Eine Uhr mit zwei Zeitangaben

Die Vereinigung der Quantenmechanik mit Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie ist eine der offenen Fragen der modernen Physik. Die allgemeine Relativitätstheorie, welche Gravitation, Raum und Zeit beschreibt, tritt v.a. auf großen Skalen wie Sternen und Galaxien zum Vorschein. Die fragilen Quanteneffekte hingegen machen sich bei den kleinsten Teilchen bemerkbar. Schwierig wird es, Effekte zu erforschen, wo beide Theorien zusammenwirken. ForscherInnen der Fakultät für Physik schlagen nun ein neues Experiment vor; der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Messung der Zeit auf der Quantenebene. Die Ergebnisse erschienen im Journal "Nature Communications".

Eine der wichtigsten Vorhersagen von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie ist die Deformierung der Zeit. Die Theorie sagt voraus, dass Uhren in der Nähe eines massiven Objekts langsamer laufen, und wieder schneller, je weiter sie von der Masse entfernt sind. Dieser Effekt resultiert im sogenannten "Zwillingsparadoxon": Wenn einer von zwei identischen Zwillingen auf einer höher gelegenen Ebene lebt, so altert er schneller als der andere Zwilling. Dieser Effekt wurde in klassischen Experimenten bestätigt, jedoch nicht im Zusammenhang mit Quanteneffekten, welches das Ziel des neuartigen Experiments sein soll.

Quanteninterferenz und Komplementarität

Die Forschungsgruppe rund um Časlav Brukner von der Gruppe Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation möchte den außergewöhnlichen Quanteneffekt ausnutzen, bei dem ein Teilchen nicht mehr genau lokalisierbar ist. In der Quantenmechanik nennt man diesen Zustand "Superposition", und er ermöglicht Welleneffekte, also Interferenz, eines einzigen Teilchens. Wenn der Ort des Teilchens jedoch beobachtet wird, so geht dieser Effekt verloren: Es ist nicht möglich, Interferenzeffekte zu beobachten und gleichzeitig die Position des Teilchens zu kennen.

Solch eine Verbindung zwischen Information und Interferenz ist ein Beispiel für das Prinzip der Quanten-Komplementarität, welches zuerst von Niels Bohr formuliert wurde. Das jetzt in "Nature Communications" vorgeschlagene Experiment nutzt dieses Prinzip in Verbindung mit dem "Zwillingsparadoxon" aus.

Einsteins "Zwillingsparadoxon" für ein "Quanten-Einzelkind"

Die Theoretischen PhysikerInnen beschreiben eine einzige Uhr (ein beliebiges Teilchen mit einem internen Freiheitsgrad), die in eine Superposition von zwei Orten gebracht wird – ein Ort näher und ein Ort weiter von der Erdoberfläche entfernt. Aufgrund der allgemeinen Relativitätstheorie würde die Uhr unterschiedlich schnell an beiden Orten laufen – so wie die Zwillinge unterschiedlich altern. Da jedoch die Zeit, die durch die Uhr gemessen wird, Information darüber angibt, an welchem Ort die Uhr ist, gehen die Interferenz und die Wellennatur der Uhr verloren.

"Es ist das 'Zwillings-Paradoxon' des 'quantenmechanischen Einzelkindes' und verbindet Quanteneffekte mit denen der allgemeinen Relativitätstheorie. Dies wurde noch nie zuvor in Experimenten beobachtet", sagt Magdalena Zych, Erstautorin der Publikation und Mitglied des FWF-Doktoratskollegs CoQuS. Es wäre daher das erste Experiment, das es ermöglicht, die Zeit, wie sie in der allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben wird, in Verbindung mit der Quanten-Komplementarität zu erforschen. (vs)

Das Paper "Quantum interferometric visibility as a witness of general relativistic proper time" (AutorInnen: M. Zych, F. Costa, I. Pikovski und C. Brukner) erschien am 18. Oktober 2011 im Journal "Nature Communications".