"Meine Forschung": Die Coolness-Formel

Der klassische Hollywood-Film bietet NaturwissenschafterInnen traditionell ein begrenztes Rollenrepertoire. In ihrer Dissertation untersucht Judith Kohlenberger rezente Gegenbeispiele aus der amerikanischen Populärkultur, in denen Wissenschaft zum Spielfeld cooler Charaktere wird.

Der exzentrische Doc Brown aus "Zurück in die Zukunft" und Tollpatsch Steve Urkel aus "Alle unter einem Dach" machen es vor: In populären Genres wie Sitcoms und Science-Fiction-Filmen gingen die Repräsentationen von Wissenschaft bisher selten über verrückte Professoren oder die obligatorischen Nerds der High School hinaus. Aktuelle Beispiele legen jedoch den Schluss nahe, dass sich Wissenschaft und Forschung zu attraktiven Themenfeldern für die amerikanische Populärkultur entwickeln. Im medialen Mainstream sind WissenschafterInnen nicht länger an den narrativen Rand gedrängt, sondern nehmen Titelrollen ein.

Doch nicht nur die Häufigkeit, sondern auch die Qualität der Darstellung ändert sich: War wissenschaftliche Forschung bisher steril, nüchtern und visuell karg, so wird sie heute spektakulär in Szene gesetzt. Zeitgenössische Repräsentationen bedienen sich einer betont coolen Ästhetik, sei es mittels junger, fescher AkteurInnen. die eine Alternative zum Stereotyp des alten Mannes im weißen Mantel bieten, oder durch eindrucksvolle High-Tech-Szenarien. Solche coolen Darstellungen leisten eine wirkungsvolle ästhetische und affektive Legitimation wissenschaftlicher Praxis. "Cool" ist somit nicht mehr nur eine zentrale Größe im Bereich der Mode und Werbung, sondern beeinflusst auch die populäre Darstellung von Wissenschaft.

Im uni:view-Dossier "Meine Forschung" stellen DoktorandInnen der Universität Wien ihre Forschungsprojekte vor. Das Dossier läuft in Kooperation mit dem DoktorandInnenzentrum.


Wissen als Ressource

Dieser Wandel scheint eng mit der steigenden Bedeutung der Informationsliteralität in modernen Wissensgesellschaften verknüpft zu sein. Wissenschaft und Technik sind heute in nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens vorgedrungen, sei es in Form von Computern, Smartphones oder Datenbanken. Wie von Daniel Bell in "Die nachindustrielle Gesellschaft" bereits in den 1970ern konstatiert, ist theoretisches, kodifiziertes Wissen zu einer zentralen ökonomischen, sozialen und politischen Ressource geworden.

Das Informationszeitalter bedingt somit auch eine Veränderung in der kulturellen Wahrnehmung von Wissenschaft und Technik: Der milliardenschwere Konzern Apple und dessen idolisierter Gründer Steve Jobs zeigen, dass nun jene, die früher als Streber und Computerfreaks belächelt wurden, die Richtung des Cool vorgeben. Wenig überraschend schlägt sich dieser Wandel auch in populärkulturellen Darstellungen nieder.

Fallbeispiel CSI

Ein Beispiel, das die Dissertation untersucht, ist die international erfolgreiche CBS-Krimiserie "CSI", die dank Synchronisation auch im deutschsprachigen Raum einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Zusammen mit den beiden Ablegern "CSI: Miami" und "CSI: NY" rangiert die Serie unter den quotenträchtigsten TV-Formaten weltweit. Bemerkenswert daran ist, dass hier gar keine Polizeiarbeit im eigentlichen Sinne geboten wird: Die ProtagonistInnen sind GerichtsmedizinerInnen und KriminaltechnikerInnen, im Englischen zusammengefasst unter dem Berufsbild des "Crime Scene Investigators", der oder die wohl eher als WissenschafterIn denn als PolizistIn einzustufen ist.

Das CSI-Labor als Schauplatz cooler Ästhetik (Standbild aus der Folge "And They're Offed", Staffel 7, CSI: Miami. CBS Studios)


Dementsprechend werden Verbrechen nicht durch klassische Ermittlungsszenarien, sondern mithilfe modernster wissenschaftlicher Methoden, allen voran der DNA-Analyse, aufgedeckt. Im Mittelpunkt steht der wissenschaftliche Erkenntnisprozess, der unfehlbar alle "Bad Guys" aufspürt und kein Verbrechen ungesühnt lässt. Der amerikanischen Bevölkerung wird damit eine tröstliche Konstante in einer komplexen globalisierten Welt versprochen. Zugleich verhilft CSI der Wissenschaft ins Rampenlicht: Die ForensikerInnen sind keine abgehobenen Gelehrten an der Peripherie des narrativen Geschehens, sondern junge, attraktive Titelhelden, egal ob sie im Laborkittel oder in der schicken Lederjacke auftreten.

Wissenschaft als visuelles Spektakel

Demgemäß betont die Serie die visuell-ästhetische Komponente der wissenschaftlichen Praxis: Im ansprechend ausgeleuchteten High-Tech-Labor aus Glas und Stahl verschmelzen Wissenschaft und Technik in Perfektion. Die Laborszene, ein typischer "Signature Shot" in nahezu jeder Folge, unterbricht den Handlungsbogen für die Darstellung von Wissenschaft als veritables Spektakel, sei es mittels blinkender Apparaturen oder computergenerierter Detailaufnahmen. Untermalt von eingängigen Rockmelodien mutet die Szene eher wie ein Musikvideo oder die Kulisse eines extravaganten Fotoshootings an denn als realistische Schilderung eintöniger Laborarbeit. In der Laborszene hat Wissenschaft keine kognitive oder ethische Funktion mehr; CSI zelebriert vorrangig ihre visuelle Dimension und macht sie somit zu einem zentralen Träger cooler Ästhetik.

Mag. Judith Kohlenberger, geb. 1986 in Eisenstadt, ist Dissertantin am Institut für Anglistik und Amerikanistik (Foto: A. Doms). Ihr Projekt "The Formula for Cool: Legitimating Science in Contemporary US-American Popular Culture" beschäftigt sich mit der Repräsentation und Legitimation von Technologie und Wissenschaft im populärkulturellen Kontext. Zentral ist hierbei die Frage, inwiefern Darstellungen wissenschaftlicher Praxis durch die kulturelle und ästhetische Kategorie der "Coolness" bedingt sind. Das Projekt wird durch ein DOC-Stipendium finanziert.

 
Aktueller Buchtipp zum Thema:
Astrid M. Fellner, Susanne Hamscha, Jennifer Moos und Klaus Heissenberger (Hrsg.): Is It 'Cause It's Cool? Affective Encounters with American Culture. Wien: LIT Verlag, 2013. i.V.