimetergalaxien im Extremfall so hinter Staubwolken verborgen, dass sie bei Beobachtungen mit sichtbarem Licht komplett unsichtbar bleiben. Erst im Licht elektromagnetischer Strahlung mit Wellenlängen zwischen einigen Zehntel Millimetern und einem Millimeter lassen sich diese Objekte vollständig erfassen. Ergänzende Daten stammen aus Infrarot- und Radiobeobachtungen. Viele Eigenschaften der Supermillimetergalaxien, etwa ihr sehr hoher Gehalt an kosmischem Staub, konnten bisher noch nicht widerspruchsfrei geklärt werden.

Neue detailreiche Beobachtungen der Galaxien mit ALMA

"Bisherige Submillimeter-Durchmusterungen dieser weit entfernten Objekte hatten stark mit mangelnder Detailschärfe zu kämpfen", erklärt Helmut Dannerbauer vom Institut für Astrophysik der Universität Wien. Eine Forschergruppe unter seiner Beteiligung hat jetzt eine große und trotzdem detaillierte Durchmusterung von mehr als hundert Submillimetergalaxien publiziert. Die Beobachtungen wurden mit dem Teleskopverbund ALMA (Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array) in Chile durchgeführt – und zwar mit einem Auflösungsvermögen, welches das früherer Durchmusterungen um mehr als das Zehnfache übersteigt.

Wie ein Riesenteleskop

"Für die Beobachtungen in der Himmelsregion 'Extended Chandra Deep Field South' wurden 15 der ALMA-Antennen so zusammengeschaltet, dass sie wie ein einziges Riesenteleskop mit einem Durchmesser von 125 Metern fungieren", so Dannerbauer. Und er fügt hinzu: "Im Endausbau wird ALMA eine so hohe Trennschärfe haben, dass man damit ein Objekt von der Größe eines Fußballtors auf dem Mond räumlich auflösen könnte."

Ein Rätsel gelöst

Das hohe Auflösungsvermögen der Durchmusterung half bei der Lösung eines Rätsels um die Submillimetergalaxien. Vorher sah es so aus, als würden sich in den hellsten dieser Galaxien mehr als tausend Mal schneller neue Sterne bilden als in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße. Bei solchen Sternentstehungsraten wären die betreffenden Galaxien Gefahr gelaufen, sich regelrecht auseinander zu sprengen. Jetzt haben die ALMA-Bilder dort, wo wir einzelne, hyperaktive Galaxien vermutet hatten, jeweils gleich mehrere kleinere Galaxien gezeigt – jeweils mit merklich moderaterer Sternentstehungsaktivität.

Präzise Lokalisierung von Objekten möglich

Die jetzt veröffentlichte Durchmusterung liefert eine solide Basis, auf der weitere Untersuchungen von Submillimetergalaxien aufbauen können. Astronomen nutzen verschiedene Arten von Strahlung, um Himmelsobjekte zu untersuchen. Aber das funktioniert nur, wenn man Objekte präzise lokalisieren kann – nur dann kann man sagen, ob eine Struktur, die man von einem Infrarotbild her kennt, mit einer bestimmten Struktur in den Submillimeterdaten identisch ist. Die jetzt veröffentlichte Durchmusterung zeigt, dass bisherige Versuche, Submillimetergalaxien auch in Infrarot- und Radiobildern zu identifizieren, mit großen Problemen zu kämpfen hatten. In etwa einem Drittel der Fälle kam dabei eine falsche Zuordnung heraus. Mit den neuen, genauen Submillimeter-Messungen können solche Fehler vermieden werden.

Weitere Untersuchungen folgen

Die Arbeit von Hodge und ihren Kollegen hat den Weg frei gemacht für die nächste Art von Untersuchungen: Beobachtungen bei noch höherer Auflösung, bei denen sämtliche 66 Antennen des inzwischen fertiggestellten ALMA-Antennenfeldes zum Einsatz kommen. Solche Beobachtungen versprechen Antworten auf die Frage, wie Submillimetergalaxien eigentlich entstehen: In dem aus heutiger Sicht plausiblen Szenario sind sie das Ergebnis der Kollision großer Galaxien. Die gegenseitige Gravitationsanziehung während der Kollision führt dabei zu einer Phase intensiver Sternentstehung. Hochauflösende Aufnahmen könnten Aufschlüsse über die Form der Galaxien geben und damit Spuren solcher Galaxienkollisionen sichtbar machen. (vs)

Die hier vorgestellten Ergebnisse von Jacquelinge Hodge, A. Karim,  I. Smail, A. M. Swinbank, F. Walter, A. D. Biggs, R. J. Ivison, H. Dannerbauer et al. erscheinen demnächst unter dem Titel "An ALMA Survey of Submillimeter Galaxies in the Extended Chandra Deep Field South: Source Catalog and Multiplicity” im Astrophysical Journal.