Ist doch logisch, oder?

Die Logikerin und Nachwuchswissenschafterin Ekaterina Fokina erforscht im Rahmen ihres kürzlich gestarteten Elise-Richter-Projekts "Automatische Strukturen unter berechenbaren Strukturen".

Was für die gebürtige Russin und Mathematikerin Ekaterina Fokina logisch erscheint, ist für andere – selbst für mathematisch Begabte – oft nur schwer nachvollziehbar. So arbeitet sie u.a. mit der "Turingmaschine": ein rein theoretischer "Computer", der über unendlich viel Speicherplatz und Rechenzeit verfügt. Ihre beiden Spezialgebiete innerhalb der theoretischen Mathematik sind die Berechenbarkeitstheorie und die Modelltheorie. Damit tritt die junge Logikerin in große Fußstapfen und setzt eine mathematische Tradition fort, deren Grundlagen einst von Kurt Gödel hier an der Universität Wien, v.a. durch seine sogenannten "Unvollständigkeitssätze", geschaffen wurden.


Dieser Artikel erschien im Forschungsnewsletter Jänner 2012.
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Von Novosibirsk nach WienNovosibirsk – nach Moskau und Sankt Petersburg die drittgrößte Stadt Russlands und die größte Stadt Sibiriens – beheimatet eine berühmte Schule für Logikforschung, die bis heute weltweit führende MathematikerInnen hervorbringt. Dort schloss Ekaterina Fokina im Jahr 2008 erfolgreich ihr Doktoratsstudium ab und kam direkt im Anschluss daran an die Universität Wien – auf Engagement von Sy-David Friedman, Leiter des Kurt Gödel Research Centers, und im Rahmen des Lise-Meitner-Programms des FWF. "Ich wurde von Sy-David Friedman eingeladen, da die Gebiete Berechenbarkeitstheorie und Modelltheorie auch an der Universität Wien verankert werden sollten", erzählt die Mathematikerin.

Welche "Lücke" Ekaterina Fokina hierzulande geschlossen hat, zeigt auch ihr bisheriger akademischer Erfolg: Das zweijährige Lise-Meitner-Projekt "Algorithmic properties of structures and theories" hat sie bereits Anfang dieses Jahres erfolgreich abgeschlossen – die Ergebnisse publizierte sie in mehreren renommierten Fachmagazinen. Zurzeit leitet sie neben dem Elise-Richter-Projekt "Automatische Strukturen unter berechenbaren Strukturen" noch ein weiteres FWF-Projekt mit dem Titel "Algorithmische Zufälligkeit und berechenbare Modelltheorie".


Das "Kurt Gödel Research Center for Mathematical Logic (KGRC)" ist nach dem berühmten österreichischen Mathematiker und Logiker Kurt Gödel (1906-1978) benannt, der in den Jahren 1929-1931 hier an der Universität Wien seine Vollständigkeits- und Unvollständigkeitssätze – die Grundlage der modernen mathematischen Logik – legte.



Ist das überhaupt berechenbar?


Im Elise-Richter-Projekt, das auf vier Jahre anberaumt ist, verbindet die Forscherin ihre beiden Schwerpunkte Berechenbarkeitstheorie und Modelltheorie. Die Berechenbarkeitstheorie befasst sich als Teilgebiet der Mathematischen Logik und der Theoretischen Informatik mit Problemen, die mit Hilfe einer Maschine – damit ist das mathematische Modell einer Maschine gemeint – lösbar sind.

Eine davon ist die bereits genannte Turingmaschine, entwickelt vom englischen Mathematiker Alan Turing, der heuer seinen 100. Geburtstag feiert. "Dieses Modell, das zu den grundlegenden Konzepten der Theoretischen Informatik zählt, verfügt theoretisch über absolut unbegrenzten Speicherplatz und ebenso unendliche Laufzeit", so Fokina: "Die Hauptfrage der Berechenbarkeitstheorie ist also nicht, ob eine Lösung technisch möglich ist, sondern ob sie im Prinzip, also rein theoretisch möglich wäre. Der reale Speicherplatz und die dafür benötigte Rechenzeit sind dabei vollkommen egal. Diese werden in anderen Bereichen der Mathematik und Informatik erforscht."

Modelltheorie


Die Modelltheorie veranschaulicht Fokina anhand eines Beispiels: "Stellen wir uns die Datenbank einer Bibliothek vor. Darin finden sich ganz unterschiedliche Kategorien, wie Titel, AutorIn, Erscheinungsjahr, Verlag, NutzerInnen, etc. All diese Kategorien stehen natürlich in Relation zueinander. Abstrakt gesehen handelt es sich dabei um eine Struktur, auch Modell genannt, d.h. eine Menge mit Relationen, die auf der Menge definiert sind. Nun kann ich weitere mathematische Abstraktionen verwenden, um eine Fragestellung zu formulieren, etwa: Wie viele BibliotheksnutzerInnen haben derzeit  Bücher ausgeborgt?" Die Mathematikerin benötigt natürlich kein anschauliches Beispiel einer Bibliothek, um zu forschen, sie bewegt sich ausschließlich in theoretischen mathematischen Welten.


Das Elise-Richter-Programm des FWF unterstützt hervorragend qualifizierte Wissenschafterinnen in ihrer Karriereentwicklung. Das Programm ist nach Elise Richter (geb. 1865 in Wien, gest. 1943 im Ghetto Theresienstadt) benannt: Sie war Romanistin und Universitätsprofessorin und habilitierte sich 1905 als erste Frau Österreichs an der Universität Wien. Zum Elise-Richter-Dossier in uni:view



Wie effektiv solche Fragestellungen im Themenbereich mathematischer Strukturen beantwortet werden können, beschäftigt Fokina im laufenden Elise-Richter-Projekt. "Anders ausgedrückt: Wie effektiv sind die Eigenschaften von Strukturen, die in Mathematik und Informatik auftauchen?", präzisiert die Nachwuchsforscherin, die sich in den kommenden vier Jahren mit Ähnlichkeiten und Unterschieden verschiedener theoretischer Modelle und Maschinen beschäftigen wird. Sie freut sich sichtlich darauf: "Das ist Theorie pur, die Motivation dafür kann man aber auch im realen Leben finden." (td)

Ekaterina Fokina, PhD startete ihr vierjähriges Elise-Richter-Projekt "Automatische Strukturen unter berechenbaren Strukturen" Anfang Jänner 2012 am Kurt Gödel Research Center der Universität Wien.