"Ménage à trois" der Pflanzenentstehung?

Sind Pflanzen aufgrund einer Wechselwirkung zwischen tierischer Wirtszelle, Chlamydien und Cyanobakterien entstanden? Die Mikrobiologen der Universität Wien Daryl Domman und Matthias Horn zeigen nun gemeinsam mit einem englischen Forscherteam: Es gibt keine Hinweise auf diese "ménage à trois".

Vor hunderten Millionen Jahren wurde es mit einem Mal grün auf unserer Erde: Aus den ursprünglichen Einzellern, die bis dahin unseren Planeten bevölkerten, sind Tiere und Pflanzen hervorgegangen. Durch die Aufnahme bestimmter Bakterien entstanden im Laufe der Evolution Zellorganelle wie Mitochondrien: Diese sind charakteristisch für heutige tierische Zellen. "Das Phänomen nennt sich Endosymbiose. Es spielte nicht nur bei der Evolution von Tieren, sondern auch bei der Pflanzenentwicklung eine entscheidende Rolle", erklärt Matthias Horn vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung.

So haben sich z.B. Chloroplasten – wo sich die Photosynthese moderner Pflanzen abspielt – aus Cyanobakterien entwickelt, die vor über einer Milliarde Jahre in eine tierische Zelle integriert wurden. "Wie das aber genau passiert ist, und warum es ein einmaliges Ereignis war, auf das sich alle modernen Pflanzen zurückführen lassen, ist eines der großen Rätsel der Biologie", betont der Forscher.




Matthias Horn (li.) und Daryl Domman (re.) vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien haben gemeinsam mit einem Team der Newcastle University die viel diskutierte "Ménage à trois"-Hypothese widerlegt. (Foto: Frederik Schulz)



Waren Clamydien entscheidend?


Eine aktuelle Theorie besagt, dass eine weitere Gruppe an Bakterien für die erfolgreiche Etablierung von Cyanobakterien ausschlaggebend gewesen sein könnte: ExpertInnen sprechen dabei von der sogenannten "ménage à trois"-Hypothese. "Diese geht davon aus, dass der Vorläufer der Pflanzen mit urtümlichen Chlamydien infiziert war, als es zur Aufnahme von Cyanobakterien kam", erklärt Daryl Domman vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung. Heute sind Chlamydien als bedeutende Krankheitserreger des Menschen und Symbionten von Protisten ("einzellige Amöben") bekannt. Bereits seit Urzeiten sind sie auf die Infektion von tierischen Zellen spezialisiert.

Laut der "ménage à trois"-Hypothese könnten Chlamydien dem Vorläufer der Pflanzen ermöglicht haben, die Photosynthese-Produkte der Cyanobakterien zu nutzen. Möglicherweise war das der entscheidende erste Schritt bei der Etablierung von Cyanobakterien als Zellorganell.

Uralte Spuren im Erbmaterial

Die Mikrobiologen Daryl Domman und Matthias Horn sind nun gemeinsam mit einem Team der Newcastle University dieser Theorie nachgegangen. Mit Hilfe computergestützter Methoden haben sie im Erbmaterial moderner Pflanzen und Chlamydien nach Spuren der viel diskutierten "ménage à trois"-Hypothese gesucht. "Dafür haben wir die Stammbäume jener Gene, die mutmaßlich für die Wechselwirkung zwischen tierischer Wirtszelle, Chlamydien und Cyanobakterien verantwortlich waren, rekonstruiert", erklären die Wissenschafter der Universität Wien.

Mit Hilfe modernster phylogenetischer Verfahren haben sie nun die bekannte Hypothese widerlegt: Entgegen früherer Annahmen haben die Mikrobiologen gezeigt, dass die Evolutionsgeschichte dieser Gene keine Hinweise auf eine "ménage à trois" am Beginn der Pflanzenentstehung liefert. "Eine direkte Beteiligung der Chlamydien an der Evolution der Pflanzen ist daher eher unwahrscheinlich", fasst Horn die Forschungsergebnisse zusammen.

Die Rekonstruktion evolutionärer Ereignisse, die hunderte Millionen Jahre zurückliegen, stellt die Fachwelt auch in Zukunft vor große Herausforderungen – mit reichlich Platz für Spekulationen und Hypothesen. Einen wichtigen Diskussionsbeitrag dazu liefern die neuen Befunde der Wiener Forscher. (red)

Die Publikation "Plastid establishment did not require a chlamydial partner" (AutorInnen: Daryl Domman, Matthias Horn, T. Martin Embley, Tom A. Williams) erschien am 11. März 2015 in Nature Communications.