Nanopartikel im Heuhaufen gefunden

Wie lassen sich künstliche von natürlichen Nanopartikeln unterscheiden? Ein Team um die Umweltgeowissenschafter Thilo Hofmann und Frank von der Kammer hat eine weltweit einzigartige Analysetechnik entwickelt, technische Nanopartikel im sprichwörtlichen Heuhaufen zu finden.

Ob künstliche Nanopartikel in Kosmetika, Lebensmitteln oder Oberflächenwasser: Die Umweltgeowissenschafter Thilo Hofmann und Frank von der Kammer der Universität Wien sind international führend beim Aufspüren technischer Nanopartikel. Vor wenigen Jahren konnten sie etwa weltweit erstmals eine sehr geringe Belastung von Titandioxid-Nanopartikeln – künstliche Nanopartikel in Sonnencremes – in der Alten Donau nachweisen. Jüngst ist den Nanogeowissenschaftern ein weiterer Durchbruch gelungen: Gemeinsam mit WissenschafterInnen der ETH Zürich entwickelten sie eine einzigartige Methode, technische von natürlichen Nanopartikeln in Bodenproben zu unterscheiden.

Rein und schmutzig

Alle künstlichen Nanopartikel, die in Produkten enthalten sind, landen über kurz oder lang in der Umwelt. Welche konkreten Auswirkungen das hat, wird sich erst in Zukunft zeigen. Die Belastung durch diese kleinsten technisch hergestellten Partikel lässt sich dank von der Kammer und Hofmann bereits heute schon im Boden nachweisen. "Derzeit handelt es sich noch um sehr geringe Mengen. Das macht es auch so schwierig, sie zu finden und zu analysieren", so die Wissenschafter.

Einen wesentlichen Unterschied zwischen künstlich hergestellten und natürlich vorkommenden Nanopartikeln im Boden macht sich Frank von der Kammer zu Nutze: "Auch wenn sie gleich aussehen und eine ähnliche chemische Zusammensetzung haben, sind natürliche Nanopartikel, sogenannte Kolloide, fast immer 'schmutzig'. Das heißt, dass sie praktisch immer geringe Anteile anderer Elemente in oder an sich tragen, während künstlich hergestellte Nanopartikel 'rein' sind und nur aus einem oder wenigen Elementen bestehen." Dadurch sind sie bei Analyseverfahren leichter zu identifizieren.

Elementanalyse im Massenspektrometer

Bis dato arbeiteten NanowissenschafterInnen mit herkömmlichen Massenspektrometern – induktiv gekoppelte Plasma Massenspektrometrie (ICPMS) –, doch eignen sich diese nur für ganz spezifische Fragestellungen bzw. die Suche nach einem einzigen Element. Das Prinzip eines Massenspektrometers ist simpel: Unterschiedliche Elemente besitzen unterschiedliche Massen und lassen sich dadurch unterscheiden, messen und bestimmen.

Das Verfahren, das am Department für Umweltgeowissenschaften angewandt wird, unterscheidet sich aber von der traditionellen Messung. Es ist ein im Mikrosekunden-Bereich zeitlich aufgelöstes Messverfahren, ein sogenanntes Einzelpartikel-ICPMS. "So erhalte ich Angaben über die Anzahl der Partikel und auch über deren Größe", erklärt Hofmann: "Das Problem dabei ist allerdings, dass ich das Massenspektrometer immer bloß auf ein Element, z.B. Silber oder Titan, einstellen kann. Und da das Gerät immer das eingestellte Hauptelement misst, kann ich nicht unterscheiden, ob das Partikel nun technisch, also sauber, oder natürlich, sprich verunreinigt, ist."


Grafik: Department für Umweltgeowissenschaften

Komplettes Elementspektrum in nur 50 Mikrosekunden

Mit der "Time-of-Flight Massenspektometrie" und dem dazugehörigen Gerät haben die Umweltgeowissenschafter vor kurzem eine Technik gefunden, um die diversen Nanopartikel auf mehrere Elemente hin zu analysieren und damit zu unterscheiden. "Wir messen damit so geringe Konzentrationen – das war vorher nicht einmal im Ansatz möglich. Dabei hatte die wissenschaftliche Community zunächst Zweifel, ob diese Art von Messung überhaupt möglich sei", freut sich der Nanoexperte.

Time-of-Flight liefert in nur 50 Mikrosekunden ein komplettes Elementspektrum eines einzelnen, nur wenige 10er Nanometer großen Partikels. "Blitzartig schlägt das Gerät pro Partikel aus – und das Geniale dabei ist: Es zeigt die Reinheit des jeweiligen Partikels an, das heißt, wir können sofort erkennen, ob es ein künstliches Nanopartikel ist oder nicht", so von der Kammer.

Etwas problematisch an diesem Verfahren ist die unglaublich große Datenmenge, die bei den Messungen zustande kommt. Hier hat sich die Gruppe der UmweltgeowissenschafterInnen an einen Kollegen der ETH Zürich gewandt, der mit einem speziellen Verfahren des Machine Learnings den Datenwust drastisch verringern konnte. "Damit hatten wir die Lösung", so von der Kammer: "Eine weltweit einzigartige Analyse, die automatisiert und lernfähig ist, um technische von natürlichen Nanopartikeln zu unterscheiden."

Time-of-Flight an der Universität Wien

Bereits jetzt zählt die Nanogeowissenschaft an der Universität Wien zu den führenden Gruppen weltweit. Aufgrund des Erfolges der entwickelten Analysemethode wird die Universität Wien das Time-of-Flight Gerät in Kürze erwerben und damit zum führenden Nano- und Kolloidlabor weltweit avancieren. "Das ist ein großer Meilenstein für uns, der auf unserer Arbeit der letzten Jahre aufbaut", freuen sich die Nanowissenschafter: "Und die Arbeit geht jetzt erst natürlich so richtig los. In dem EU-Projekt 'ACEnano' wollen wir unser Analyseverfahren weiterentwickeln und optimieren – von der Software über Datenbanken bis hin zu neuen Methoden." (td)

Die Publikation "Single-particle multi-element fingerprinting (spMEF) using inductively-coupled plasma time-of-flight mass spectrometry (ICP-TOFMS) to identify engineered nanoparticles against the elevated natural background in soils" (AutorInnen: Antonia Praetorius, Alexander Gundlach-Graham, Eli Goldberg, Willi Fabienke, Jana Navratilova, Andreas Gondikas, Ralf Kaegi, Detlef Günther, Thilo Hofmann und Frank von der Kammer) erschien im Frühjahr 2017 im Fachjournal "Environmental Science: Nano". Die Publikation wurde vom Journal in die Top-10 der wichtigsten Publikationen gewählt.