Ein Bund fürs Leben

Eine Mondmuschel kommt selten allein. Denn in ihrer Ernährung ist sie auf Bakterien angewiesen, mit denen sie in Symbiose lebt. WWTF-"Young Investigator" Jillian Petersen untersucht, wie sich die beiden finden und unterstützen.

Jillian Petersen ist eine von drei jungen WissenschafterInnen, die im "Vienna Research Groups for Young Investigators"-Call 2014 des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) ausgezeichnet wurden.

Dieses Programm bietet internationalen Nachwuchstalenten eine längerfristige Karriereperspektive in Wien und die Möglichkeit, eine eigene Forschungsgruppe aufzubauen. Jillian Petersen, vormals am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen tätig, bringt die mit 1,6 Millionen Euro dotierte Förderung an die Division of Microbial Ecology des Departments für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien.

Bakterien bereiten die Mahlzeit


In den kommenden acht Jahren widmet sich die ehemalige Tiefseeforscherin einer Unterart der Mondmuschel, Loripes lucinalis, die sie in rund sieben Metern Wassertiefe vor der Küste der italienischen Insel Elba findet. Die meisten Muscheln filtern ihre Nahrung aus dem Wasser heraus - die Mondmuschel kann dies aber nicht mehr so gut. Sie ist hat sich auch auf Bakterien als Nahrungsquelle spezialisiert.


Die Mikroorganismen versorgen die Muschel mit Zuckern und anderen lebenswichtigen Molekülen. Als Folge dessen hat sich der Darmtrakt des Tieres im Zuge der Evolution zurückgebildet. Jede der 500 Unterarten der Mondmuschel (Lucinidae) geht die Verbindung mit einer eigenen Bakterienart oder Bakterienunterart ein.

Partnerschaften mit vielen Unbekannten

Ein passender Partner muss allerdings erst einmal aufgespürt werden. "Der Muschelnachwuchs kommt ohne Bakterien zur Welt. Er muss sie also in seiner Umwelt finden und die nützlichen von den schädlichen Bakterien unterscheiden", erklärt die Mikrobiologin.

Genau an dieser Stelle setzt Petersens Forschung an. Denn wie die Partnerfindung vor sich geht und wie das Zusammenleben zwischen Muschel und Bakterien dann funktioniert, wirft nach wie vor eine Reihe ungeklärter Fragen auf, denen die Forscherin mit ihrem Team nachgehen will.

Das Foto zeigt einen Taucher aus dem Projekt-Team in Großaufnahme.

Forschung unter Wasser: Postdoc-Mitarbeiter Ulisse Cardini sucht Material. (Foto: HYDRA Institut)

Gute Startbedingungen an der Universität Wien

Mit ihr hat Postdoc-Mitarbeiter Ulisse Cardini im September seine Arbeit aufgenommen; Postdoc Julia Klose wird bald Mitglied der Forschungsgruppe sein. Nach drei Jahren Projektlaufzeit werden mehrere DissertantInnen das Team Petersen komplettieren. Gemeinsam halten sie die Muscheln im Aquarium, um ihre Lebenszyklen und Partnerschaften im Labor zu untersuchen.

Dabei kommen ihnen die technischen Möglichkeiten und die Expertise ihrer KollegInnen vor Ort zu Gute: "In Wien sind die weltweit führenden SpezialistInnen für Labormethoden zur Untersuchung von Mikroben in ihrer Umwelt. Deswegen ist die Division of Microbial Ecology spannend für mich." Das Team arbeitet außerdem eng mit WissenschafterInnen des HYDRA Instituts für Meereswissenschaften auf Elba zusammen.

Annehmlichkeiten des Hotels Muschel

Die Mondmuschel bewohnt das schwefelwasserstoffhaltige Sediment des Meeresgrunds – eine Umgebung, die für die meisten Lebewesen giftig ist. Dies trifft allerdings nicht auf die Bakterien zu, die die Kiemen der Muschel bevölkern. "Sie benötigen sowohl Schwefelwasserstoff als auch Sauerstoff zum Überleben", erläutert die Wissenschafterin. "In der Umwelt treten diese Stoffe aber selten gemeinsam auf."

Die Muschel gewinnt den Sauerstoff über ihre Kiemen aus dem Wasser und versorgt damit, wie Petersen beweisen will, sich selbst und auch die Bakterien. Im Vergleich zu den Atmungsorganen anderer Muscheln sind die Kiemen der Mondmuscheln stark vergrößert.

Das Foto zeigt Mondmuscheln in Großaufnahme.

Kleine Tiere – große Forschung: Hier sind die Protagonisten des Projekts von "Young Investigator" Jillian Petersen zu sehen. (Foto: Ulisse Cardini)

Gleichgewicht in der Unterwasser-WG

Die Wissenschafterin geht davon aus, dass der Schwefelwasserstoff wiederum den Muscheln nichts anhaben kann, weil die Bakterien ihn umwandeln. Dass so Vorteile sowohl für Wirt und Symbiont entstehen, ist nicht selbstverständlich.

Denn die Muschel braucht Mechanismen, um die Bakterienpopulation zu kontrollieren: Es müssen einerseits genügend von ihnen vorhanden sein, andererseits wäre eine unbegrenzte Vermehrung der Mikroorganismen für die Muschel schädlich. So wie diese Mechanismen die Wissenschaft vor Rätsel stellen, ist bisher fraglich, wie sich die Bakterien in den Wirtszellen ansiedeln, ohne Schaden anzurichten.

Bakterien als ständiger Begleiter von Mensch und Tier


"Genetisch ähneln sie Krankheitserregern wie der Pest und es ist anzunehmen, dass sie auf ähnliche Weise in die Zellen eindringen können. Über die 'guten' Bakterien wissen wir aber fast nichts", beschreibt die Mikrobiologin ihr Forschungsinteresse. "Dabei gibt es keine Tiere, die nicht auf Bakterien angewiesen sind. Uns interessieren also die ganz grundsätzlichen Fragen dieser Partnerschaften." (jr)
 
Dr. Jillian Petersen ist Forschungsgruppenleiterin am Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung, Division of Microbial Ecology, an der Universität Wien. Ihr Projekt mit einer Laufzeit von September 2015 bis August 2023 wird vom "Vienna Research Groups for Young Investigators"-Programm des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) gefördert.