"Meine Forschung": Sternendämonen und Talismane

Die Magie wird oft als "irrational" und "mittelalterlich" begriffen. Dass sie aber nicht nur ein Thema der Esoterik, sondern auch der Wissenschaftsgeschichte ist, gerät dabei aus dem Blick. In ihrem Dissertationsprojekt beschäftigt sich Susanne Beiweis mit der philosophischen Bedeutung von Magie.

In der Renaissance waren magische Denkmuster integraler Bestandteil literarischer, medizinischer, astrologischer, naturphilosophischer und theologischer Diskurse. Denker von unstrittigem Rang wie Pico della Mirandola, Agrippa von Nettesheim und Giordano Bruno entwickelten Theorien über die Magie und andere okkulte Wissenschaften. Sie alle bezogen sich auf Marsilio Ficinos 1489 veröffentlichtes Werk De vita libri tres ("Die drei Bücher des Lebens"), das zum "Bestseller" seiner Zeit avancierte. Es bildet die Grundlage des Forschungsprojekts von Susanne Beiweis, das den Titel "Saturn und Talisman. Die widersprüchlichen Begriffe der Magie am Beispiel von Marsilio Ficinos De vita libri tres" trägt.

Im uni:view-Dossier "Meine Forschung" stellen DoktorandInnen der Universität Wien ihre Forschungsprojekte vor. Das Dossier läuft in Kooperation mit dem DoktorandInnenzentrum.


Marsilio Ficinos' "kulturelle Synthese"


Ficino war Philosoph, Priester und Arzt. Er verbindet daher auch in De vita libri tres naturphilosophische, theologische und medizinische Konzepte mit astral-magischen und astrologischen Kategorien. Dabei präsentiert er seinen ZeitgenossInnen nicht nur eine Zusammenfassung von bis dahin wenig bekannten antiken und mittelalterlichen Magietheorien, sondern verknüpft griechische, arabische und ägyptische Quellen zu einer neuen synkretistischen Philosophie. Aus dieser Synthese von platonischen, neuplatonischen und aristotelischen Traditionen entsteht die charakteristische Tradition der gelehrten Renaissancemagie – sie behauptet von sich, im Einklang mit den Lehren des Christentums zu stehen.

Die Spannungsfelder: Magia naturalis und magia daemonica


Ein solcher Integrationsversuch von eigentlich unvereinbaren Traditionen geht nicht ohne große Spannungen vor sich. Die beiden Begriffe magia naturalis und magia daemonica beschrieben vielleicht am besten diese Spannungen zwischen verschiedenen naturphilosophischen und kosmologischen Modellen:

Den Ausgangspunkt der magia naturalis bilden die natürlichen, aber dem Menschen verborgenen (okkulten) Kräfte der Naturdinge wie z. B. der Magnetismus oder der Einfluss der Gestirne auf die Geschicke der Menschen. Sie alle haben ihren Ursprung in Gott. Dieser Theorie zufolge verwendet bzw. kanalisiert der Magus lediglich die auf universellen Sympathien und Antipathien basierenden natürlichen Stoffe (z. B. Kräuter, Steine), um mit ihnen, die organische d. h., die sterbliche Seele in bestimmter Weise zu konditionieren. So hilft beispielsweise Gold, Safran und gelber Honig um die solare Kraft der Sonne in sich aufzunehmen und den Körper zu stärken.

Im Gegensatz dazu konzentriert sich die magia daemonica auf das Verhältnis zwischen Menschen und Dämonen – manche von ihnen sind als Planetengötter verkörpert. Diese Dämonen sind aktiv und können willentlich auf die höheren Seelenteile und den Geist wirken. Der Magus benützt daher künstlich hergestellte Gegenstände wie Talismane, um die von den Dämonen emittierte kosmische Strahlung durch bestimmte Zeichen anzuziehen und jene auf das Individuum, das diese Talismane trägt, zu fokussieren. Bei Ficino geschieht dies in der Absicht, die mentalen Qualitäten des Menschen positiv zu beeinflussen, also z. B. die durch den Planeten-Dämon Saturn hervorgerufene Melancholie durch den apollinischen Sonnendämon zu vertreiben. Die magia daemonica ist keinesfalls mit dem Christentum vereinbar. Dennoch suchte Ficino nach Wegen, diese antike Tradition in sein kulturelles Umfeld zu integrieren, auch und gerade weil er von vom therapeutischen Potenzial dieser Praxis der Dämonenbeschwörung überzeugt war.

Das Wechselspiel der Spannungsfelder


Die magia naturalis und magia daemonica gehen von unterschiedlichen metaphysischen Bedingungen aus. Beide Formen der Magie finden sich in Ficinos De vita libri tres wieder, und verzahnen sich geradezu ineinander. Dieses spannungsgeladene Verhältnis, das sich einerseits durch formale Trennung und andererseits als instabile Einheit zwischen den beiden Magie-Theorien beschreiben lässt, bildet den Schwerpunkt des Dissertationsvorhabens von Susanne Beiweis. Anhand des Begriffs des "perspektivischen Wechsels" zeigt sie die alternierenden Momente von wechselnder Bezugnahme und Abgrenzung der Magie-Theorien bei Ficino exemplarisch an den Entwürfen von Saturn und dem Talisman auf. Die Analyse verdeutlicht nicht nur Paradoxien in Ficinos philosophisch-magischem Denken, sondern sie thematisiert darüber hinaus auch das spannungsgeladene Verhältnis von theoretischer Untersuchung und praktischer Anwendung von Magie insgesamt.

Susanne Beiweis, geboren 1985 in St. Veit an der Glan, hat Philosophie in Wien studiert. Sie ist Doktorandin am Institut für Philosophie der Universität Wien und schreibt ihre Dissertation zum Thema "Saturn und Talisman. Die widersprüchlichen Begriffe der Magie am Beispiel von Marsilio Ficinos De vita libri tres."

Literaturtipp zum Thema: Kodera, Sergius: "Disreputable Bodies: Magic, Medicine, and Gender in Renaissance Natural Philosophy", Toronto: Centre for Reformation and Renaissance Studies 2010. (Online-Version)