Pioniere am Donauufer

Wie verändert sich die Vegetation, wenn die Donau zur Baustelle wird? Die Auswirkungen flussbaulicher Maßnahmen auf Pflanzen in den Uferzonen der Donau-Auen erforscht der Vegetationsökologe Karl Reiter. Von Kartierung, Monitoring und den pflanzlichen "Pionieren" erzählt er im Interview mit uni:view.

Die Donau zwischen Wien und der österreichisch-slowakischen Staatsgrenze soll durch die Stabilisierung der Flusssohle für die Schifffahrt ertüchtigt werden. Gleichzeitig hat man sich zum Ziel gesetzt, den ökologischen Zustand der Donau-Auen zu verbessern. Geht das? Karl Reiter vom Department für Naturschutzbiologie, Vegetations- und Landschaftsökologie bejaht: "Die flussbaulichen Maßnahmen der via donau werden von Renaturierungs-Maßnahmen begleitet. Das bietet die Chance, das Ökosystem der Uferzonen und Nebenarme der Donau-Auen nicht nur zu erhalten, sondern gleich auch zu verbessern."
Im Rahmen zweier Pilotprojekte – bei Witzelsdorf und Bad Deutschaltenburg – wird auf kurzen Streckenabschnitten getestet, wie sich die Stabilisierung des Flussbetts sowie die Rückbaumaßnahmen auf das Ökosystem der Donau-Auen auswirken.

Diversität in der Au

Wirklich naturnah ist die Donau schon lange nicht mehr: Im Zuge der großen Regulierung des 19. Jahrhunderts wurde der Fluss begradigt und die Ufer verbaut. Uferrückbau und Gewässervernetzungen spielen daher eine bedeutende Rolle für den Schutz der Flora und Fauna. An der durch EU-Mittel finanzierten integrativökologischen Begleitplanung sind neben Reiter auch der Ökologe Christian Schulze und der Limnologe Hubert Keckeis von der Universität Wien beteiligt. Während sich Reiter mit der Vegetation der 30 Kilometer langen Strecke auseinandersetzt, beschäftigen sich die beiden Projektpartner mit der Tierwelt der Donau-Auen. Erforscht wird von ihnen alles, was dort kreucht und fleucht: von Fischen über Käfer bis hin zu Schmetterlingen. (Zum Dossier "Forschung an der blauen Donau")

(K)eine Katastrophe: Ökosystem im Umbau

Für den Vegetationsökologen Reiter sind es Schlagworte wie "Pionierpflanzen", "Vegetationskartierung" und "Monitoring", die seine Forschungstätigkeit am besten beschreiben. Das Ökosystem der Donau-Auen erklärt er so: "Im Nationalpark sind Katastrophen nicht katastrophal. Ein gesundes Auenökosystem ist dynamisch, es muss ständig unter Umbau stehen. Ein Hochwasser, das in bewohnten Gebieten schnell zum Desaster wird, ist in der Au positiv zu bewerten."


Die Purpur-Weide ist ein dicht buschiger Strauch, der bis zu sechs Meter in die Höhe wächst. Rote Triebe und anfangs purpurne Kätzchen kennzeichnen die Pflanze. In den Donau-Auen ist sie eine der ersten Pflanzen, die auf frischen Standorten, z.B. Schotterinseln, wächst. (Foto: Sten Porse/Wikipedia)



Denn bei einer Überschwemmung wird Material abgetragen und an einer anderen Stelle angelagert: So entstehen frische Standorte wie Inseln und Schotterbänke. Darauf wachsen die ersten Pionierpflanzen, beispielsweise Purpur-Weide und Rohrglanzgras. Sie bereiten den Lebensraum vor, wachsen, sterben ab, werden zu Humus. Langsam entsteht auf der Schotterinsel eine Vegetationsdecke, die höher wird und nach mehreren Jahrzehnten ihren Endzustand – die Klimax – erreicht. Dann sind dort u.a. Ulmen und Eschen zu bestaunen. Der Rückbau der im Zuge der Donauregulierung fixierten Uferzonen – die Ufer wurden mit großen Gesteinsbrocken befestigt, macht eine solche Dynamik möglich.


Auch das Rohrglanzgras, eine dem Schilfrohr ähnelnde Pflanzenart aus der Familie der Süßgräser, ist eine Pionierpflanze. (Foto: Kristian Peters/Wikipedia)



Natur unter Beobachtung


Doch zurück zum Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Begleitplanung. Ziel ist es, zu beobachten, ob und wie die flussbaulichen Maßnahmen zur Verbesserung der Schifffahrt die Vegetation und Tierwelt der Donau-Auen beeinflussen. Um hier eine Antwort zu finden, kartierten mehr als 20 Personen den gesamten Raum östlich von Wien. Diese Arbeit war die Grundlage für den Aufbau eines Monitoringsystems, das auf den beiden Teilstrecken initialisiert wurde.

"Die wissenschaftliche Herausforderung ist: Wo werden die Beobachtungspunkte für das Monitoringsystem gesetzt, wie werden sie verortet und gesichert? Wir arbeiten mit Fernerkundung und GPS-Verortungsmethoden", erklärt Reiter. Modernes technisches Equipment, Vegetationsexpertise und ein langer Atem – das ist seine Rezeptur für dieses Projekt: "Die Ergebnisse des Monitorings gibt es erst nach zwei, drei Jahren. Man muss geduldig sein. Wenn im kommenden Frühling in Witzelsdorf, wo das Monitoring schon länger läuft, die erste Wiederbeobachtungsphase abgeschlossen ist, wissen wir, ob das flussbauliche Gesamtprojekt zu einer dynamischen Au und somit zu einer höheren Biodiversität beitragen kann." (dh)

Dieser Artikel ist auch als Kurzversion in der aktuellen Ausgabe von "univie" (Alumni-Magazin der Universität Wien) erschienen.

Flussbauliches Gesamtprojekt Donau östlich von Wien:
Ass.-Prof. Mag. Dr. Karl Reiter forscht und lehrt am Department für Naturschutzbiologie, Vegetations- und Landschaftsökologie. Er leitet eine der drei Arbeitsgruppen, die in die ökologischen Begleituntersuchungen des "Flussbaulichen Gesamtprojekts" involviert sind. Das Projekt umfasst den Donauabschnitt östlich Wien vom Kraftwerk Freudenau bis zur österreichisch-slowakischen Staatsgrenze. Ziel ist die Verbesserung der Fahrwasserverhältnisse durch flussbauliche Maßnahmen ohne Staustufen unter besonderer Rücksichtnahme auf die ökologischen Bedürfnisse des Nationalparks Donau-Auen. Für die Planung und Umsetzung ist die Österreichische Wasserstraßen-GesmbH via donau verantwortlich. Finanziert wird es vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie sowie durch Mittel der EU (Förderprogramm TEN-T). Gesamtkosten ca. 220 Millionen Euro. Zur Projektwebsite