Konfliktparteien, Interessensgegensätze und der Weltfrieden

Mitten im Kalten Krieg gründete sich die Internationale Atomenergie-Organisation unter Beteiligung der USA als auch der damaligen Sowjetunion. In ihrem Elise-Richter-Projekt untersucht Elisabeth Röhrlich unerwartete Kooperationen und Konfliktlinien.

Die IAEA (International Atomic Energy Agency) wurde 1957 in Wien gegründet, um die zivile Nutzung der Kernenergie zu fördern und ihren militärischen Einsatz zu verhindern. Sie ist nicht nur die älteste, sondern mit heute 164 Mitgliedsstaaten und über 2.500 MitarbeiterInnen auch die größte internationale Organisation in Österreich. Ihre internationale Bedeutung zeigt sich nicht zuletzt an der aktuellen Einigung bei den Atomverhandlungen mit dem Iran.

Die IAEA als Forschungsgegenstand


Mit den ersten Jahren der Geschichte der IAEA befasst sich das Habilitationsprojekt von Elisabeth Röhrlich am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. Das im Elise-Richter-Programm des FWF geförderte Projekt kann bereits auf Ergebnissen aus früheren Teilstudien aufbauen, in denen die Wissenschafterin als Mitarbeiterin tätig war.

Hier stieß sie auf die konfliktgeladene Zusammenarbeit unterschiedlicher Staaten während der Gründung der IAEA, die bislang nicht erforscht wurde. Mit Hilfe von Aktenmaterial, das Röhrlich rund um den Globus aufspürt, wird sie in den kommenden viereinhalb Jahren die Interessenlagen der Akteure aufarbeiten.

Im Jahr 2014 startete die Forscherin außerdem ein durch die Nationalbank und die Carnegie Corporation of New York gefördertes Oral History-Projekt. Sie interviewt ehemalige und aktuelle WissenschafterInnen, DiplomatInnen und frühere MitarbeiterInnen der Institution zu deren Geschichte, um die Gespräche einer breiten Öffentlichkeit als Filmbeiträge online zugänglich zu machen. Seit heuer arbeitet die Historikerin und Filmemacherin Klaudija Sabo in diesem Video-Projekt mit.

Elisabeth Röhrlich vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien untersucht die Gründungsgeschichte der IAEA aus multinationaler Perspektive.

Konflikt und Zusammenarbeit im Kalten Krieg

Unter dem Eindruck der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gründete sich bereits im Jahr 1946 die Atomic Energy Commission der Vereinten Nationen, die aber die Interessensunterschiede zwischen den Rivalen USA und Sowjetunion nicht vereinen konnte. Während die Atommacht USA ein internationales Kontrollsystem installieren wollte, sprach sich die Sowjetunion, die selbst an der Bombe arbeitete, für ihr internationales Verbot aus.

Im Jahr 1953 stieß US-Präsident Eisenhower mit seiner Rede vor den Vereinten Nationen die Gründung der IAEA erneut an und sprach sich für Kontrolle militärischer und die Förderung der zivilen Nutzung der Atomenergie aus. Die Sowjetunion trug diese Initiative nach einigem Zögern mit. "Die Rede war ein Publicity-Erfolg. Außerdem galt die Atomenergie als Zukunftstechnologie für Wohlstand, Fortschritt und Gesundheit. Das Feld konnte die Sowjetunion den USA nicht allein überlassen," erklärt die Forscherin die Zusammenarbeit der Kontrahenten.

Die erste Sitzung des IAEA Board of Governors, 1957 (Foto: IAEA)

Auseinandersetzungen quer zu Ost-West

Die Gründung der IAEA vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs zu untersuchen, greift nach Röhrlich aber zu kurz. "Während sich die Rivalen USA und Sowjetunion in den Gründungsverhandlungen erstaunlich gut verstanden, gab es Konflikte zwischen ehemaligen Kolonialmächten und den neuen unabhängigen Staaten."

So traf die Idee, Inspektoren einzusetzen, auf den Widerstand so genannter Entwicklungsstaaten: Sie empfanden dies als eine neue Form des Imperialismus. "Denn ihr", so fasst Röhrlich die Position der so genannten "Nuclear Have-Nots" zusammen, "gebt uns Technologien und wir als Empfänger müssen Kontrollen zulassen, die ihr als Geber nicht habt."

Spannungen zwischen Indien und Südafrika

Konflikte gab es auch zwischen Indien und Südafrika. Die große indische Minderheit in Südafrika wurde vom Apartheidsregime verfolgt und diskriminiert. "Der Konflikt tobte in den UN zeitgleich zu den Gründungsverhandlungen der IAEA und wurde auch hier zum Thema", erläutert die Forscherin.

Während Südafrika angesichts seiner Isolation in den Vereinten Nationen auf eine unabhängige Atomenergiebehörde pochte, plädierten Indien und andere Entwicklungsländer für eine enge Verbindung der IAEA mit den UN, in denen sie an internationalem Einfluss gewannen.

Internationale Kontakte als das A und O der Forschung

Ihre Förderung durch das Elise-Richter-Programm und ihre Anstellung an der Universität Wien gibt Elisabeth Röhrlich die notwendigen finanziellen Mittel für ihre internationalen Recherchen und die Freiheit, ein eigenes Projekt zu leiten. Eine globale Institutionengeschichte zu schreiben, setzt aber internationale Zusammenarbeit voraus. Ab September wird die Wissenschafterin ein Jahr lang am Wilson Center in Washington forschen. In dem hier verorteten Nuclear Proliferation International History Project, das Partnerprojekte aus aller Welt versammelt, ist sie seit einigen Jahren eine der HauptpartnerInnen.

Am 19. August steht ein Workshop gemeinsam mit dem Vienna Center for Non-Proliferation and Disarmament auf dem Programm. Bereits jetzt ist ihr Projekt ein Anlaufpunkt für WissenschafterInnen aus unterschiedlichen Ländern, die über die IAEA forschen. (jr)

Mag. Dr. Elisabeth Röhrlich arbeitet derzeit am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien an ihrem Habilitationsprojekt mit dem Titel "The Creation of the IAEA, 1953-1957". Ihre Forschung wird durch das Elise-Richter-Programm des FWF gefördert. Projektlaufzeit: April 2015 bis Dezember 2019.