Hungrige Chlamydien

Chlamydien kennt man als bakterielle Krankheitserreger. Es gibt sie aber auch in der Umwelt – und zwar zuhauf, wie ForscherInnen des Departments für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien zeigen. Aber die Bakterien sind nicht nur vielfältiger als bisher angenommen – sondern auch "hungriger".

Chlamydien sind seit Urzeiten an das Leben innerhalb tierischer Wirtszellen angepasst und wagen sich nur übergangsweise "hinaus ins Freie": um als sogenannte "Elementarkörperchen" neue Wirtszellen zu infizieren. Diese Überdauerungsphase galt lange als sporenähnliches Stadium, in dem die Elementarkörperchen keinerlei Stoffwechselaktivität haben. Eine Lehrbuchmeinung, die Barbara Sixt, Alexander Siegl und Matthias Horn vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien nun im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit in Frage stellen: Sie zeigen, dass Elementarkörperchen der Amöbensymbionten Protochlamydia amoebophila auch außerhalb ihres Wirtes einen aktiven Metabolismus aufweisen.

Dieses unerwartete Ergebnis gelang mit Hilfe modernster Methoden der Metabolomik – in enger Zusammenarbeit mit dem SILVER Labor der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien (Leitung: Andreas Richter) und dem Helmholtz Zentrum München. "Wir haben sogenannte 'schwere Isotope' verwendet, um die Aufnahme und die Verstoffwechslung markierter Substrate nachzuweisen und konnten so die in Elementarkörperchen aktiven Stoffwechselwege identifizieren", erklärt Alexander Siegl genauer.


ForscherInnen der Universität Wien zeigen: Elementarkörperchen (hellblau) weisen auch außerhalb ihrer natürlichen Wirtszellen Stoffwechselaktivität auf (pink).



Tatsächlich scheint die beobachtete Stoffwechselaktivität für das Überleben der Elementarkörperchen außerhalb von Wirtzellen essenziell zu sein: Sie brauchen Nährstoffe, um neue Wirtszellen infizieren zu können. "Das infektiöse Stadium der Chlamydien könnte in wesentlich größerem Umfang von Umweltbedingungen abhängig sein als bisher angenommen", sagt Horn. Die Ergebnisse wurden als Cover-Story im Journal "PLoS Pathogens" publiziert.

Vielfältiger als bisher angenommen

Die Chlamydien sorgen aber noch auf andere Art für Überraschung: Sie sind vielfältiger als vermutet wurde. "Es gibt mehr als 200 bislang nicht näher charakterisierte Familien innerhalb der Chlamydien", so das Ergebnis von Ilias Lagkouvardos, Thomas Rattei und Matthias Horn, das die Forscher der Universität Wien kürzlich in der renommierten Zeitschrift "The ISME Journal" vorgestellt haben. Für diese Diversitätsstudie haben die Biologen computergestützte Sequenzanalysen vorgenommen und verschiedene Sequenzdatenbanken integriert. Ein Großteil der unbekannten Chlamydien lebt demnach in marinen Habitaten. (br)

Das Paper "Metabolic features of Protochlamydia amoebophila elementary bodies - a link between activity and infectivity in Chlamydiae" (AutorInnen: B.S. Sixt, A. Siegl, C. Müller, M. Watzka, A. Wultsch, D. Tziotis, J. Monanaro, A. Richter, P. Schmitt-Kopplin und M. Horn) erschien im Journal " PLoS Pathogens".

Das Paper "Integrating metagenomic and amplicon databases to resolve the phylogenetic and ecological diversity of the Chlamydiae" (AutorInnen: I. Lagkouvardos, T. Weinmaier, F. Lauro, R. Cavicchioli, T. Rattei und M. Horn) erschien im "ISME Journal".