Mobil im Bild sein

Eine Live-Fußballübertragung in der Straßenbahn, die Nachrichten in der U4 oder "Scrubs" am Weg vom Stephansplatz zur Freyung: mit Fernsehen über Handy & Co heute Realität. Doch der Durchbruch ist "Mobile TV" ob zahlreicher Qualitätsmängel noch nicht gelungen. In einem WWTF-Projekt widmet sich ein Team der Forschungsgruppe Entertainment Computing der Verbesserung der vorherrschenden Qualitätsmankos. Vor kurzem haben die ForscherInnen – in Kooperation mit dem Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft – mit der Produktion von Videomaterial für "Mobile TV" einen Meilenstein erreicht.

"Zwischen normalem Fernsehen und 'Mobile TV' bestehen sehr große Unterschiede, da die Rahmenbedingungen ganz andere sind. So ist der Bildschirm kleiner, die Empfangsstärke ändert sich laufend, der Abstand zwischen ZuseherInnen und Bildschirm ist kürzer und die Umgebung - Licht, Geräusche - wechselt öfters", erklärt Projektleiter Helmut Hlavacs, Leiter der Forschungsgruppe Entertainment Computing: "In unserem WWTF-Projekt – im Rahmen des IKT Calls 2008 das einzig bewilligte Projekt der Universität Wien – arbeiten wir daran, die Gesamtqualität von 'Mobile TV' zu steigern."

Neues Zeitalter

"Der Paradigmenwechsel vom Fernsehen zum 'Mobile TV' lässt sich durchaus mit jenem vom Kino zum TV vergleichen", so Projektmitarbeiterin Shelley Buchinger: "Wir haben es hier mit einem neuen Medium zu tun, daher können Fernsehformate nicht einfach eins zu eins übernommen werden." Alleine das Sehverhalten unterscheidet sich wesentlich: Eine Nachrichtensendung im Fernsehen von der Couch aus verfolgt, kann durchaus 30 Minuten dauern, ohne dass die Konzentration schwindet. Dagegen bleibt der/die durchschnittliche SeherIn von mobilem TV selten länger als drei Minuten bei einer Sendung. "Um hier die NutzerInnen zu erreichen ist es sinnvoll, eigene, kurze Formate für 'Mobile TV' zu entwickeln", erklärt Projektmitarbeiter Werner Robitza.

Unterschiedliche Problemlösungen

Um für die verschiedenen Problemfelder gezielte Lösungen anbieten und erarbeiten zu können, führte das Team um Hlavacs mehrere Experimente direkt mit UserInnen durch. Auch die Rahmenbedingungen für solche Tests – derzeit gibt es nur standardisierte Tests für Fernsehverhalten – wurden vom Team mit einem Partner aus Rom eigens für das WWTF-Projekt entwickelt. Dabei fanden die WissenschafterInnen z. B. heraus, dass es viel userfreundlicher ist, zwischen den längeren Kanalwechseln Werbung zu schalten, als nur einen schwarzen Bildschirm zu zeigen.

In punkto Tonqualität haben die InformatikerInnen ein "intelligentes Lautermachen" entwickelt: "Wir heben nur bestimmte Frequenzbänder an, je nach wechselnden Umgebungsgeräuschen, wie Straßen- oder Kaffeehauslärm. Die NutzerInnen haben darauf sehr positiv reagiert", so Hlavacs.

Vom Experiment zur Produktion

Die Erkenntnisse aus den Tests mit UserInnen und die technischen Verbesserungen aus mittlerweile eineinhalb Projektjahren sind in die Produktion von Videoclips – für die dramaturgische Erstellung war das Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft verantwortlich – eingeflossen. Entstanden sind so drei thematische Videoclips für "Mobile TV", jeweils auf Deutsch und Englisch, die eine Nachrichtensendung, ein Handballspiel und einen Orientierungslauf zeigen.

Das Besondere an diesen Clips ist nicht nur die direkte und praktische Umsetzung der Forschungsergebnisse, sondern dass diese Formate nun auch für weitere Experimente zur Verfügung stehen. Optimierungen, die das Team für die Videoclips entwickelte sind unter anderem Nachrichtenspots, die dem kürzeren Sehverhalten von "Mobile TV"-UserInnen entsprechen, eine verbesserte Bildqualität, insbesondere bei Bewegungsaufnahmen, wie etwa Sport, sowie ein an jeweilige Umgebungsgeräusche angepasster Ton.  

"Diese Videoclips, die für uns einen sehr wichtigen Meilenstein darstellen, stellen wir international der wissenschaftlichen Community für weitere Experimente mit UserInnen zur Verfügung", so Buchinger: "Wir selbst arbeiten natürlich ebenso mit den Clips, die wir in der jetzigen Projektphase an ZuseherInnen testen." Neben der Vernetzung in der wissenschaftlichen Community, in der Hlavacs und seine MitarbeiterInnen mittlerweile als ExpertInnen zum Thema "Mobile TV" gelten, laufen bereits mehrere Kooperationen mit der Industrie (Betreiber, Anbieter, etc.) und weitere sind in Planung. "Wir werden unsere Forschungen also auch nach dem Projektende – vorläufig geplant ist ein Abschluss Ende 2011 – gezielt weiterführen können", freut sich Helmut Hlavacs. (td)

 
Das WWTF-Projekt "Content-Aware Coding for Mobile TV" unter der Leitung von Ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Helmut Hlavacs läuft von Februar 2009 bis Ende 2011. Die ProjektmitarbeiterInnen der Forschungsgruppe Entertainment Computing sind MMag. Dr. Shelley Buchinger, Patrik Hummelbrunner, Matej Nezveda, Werner Robitza und Ing. Martijn Sack. Das Projekt ist eine interdisziplinäre Kooperation mit dem Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (Ass.-Prof. Ing. Mag. Dr. Klaus Lojka, MMag. DDr. Julia Wippersberg, Anna Kraft und Barbara Spiesberger).