Plastik und die Vermüllung der Welt

Plastikflasche am Strand

Plastik ist überall. Ein Großteil landet auf Mülldeponien, im Abwasser und selbst im arktischen Eis finden sich kleine zerriebene Plastikteilchen. Eine Forschungsplattform an der Uni Wien bündelt Expertise, um die Zusammenhänge von Plastik in der Umwelt und in der Gesellschaft zu untersuchen.

Mehr als acht Millionen Tonnen Plastik gelangen laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) jährlich in die Ozeane – also etwa ein Müllwagen Kunststoffabfall pro Minute. Bis 2050 soll es sogar mehr Plastikteilchen als Fische in den Ozeanen geben, lassen andere Studien aufhorchen. Die kleinen Plastikteilchen sammeln sich in den Fischmägen und belastet das Nahrungsnetz – möglicherweise bis hin zum Menschen.

Über Fachgrenzen hinweg

"Die Besorgnis über ein zunehmendes Umweltproblem wächst. Dabei wird Plastik vor allem in den Ozeanen intensiv untersucht. Betroffen sind aber ebenso unsere Flüsse und Seen", sagt der Meeresbiologe Gerhard Herndl, Leiter der neuen Forschungsplattform "PLENTY – Plastik in der Umwelt und Gesellschaft", die Expertise aus der Meereskunde, den Nanogeowissenschaften und den Sozialwissenschaften an der Universität Wien bündelt.

Gerhard Herndl vom Department für Limnologie und Bio-Ozeanographie der Universität Wien leitet die interdisziplinäre Forschungsplattform PLENTY. "Um die komplexen Wechselwirkungen zwischen Plastik und Umwelt sowie die damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen umfassend verstehen zu können, ist es höchste Zeit, sich über Fachgrenzen hinweg zusammenzutun." (© Universität Wien/Barbara Mair)

Plastik kontaminiert Proben

Dass Plastik seine unmittelbare Umwelt verändern kann, erfuhr Gerhard Herndl lange, bevor Plastik zu seinem Forschungsschwerpunkt wurde: "Im Labor haben wir schon früh gesehen: Jedes destillierte Wasser, das in eine Plastikflasche abgefüllt wird, wird umgehend kontaminiert. Es treten organische Moleküle aus dem Plastik aus, welche die Fluoreszenz des Wassers ansteigen lassen – und damit das Wasser etwa zum Verdünnen von Proben unbrauchbar machen."

Mittlerweile liegen schon viele Jahre der Plastikforschung in den Ozeanen hinter dem Meeresbiologen, der die Müllteppiche aus Kunststoffabfällen bei seinen Expeditionen selbst beobachten konnte und auch als Beiratsmitglied der "The Ocean Cleanup"-Initiative aktiv Bemühungen zur Entfernung des Plastiks aus den Weltmeeren begleitet.

Vom Treibgut bis zu Nanoteilchen

Plastikteilchen aus Kosmetika oder Kleidung spielen als Quelle der Verunreinigung dem bisherigen Stand der Forschung zufolge eine untergeordnete Rolle. "Die Studien zeigen, dass vor allem Plastiksackerl, PET-Flaschen und andere Einwegprodukte für die zunehmende Plastikbelastung in den Meeren und Gewässern verantwortlich sind", so Herndl.

Das Plastik schwimmt dabei in den verschiedensten Größenordnungen in den Meeren und Gewässern: Größere Kunststoffteile wie Sackerl oder PET-Flaschen zersetzen sich über die Zeit zu immer kleineren Teilchen, dem Mikroplastik (0,1 Mikrometer bis 5 Millimeter) sowie noch kleineren Partikeln im Nanomaßstab. Über andere Plastikeinträge, wie z.B. Reifenabrieb, ist bisher kaum etwas bekannt. 

Verhalten von Mikroplastik

"Das Plastik verhält sich über seine unterschiedlichen Größen auch unterschiedlich im Zusammenspiel mit den Organismen und Mikroorganismen im Wasser. Es kann in den verschiedenen Fraktionen unterschiedliche Mengen an Schadstoffen wie etwa Weichmacher freisetzen", sagt Thilo Hofmann.

Thilo Hofmann vom Department für Umweltgeowissenschaften ist mit seiner Arbeitsgruppe an der Forschungsplattform PLENTY beteiligt und stellvertretender Leiter der Plattform. (© Universität Wien)

Der Umweltgeowissenschafter bringt rund 20 Jahre Forschung an Nanopartikeln in die Zusammenarbeit ein: "Unsere Studien haben gezeigt, dass wir aus der Nanoforschung einiges zum Verhalten von Mikroplastik ableiten können und es viele Parallelen zwischen der Forschung an Nanoteilchen und Mikroplastik gibt."

Wie reagiert die Gesellschaft?

Welche Rolle spielen biotische Faktoren wie Mikroorganismen oder abiotische Faktoren wie Sonneneinstrahlung bei der Zersetzung des Plastiks in den Gewässern und Meeren? Welche Fraktionen des Plastiks gehen mit welchen Schadstoffen einher und wie beeinflussen sie ihre unmittelbare Umgebung?

An diesen Fragen wollen die MeeresbiologInnen und NanogeowissenschafterInnen von der Universität Wien im Zuge der Forschungsplattform PLENTY arbeiten. Unter Einbindung der Wissenschafts- und Technikforscherin Ulrike Felt will die Plattform zudem ausloten, wie die experimentellen naturwissenschaftlichen Daten zur Wirkung von Plastik von der Gesellschaft wahrgenommen werden.

Ulrike Felt vom Institut für Wissenschafts- und Technikforschung bringt die sozialwissenschaftliche Sicht in die Forschungsplattform ein: Wie reagiert die Gesellschaft auf Umweltprobleme? (© Universität Wien/derknopfdruecker.com)

"Welches Problembewusstsein in Sachen Plastik treffen wir bei den Bürgern und Bürgerinnen an? Wie gehen diese in der Folge mit dem neuen Wissen zu Plastik um? Verändert sich ihre Wahrnehmung des Problems und sehen sie darin die Basis für eine Veränderung im Umgang mit Plastikprodukten im Alltag – bis hin zu einer weitgehenden Reduktion? Am Beispiel der Plastikverschmutzung lässt sich wunderbar untersuchen, wie sich Bürger und Bürgerinnen in Bezug auf ein massives Umweltproblem mit hoher gesellschaftlicher Relevanz positionieren", sagt Ulrike Felt von der Fakultät für Sozialwissenschaften.
 
Plastik als Erfolgsstory mit Ablaufdatum?

Plastik ist ein extrem langlebiger und vielseitig einsetzbarer Werkstoff. Das begründet auch die Erfolgsgeschichte des Plastiks. Derzeit werden global 322 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr von der Industrie produziert – Tendenz steigend. Es mangelt aber an einem adäquaten Recycling. Man sei auf globaler Ebene betrachtet beim Kunststoff weit weg von einer Kreislaufwirtschaft, sagt Gerhard Herndl.

Gleichzeitig ist sauberes Wasser für einen Großteil der Weltbevölkerung zunehmend nur noch in zu zahlenden Plastikflaschen erhältlich – neben der zunehmenden Kommerzialisierung des Allgemeinguts Wassers stellen sich Fragen nach der Gesundheitsverträglichkeit von Plastikflaschen. "Wenn man nun auch noch berücksichtigt, dass Plastik aus Erdöl und damit einer endlichen Ressource beruht, sehen wir, wie vielschichtig das Problem Plastik ist. Wir sehen zudem, wie viele Ansatzpunkte es gibt, sich dem Problem zu nähern und zu klären, wie wir in Zukunft mit oder ohne Plastik leben wolle", so Herndl. (ly)

Der Beitrag ist im "Newsletter Forschungsverbund Umwelt" erschienen (Anmeldung). Seit Jahrzehnten wird an der Universität Wien in vielen Instituten erfolgreich zu Umweltfragen gearbeitet. Der Forschungsverbund Umwelt will diese exzellente Umweltforschung nach innen und außen sichtbarer machen.

Die Forschungsplattform "PLENTY - Plastik in der Umwelt und Gesellschaft" startete am 1. Mai 2018 unter der Leitung von Gerhard Herndl vom Department für Limnologie und Bio-Ozeanographie und ist vom Rektorat der Universität Wien zunächst für drei Jahre eingerichtet worden. Kooperationspartner sind neben der Fakultät für Lebenswissenschaften, die Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie (Thilo Hofmann) und die Fakultät für Sozialwissenschaften (Ulrike Felt). Forschungsplattformen der Universität Wien haben das Ziel, fächerübergreifende, innovative Forschungsvorhaben zu fördern. PLENTY ist eine von vier neuen Plattformen, die 2017 genehmigt wurden.