Lernen lernen lebenslang

Selbstreguliertes Lernen ist eine Schlüsselkompetenz für akademischen Erfolg – so die Theorie. Bald gibt es eine App, die Lehrkräfte dabei unterstützt, selbstreguliertes Lernen im Unterricht zu fördern. uni:view trifft Julia Klug und Lisa Bardach, Bildungspychologinnen und Mitentwicklerinnen.

Selbstreguliertes Lernen wirkt sich positiv auf akademische Leistungen aus, so die Ergebnisse der aktuellen bildungspsychologischen Forschung. Trotz dieser Erkenntnis wird das selbstregulierte Lernen in der Unterrichtspraxis häufig vernachlässigt – das möchten die Bildungspsychologinnen Julia Klug und Lisa Bardach ändern. Seit November 2015 sind sie an einem Erasmus+-Projekt beteiligt, in dem mit geballtem Wissen aus Belgien, Spanien, Mazedonien, Großbritannien und Österreich eine App entwickelt wird, die Volksschullehrkräfte darin unterstützt, Lernenden selbstreguliertes Lernen zu vermitteln.

Eine Schlüsselkompetenz

Selbstreguliertes Lernen ist eine Schlüsselkompetenz, doch was verbirgt sich dahinter? "Lernende setzen sich eigenständig Ziele für ihren Lernprozess, wählen Strategien aus, um diese Ziele zu erreichen, überwachen den Lernprozess, bewerten das Outcome und machen es für zukünftige Handlungen nutzbar", erklärt Lisa Bardach. Diese Fähigkeit kommt nicht von allein, es braucht gezielte Unterstützung im schulischen Kontext und das so früh wie möglich, darin sind sich die Bildungspsychologinnen einig.

Eine App, die "um die Ecke" denkt

Die App "T-Mail" (Abk. f. Teacher Mobile Application for Innovative Learning) richtet sich daher an LehrerInnen, die Kinder im Volksschulalter unterrichten. "Im Projekt denken wir 'um die Ecke' – die Inhalte sollen bei den SchülerInnen ankommen, die App an sich wird aber von den LehrerInnen genutzt", so Klug.

Am Smartphone oder Tablet können Lehrkräfte Übungen und Aktivitäten zum selbstregulierten Lernen, eine Art Gebrauchsanweisung und konkrete Implementierungsideen abrufen. Die Lehrkräfte halten ihre Erfahrungen aus dem Klassenraum in Bild und Text fest, laden sie auf eine Plattform hoch und tauschen sich mit anderen NutzerInnen aus.   

Trainingskonzeption aus Wien

"In der Trainingskonzeption liegt eine Stärke des Arbeitsbereiches Bildungspsychologie und Evaluation der Universität Wien", erzählen Lisa Bardach und Julia Klug. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde das Forscherinnen-Duo von den belgischen ProjektpartnerInnen eingeladen, die inhaltliche Gestaltung der App – die Entwicklung der verschiedenen Module also – zu übernehmen. In den Modulen haben die Psychologinnen aktuelle Forschungsergebnisse praktisch umgesetzt. Die App selbst fußt auf einem Drei-Phasen-Modell: Inhalte werden für die Phasen vor, beim und nach dem Lernen bereitgestellt und greifen so den zyklischen Charakter des selbstregulierten Lernens auf.

"Think of a specific task, activity, or project your students will be working on in the coming weeks. Ask your students to make their goals for this specific task/project/activity explicit, e.g. by writing them down (older students) or painting a picture of their goals (younger students)" – so heißt es in einer konkreten Classroom Activity von T-Mail, die am Ende des Moduls "Goal Setting" zu finden ist. (Grafik: Rebecca Wölfle)  

Und fertig ist die App…

Auch die Lehrkräfte können mitreden: In einer Vorstudie, geleitet durch das Team aus Spanien, wurden LehrerInnen gezielt befragt, welche Anforderungen sie an T-Mail haben. Einfache Handhabung, ansprechendes Design und Anwendungsorientiertheit standen an erster Stelle.

Eine Softwarefirma aus Brüssel übernimmt nun die Entwicklung der App, die KollegInnen aus Mazedonien sind für die Qualitätssicherung verantwortlich und Großbritannien beschäftigt sich mit Aspekten des Mobile Learnings und der Evaluation. Nach der Übersetzung ins Deutsche, Englische, Französische, Spanische, Niederländische und Mazedonische erfolgt eine Pilotierung – die Bestandsprobe im Feld. Fertig ist die App im Herbst 2017, so das ambitionierte Ziel des europäischen ForscherInnenteams.

Wohin mit der Projektidee? Nutzen Sie den Service der DLE Internationale Beziehungen und lassen Sie sich in sämtlichen Phasen der Antragsstellung für Erasmus+Bildungsprojekte unterstützen. Kontakt: bildungsprojekte@univie.ac.at

Schule der Zukunft?

In der Schule der Zukunft wird eine Kombination aus digitalen Medien, face-to-face Unterricht und selbständigem Lernen wichtig sein, davon ist Bildungspsychologin Klug überzeugt. Während eines Forschung- und Lehraufenthalts an der University of Oulu in Finnland besuchte sie die "Modellschule" UBIKO – mit offenen Räumen, Chill-Out-Zonen und iPads. Die SchülerInnen setzen sich im Sinne des selbstregulierten Lernens gemeinsam mit den Lehrenden Lernziele, die sie eigenständig auf ihre Art und Weise verfolgen. "Das Konzept geht auf – in Leistungsvergleichsstudien sind die skandinavischen Länder oft ganz vorne", so die Bilanz.

… bis zur Universität

Die Prinzipien des selbstregulierten Lernens versucht Klug übrigens auch in ihrer eigenen Lehre an der Universität Wien umzusetzen: In einem Train-the-Trainer-Seminar am Institut für Angewandte Psychologie können ihre Studierenden Themen frei wählen und durchlaufen Phasen des Peer- und Video-Feedbacks sowie der Selbstevaluation. Die Zielgruppe Studierende interessiert die Bildungspsycholginnen auch. In einem anderen Projekt namens PRO SRL EVA entwickeln sie daher ein Programm, dass StudentInnen bei der Selbstregulation im Zuge des Schreibens der Bachelorarbeit unterstützt. Denn: "Lernen lernen hört nicht mit dem Schulabschluss auf, sondern begleitet uns ein Leben lang." (hm)  

Das Projekt T-MAIL läuft vom 1. November 2015 bis zum 31. Oktober 2017 und wird vom Erasmus+-Programm der Europäischen Union gefördert. Dipl.-Psych. Dr. Julia Klug und Mag. Lisa Bardach, BSc MSc vom Institut für Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirtschaft der Universität Wien arbeiten an der inhaltlichen Gestaltung mit. ProjektpartnerInnen sind Vrije Universität Brüssel, Universidad Autónoma de Madrid, University of Hull, Youth Entrepreneurial Service (YES) Foundation, GO! Education of the Flemish Community, European Distance and E-learning Network, Kidimedia ltd und European Trade Union Committee for Education.