"Meine Forschung": Über neue Karriereformen

"Karriere machen" ist im alltagssprachlichen Verständnis mit sozialem Aufstieg gleichzusetzen, die Karriereleiter gilt als die Metapher hierfür. Inwiefern dieses Karrierebild noch der Realität entspricht, untersucht die Dissertation von Katharina Resch.

Die Erforschung linear-vertikaler Karrieren hat in der Soziologie eine lange Tradition. Die klassische Aufstiegskarriere in einem Unternehmen, die Laufbahnkarrieren von BeamtInnen oder auch die Abstiegskarriere zählen dazu. Ihnen liegt ein Karriereverständnis zugrunde, das zwei Gesichtspunkte beinhaltet: Einerseits ist Karriere mit einer schrittweisen Bewegung nach oben oder unten – dem Prinzip der Linearität – und andererseits mit einem Zugewinn oder Verlust von sozialem Status verbunden. 

Im uni:view-Dossier "Meine Forschung" stellen DoktorandInnen der Universität Wien ihre Forschungsprojekte vor. Das Dossier läuft in Kooperation mit dem DoktorandInnenzentrum.

 
Seitwärts-Karrieren

Neuere Forschungsarbeiten – vor allem auch aus den Wirtschaftswissenschaften und der Psychologie – gehen davon aus, dass in den letzten drei Jahrzehnten eine Pluralisierung von Karriereformen stattgefunden hat. Neue Formen der Karriere verlaufen nicht mehr rein linear; Karriereerfolg wird nicht mehr alleine am Zugewinn an sozialem Status gemessen. Forschende gehen davon aus, dass Aufstiegskarrieren in Zukunft nicht mehr so leicht möglich sein werden wie früher, etwa weil Unternehmen bei Führungspositionen einsparen und immer mehr ArbeitnehmerInnen an die sogenannte "gläserne Decke" stoßen ("plateauing").

Daher vervielfältigen sich Karriereformen und die Menschen weichen aus, sie bewegen sich "zur Seite". Diese Seitwärtskarrieren können als "horizontal-komplex" bezeichnet werden. Sie unterscheiden sich nicht nur in der Richtung ihrer Bewegung, sondern auch im Grad der Autonomie, der Definition von Karriereerfolg oder der Dauer der Zugehörigkeit zu einem Unternehmen.

Wie sieht eine horizontale Karriere aus?

In den neuen Karrieren, wie etwa in Fachkarrieren, Projektkarrieren oder sogenannten "chronisch flexiblen Karrieren" wird der Erfolg subjektiv definiert, und die Dauer der Zugehörigkeit zu einem Unternehmen ist episodisch. Hier wird die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung schon als Karriereerfolg interpretiert, auch ohne einen sozialen Aufstieg. Gemeinsam haben alle diese Karrieren, dass sie nicht vertikal-linear verlaufen, sondern horizontal-komplex.

Eine chronisch flexible Karriere beispielsweise zeichnet sich durch häufige Wechsel der Tätigkeit und der Expertise aus, der/die ArbeitnehmerIn wechselt alle drei bis fünf Jahre den Beruf oder verändert seine/ihre Tätigkeit vollständig. Das Muster dieser Karriereform ist ständiger Wandel und Veränderungsbereitschaft. Vielfalt und Unabhängigkeit werden dabei großgeschrieben.

Menschen, die hingegen Fachkarrieren anstreben, definieren Karriereerfolg als die Vertiefung ihrer Fachkenntnisse, z.B. im Projektmanagement oder in der Landwirtschaft, jedoch haben sie nicht den Wunsch, Führungsverantwortung zu übernehmen und in einem Unternehmen vertikal aufzusteigen. Sie bleiben ihrem Beruf ein Leben lang treu und streben danach, ihre Kenntnisse möglichst zu vertiefen und ExpertInnenstatus zu erlangen. Sie erreichen jedoch nie Spitzenpositionen.

Erstmals in der Soziologie

Die Dissertation von Katharina Resch untersucht erstmals die Wissensbestände in der Soziologie und den angrenzenden Disziplinen für vertikal-lineare und horizontal-komplexe Karrieren mittels einer Analyse von mehr als 200 Texten zu Karrieren. Die Texte werden mit minimaler und maximaler Kontrastierung geordnet, das heißt Texte mit Gemeinsamkeiten zusammen gruppiert. Die Arbeit fasst die Wissensbestände zu thematischen Diskurssträngen zusammen und prüft, inwiefern sich gemeinsame Merkmale für vertikale und horizontale Karrieren finden. Diese geben Aufschluss darüber, was den modernen Karrierebegriff eigentlich kennzeichnet.

Diese Systematisierung hat auch Relevanz für die Arbeit von Personalverantwortlichen sowie Karriere- und LaufbahnberaterInnen, da in Unternehmen in Zukunft auch horizontale Formen von Karriereverläufen inklusive Lohn- und Gehaltsschemen mit geplant werden müssen. 

Mag. Katharina Resch, MSc, Bakk. (Foto: Laura Arsu), geboren 1983 in Saalfelden, arbeitet derzeit an ihrer Dissertation zum Thema "Der Karrierebegriff in der Soziologie. Eine Rekonstruktion". Zudem ist sie als Soziologin, Übersetzerin, systemischer Coach und in der Fachbereichsleitung für Forschung in der origo Gruppe tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf Gesundheit und Erwachsenenbildung.

Literaturtipp:


Judith Volmer & Daniel Spurk (2011): "'Proteische' und 'grenzüberschreitende' Karriereeinstellungen: Zusammenhänge mit subjektivem und objektivem Berufserfolg." In: Zeitschrift für Arbeitsmarktforschung (2011) 43:207–218.